Missbrauchsgutachten:Ratzinger räumt Falschaussage ein

Missbrauchsgutachten: Die Autoren des Missbrauchsgutachtens hatten eine Angabe des früheren Papstes als unglaubwürdig bezeichnet. Nun hat er sich korrigiert: Er habe doch an einer wichtigen Sitzung teilgenommen.

Die Autoren des Missbrauchsgutachtens hatten eine Angabe des früheren Papstes als unglaubwürdig bezeichnet. Nun hat er sich korrigiert: Er habe doch an einer wichtigen Sitzung teilgenommen.

(Foto: Claudio Onorati/dpa)

Der frühere Papst bezeichnet den Fehler in seiner Stellungnahme zum Missbrauchsgutachten als "Versehen"

Von Annette Zoch

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat eine zentrale Aussage in seiner Stellungnahme zum Münchner Missbrauchsgutachten korrigiert: Entgegen seiner eigenen Darstellung habe er damals als Erzbischof von München und Freising doch an einer entscheidenden Ordinariatssitzung vom 15. Januar 1980 teilgenommen. Das teilte sein Privatsekretär, Erzbischof Georg Gänswein, am Montag mit.

In jener Sitzung war es um die Aufnahme des Priesters Peter H. aus der Diözese Essen gegangen. Peter H. war in Essen bereits als Missbrauchstäter aufgefallen, später in Diensten des Erzbistums München und Freising beging er weitere Übergriffe. Benedikt XVI. hatte seine Anwesenheit in der Sitzung bestritten. Dies hielten die Gutachter für "unglaubwürdig" - erstens werde Ratzinger in dem fraglichen Protokoll nicht als abwesend geführt. Zweitens seien in dem Dokument Wortbeiträge Ratzingers festgehalten, unter anderem berichte "der Herr Kardinal" von Gesprächen deutscher Bischöfe mit Papst Johannes Paul II.

Ratzinger habe doch an der Sitzung vom 15. Januar 1980 teilgenommen, erklärt nun Georg Gänswein. Der päpstliche Privatsekretär schreibt weiter: "Die gegenteilige Angabe war also objektiv falsch." Der emeritierte Papst "möchte betonen, dass dies nicht aus böser Absicht heraus geschehen ist, sondern Folge eines Versehens bei der redaktionellen Bearbeitung seiner Stellungnahme war." Wie es dazu gekommen sei, werde er in einer ausführlichen Stellungnahme zu einem späteren Zeitpunkt erklären. Der Fehler tue ihm aber sehr leid, und er bitte, diesen zu entschuldigen.

Objektiv richtig bleibe aber, dokumentiert durch die Aktenlage, die Aussage, dass in dieser Sitzung über einen seelsorgerlichen Einsatz des betreffenden Priesters nicht entschieden worden sei. "Vielmehr wurde lediglich der Bitte entsprochen, diesem während seiner therapeutischen Behandlung in München Unterkunft zu ermöglichen."

Benedikt XVI. arbeitet sich durch das Gutachten

Seit Donnerstagnachmittag liege dem emeritierten Papst das Gutachten vor, so Gänswein. "Derzeit liest er aufmerksam die dort niedergelegten Ausführungen, die ihn mit Scham und Schmerz über das Leid erfüllen, das den Opfern zugefügt worden ist." Auch wenn er um zügige Lektüre bemüht sei, bitte er um Verständnis, dass er fürs Lesen "angesichts seines Alters und seiner Gesundheit, aber auch wegen des großen Umfangs" noch Zeit benötige.

Der Sprecher der Betroffenen-Initiative "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, zeigte sich enttäuscht von der Stellungnahme: Benedikt habe sich nur für eine falsche Angabe entschuldigt. "Entschuldigen müsste er sich eigentlich für den ganzen Vorgang, denn er ist mit dafür verantwortlich, dass dieser Priestertäter anschließend jahrzehntelang Kinder im Bistum gefährden konnte", sagte Katsch. Insgesamt hatten die Gutachter Benedikt XVI. Fehlverhalten in vier Fällen zur Last gelegt. Auch alle anderen Verantwortungsträger von 1945 bis 2019 werden belastet.

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