Benachteiligung Homosexueller:Gleich und doch nicht gleich

Alle reden vom Ehegattensplitting für Homosexuelle, dabei haben schwule und lesbische Paare viel erreicht: Von der GEZ-Gebühr bis zur Wehrpflicht haben sie in den meisten Bereichen die gleichen Rechte und Pflichten wie Eheleute. Aber zwei große Ungleichheiten bleiben.

Mathias Weber

Beim Fernsehen sind sie alle gleich. Ob zwei Männer vor dem Gerät sitzen oder zwei Frauen oder ein ganz herkömmliches, verheiratetes Paar: Sie alle müssen nur einmal GEZ-Gebühren zahlen, die Behörde ist da konsequent.

Rechte Homosexueller

"Homo-Ehe = Hetero-Ehe, schön wär's": Beim Christopher Street Day demonstrieren Schwule und Lesben für ihre Rechte.

(Foto: dapd)

Bis in solche tiefen deutschen Behördenschluchten hat sich im letzten Jahrzehnt die Gleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe durchgesetzt. Die GEZ hat zahlreiche Gerichtsurteile und Gesetzesänderungen zur Kenntnis genommen, die den Verpartnerten in den vergangenen elf Jahren - seit der Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes im Jahr 2001 - immer weiter reichende Rechte zukommen ließen.

Die Situation von Menschen, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben, ist heute also durchaus positiv, sie können auf fast alle Rechte zurückgreifen, die auch Eheleuten zustehen. Das war nicht immer so.

2001 zum Beispiel sah das anders aus: Zwar brachte die damalige rot-grüne Bundesregierung das Lebenspartnerschaftsgesetz in den Bundestag ein und wurde verabschiedet, gegen die Stimmen von Union und FDP. "Aber das Gesetz gab uns erst einmal nur Pflichten, keine Rechte", sagt Manfred Bruns. Er ist Vorstandsmitglied im Lesben- und Schwulenverband Deutschlands (LSVD), früher war er Bundesanwalt am Bundesgerichtshof. Eine Gleichstellung, eigentlich im Gesetz vorgesehen, scheiterte an den Mehrheitsverhältnissen im Bundesrat. Es blieb bei einer abgespeckten Version, nur die zivilrechtlichen Regelungen konnten vom Bundestag verabschiedet werden.

Rechtlicher Meilenstein für gleichgeschlechtliche Partnerschaften

Trotzdem war das Gesetz ein Meilenstein, zum ersten Mal gab es für gleichgeschlechtliche Partnerschaften einen rechtlichen Rahmen. So sind die Lebenspartner zur Fürsorge und Unterstützung sowie zur gemeinsamen Lebensgestaltung verpflichtet, sie tragen füreinander Verantwortung, heißt es bereits in Paragraf 2 des Gesetzes. Die Lebenspartner gelten als Familienangehörige, sie dürfen einen gemeinsamen Nachnamen tragen.

Im europäischen Vergleich war Deutschland mit einer Regelung zur Lebenspartnerschaft spät dran. In Dänemark beispielsweise konnten Schwule und Lesben bereits seit 1989 eine sogenannte Registrierte Partnerschaft eingehen. Nach der Wende nahm die Bewegung für eine Gleichstellung auch in Deutschland Fahrt auf, nicht zuletzt weil sich die Bevölkerung offener gegenüber Schwulen und Lesben zeigte.

"Aber unter der schwarz-gelben Regierung der 90er- Jahre war an eine neue Gesetzesregelung nicht zu denken", sagt Manfred Bruns. Grund war das konservative Weltbild der Unionsbasis, aber auch in der FDP waren einige Landesverbände strikt gegen die Homo-Ehe. Innerhalb der Koalition waren es die Grünen, die sich für eine neue Regelung einsetzten, auch gegen das anfängliche Zögern der SPD. Union und FDP leisteten 2001 sowieso Fundamentalopposition. Ein Jahr später gab es bereits mehr als 4000 Lebenspartnerschaften.

