Beistands-Bitte der EU:Sicher ist nur der Streit

Nach Attentaten von Paris

Nach den Attentaten von Paris ist die Präsenz des Militärs in Frankreich stark erhöht worden - wie hier vor der Kathedrale Notre-Dame.

(Foto: dpa)
  • Die deutschen Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass Paris beim außerordentlichen EU-Rat der Innen- und Justizminister etwa die umstrittene Speicherung von Fluggastdaten und strengere Waffengesetze fordern wird.
  • Dies könnte zu Spannungen in der Koalition und innerhalb der Parteien führen.
  • SPD-Chef Gabriel etwa sieht keinen Grund für neue Gesetze. Die grün-rote Landesregierung von Baden-Württemberg hingegen lässt die landesspezifischen Anti-Terror-Gesetze überprüfen.

Von Stefan Braun, Berlin

Nach den Terroranschlägen von Paris läuft in Deutschland nicht nur die Fahndung nach möglichen Mittätern auf Hochtouren. Nach Frankreichs allgemeiner Bitte um Unterstützung gehen die deutschen Sicherheitsbehörden auch davon aus, dass Paris beim außerordentlichen EU-Rat der Innen- und Justizminister am kommenden Freitag klare Forderungen nach einer engeren Kooperation und schärferen Gesetzen stellen wird. Nach Einschätzung aus Berliner Regierungskreisen wird das die umstrittene Speicherung von Fluggastdaten ebenso umfassen wie Vorschläge für strengere Waffengesetze.

Der Berliner Koalition droht damit eine neue Debatte. Erst am Dienstag hatte Vizekanzler Sigmar Gabriel klargestellt, dass er trotz der Anschläge keinen Grund sehe, die Sicherheitsgesetze zu verschärfen. Paris wird sich daran kaum halten. Berliner Sicherheitskreise jedenfalls rechnen fest damit, dass der französische Innenminister Bernard Cazeneuve am Freitag dazu aufrufen wird, die Fluggastdaten für Flüge in den Schengen-Raum umfassender zu speichern. Voraussichtlich wird er nicht nur eine schnelle Antwort auf die Frage einfordern, ob eine solche Datei überhaupt kommt.

Gerechnet wird auch damit, dass er über die reinen Flugdaten mit Namen, Fluggesellschaft und Flugnummer hinaus weitere Informationen speichern möchte, beispielsweise Informationen darüber, ob man alleine oder in einer Gruppe gereist ist, neben wem man saß, was man gegessen hat und welche Verbindungsflüge vorausgingen oder folgten. Bundesinnenminister Thomas de Maizière bestätigte am Dienstag, dass sein französischer Kollege die Fluggastdaten auf alle Fälle zum Thema machen werde.

Darüber hinaus, so die Einschätzung deutscher Behörden, ist es wahrscheinlich, dass Paris eine Verschärfung der Waffengesetze verlangen wird; dazu einen Beschluss zum europaweiten Einfrieren von Konten, die der Terrorfinanzierung gedient haben könnten. Und schließlich könnte auch die Schaffung einer europaweiten Gefährder-Datei zum Thema werden, in der alle islamistischen Gefährder und IS-Rückkehrer gespeichert sind. Bislang gibt es das nur in Verbindung mit der Einreise in den Schengen-Raum.

Die sogenannten Gefährder sind derzeit mit das größte Problem

An den Außengrenzen und an den Flughäfen kann die Grenzpolizei nicht nur die Ausweise kontrollieren, sondern durch eine Markierung am Ausweis auch erkennen, ob eine Person in einem EU-Land als Gefährder eingestuft ist. Jenseits der Grenzkontrollen aber haben die Polizeien der EU-Staaten keinen Zugriff auf die Datenbanken. Die sogenannten Gefährder sind derzeit mit das größte Problem, weil man ihnen Anschläge im Grundsatz jederzeit zutraut. Mehrere Hundert Islamisten in Deutschland werden als Gefährder eingestuft und seit den Anschlägen in Paris noch stärker beobachtet.

De Maizière sagte am Dienstag, die Behörden seien bemüht, die Gefährderszene zu verunsichern, die eigene Wachsamkeit zu demonstrieren und so jeden Anschlagsversuch zu verhindern. Unterstützung für die Idee einer EU-weiten Gefährderdatei kam am Dienstag vom bayerischen Europa-Abgeordneten Manfred Weber. "Behörden und Geheimdienste müssen sich besser vernetzen", verlangte der CSU-Politiker.

Der SPD und der Opposition dürfte all das kaum gefallen. Vielleicht schon in Erwartung der französischen Rufe nach härteren Regeln sagte der SPD-Vorsitzende Gabriel am Dienstag, "natürlich" seien bessere Grenzkontrollen nötig und "natürlich" auch mehr Polizisten. Aber er sehe trotz der Terrornacht von Paris keinen Anlass für neue Sicherheitsgesetze. "Weder brauchen wir neue Sicherheitsgesetze, noch sollten wir unser Leben, unser Zusammenleben, unsere Kultur, unsere Veranstaltungen verändern aus Angst vor dem Terror", betonte der Bundeswirtschaftsminister in seinem Video-Podcast.

Die grün-rote Landesregierung von Baden-Württemberg sieht das offenbar anders. Sie beschloss am Dienstag, die landesspezifischen Anti-Terror-Gesetze zu überprüfen. Ob Ministerpräsident Winfried Kretschmann und sein Kabinett am Ende tatsächlich Änderungen beschließen, ist indes offen. Manchmal dient eine solche Ankündigung vor allem dazu, sich und der Bevölkerung zu versichern, dass das richtig ist, was man schon jetzt macht.

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