Die letzten rechtlichen Unterschiede

Einen weiteren Schritt zur Gleichstellung hat die rot-grüne Bundesregierung 2005 unternommen, durch das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts. Zu den Pflichten kamen Rechte: Beispielsweise eine Gleichbehandlung im Unterhaltsrecht nach der Trennung und die Hinterbliebenenversorgung, die sich nun auch auf Lebenspartner erstreckte. Wo die Partnerschaft beginnt und wo sie endet - auch das wurde durch die Gesetzesergänzung festgelegt: Wie Eheleute können sich Mann und Mann oder Frau und Frau rechtskräftig verloben, und nach denselben Regeln wie in einer Ehe wird sich auch getrennt: in einer Scheidung.

Die verbliebenen Ungerechtigkeiten beseitigten schließlich die Gerichte in zahlreichen Einzelurteilen. Seit 2010 dürfen etwa Verpartnerte bei der Erbschaftssteuer nicht mehr schlechter als Eheleute gestellt werden. Auch beim Beamtenrecht mussten viele Rechte mühsam erstritten werden. Diesen Urteilen liegt meist die Annahme zugrunde, dass die Ehe zwar besonders schützenswert ist, dies aber nicht bedeutet, dass die Eingetragene Partnerschaft diskriminiert werden kann.

Im direkten Vergleich zur Ehe haben Schwule und Lesben heute - Schritt für Schritt - fast alles erreicht, was es zu erreichen gibt. Nicht nur in den großen Fragen, sondern auch im Kleinen: Verpartnerte sind von der Wehrpflicht befreit, ausländische Lebenspartner bekommen ein Aufenthaltsrecht. Wenn ein Arzt in den Ruhestand tritt, darf sein Lebenspartner die Praxis übernehmen - alles wie in der Ehe. Worin unterscheiden sich also Ehe und Lebenspartnerschaft nach elf Jahren voller Gesetzesnovellen und Richtersprüche dann überhaupt noch?

Antidiskriminierungsstelle ist für Adoptionsrecht

Zwei große Unterschiede bleiben: Zum einen der Unterschied im Einkommensteuerrecht, über den derzeit diskutiert wird. Eine Gleichstellung würde den Verpartnerten das Ehegattensplitting erlauben. "Hier rechne ich noch dieses Jahr mit einer positiven Entscheidung des Verfassungsgerichts", sagt Manfred Bruns.

Die zweite Ungleichheit ist das fehlende volle Adoptionsrecht. Nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz darf ein Partner nur das leibliche Kind des anderen Partners adoptieren. Ein fremdes Kind können Partner nach wie vor nicht annehmen. Doch auch hier wird eine baldige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erwartet, Klagen liegen vor. "Wenn das BVG sagt, dass das Wohl leiblicher Kinder in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft nicht gefährdet ist - warum sollte es dann für adoptierte Kinder gefährdet sein?", fragt Manfred Bruns. Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes spricht sich für ein volles Adoptionsrecht aus. Wenn die Fragen nach dem Einkommensteuerrecht und der Adoption geklärt sind, wird es so gut wie keine Unterschiede mehr zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft geben.

Der nächste Schritt werde dann, so vermutet Bruns, die vollständige Öffnung der Ehe sein. Aber ist die Ehe für Lesben und Schwule heutzutage überhaupt attraktiv? Denn wie auch sonst in der Bevölkerung interessieren sich immer weniger junge Leute für die Ehe oder eine Partnerschaft. Erst im Alter, so Bruns, mache man sich Gedanken darüber, zum Beispiel wenn man sich eine Wohnung kauft oder wenn es um das Erbe geht. "Aber es gibt auch viele Schwule und Lesben, die schon lange Zeit in einer Beziehung sind, die nach wie vor das emotionale Bedürfnis haben zu zeigen, dass sie zusammengehören. Seitdem es das Lebenspartnerschaftsgesetz gibt, dürfen sie das offiziell."

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