Befragung vor dem US-Senat:Demut eines Rücksichtslosen

Mark Zuckerberg vor US-Kongress

Zweimal erscheint Mark Zuckerberg wegen des Datenskandals zur Anhörung im Kongress. Die Beobachter sind sich einig: Politiker können ihm nicht gefährlich werden.

(Foto: Ting Shen/dpa)

Zuckerberg hat sich geschickt entschuldigt. Das zahlt sich für ihn aus. Doch vielen reicht Reue allein nicht mehr.

Von Nicolas Richter und Hubert Wetzel

Als Mark Zuckerberg am Dienstagmorgen in seinem Washingtoner Hotel frühstückte, lag der Wert der Facebook-Aktie bei etwa 157 Dollar. Als er sich zum Abendessen niederließ, stand die Aktie bei 164 Dollar, ein Tagesplus von 4,5 Prozent. Für Mark Zuckerberg, der als Gründer und Chef von Facebook sehr viele Aktien der Firma besitzt, war es also ein guter Tag, sein persönliches Vermögen wuchs um gut drei Milliarden Dollar.

Das hätte auch anders ausgehen können. Denn zwischen Frühstück und Abendessen musste Mark Zuckerberg am Dienstag zunächst einen der schwierigsten Termine seiner Karriere unbeschadet überstehen. Der US-Senat hatte den erst 33 Jahre alten Geschäftsmann aus dem Silicon Valley nach Washington zitiert, um ihn zu "grillen". So nennt man es in Amerika, wenn Parlamentarier Anhörungen veranstalten, in denen sie die Verantwortlichen zu Missständen befragen. Zuckerberg sollte dem Kongress und der Öffentlichkeit erklären, wie es passieren konnte, dass die Daten von knapp 90 Millionen Facebook-Nutzern ohne deren Wissen oder Zustimmung in die Hände der windigen britischen Firma Cambridge Analytica geraten sind, die diese dann möglicherweise für zielgenaue Wahlwerbung zugunsten von Donald Trump genutzt hat. Und Zuckerberg sollte erklären, wie er einen solch gigantischen Vertrauensbruch künftig zu verhindern gedenkt.

"Grillen" - das klingt nach Hitze, Rauch und Verbrennungen; danach, dass jemand seine Zähne in ein Stück Fleisch schlägt. Doch um es vorwegzunehmen: Die Anhörung im Senat erinnerte eher an gedämpftes Gemüse. Zuckerberg wurde allenfalls geköchelt. Es gab zwar Kritik von den Senatoren am laxen Umgang seiner Firma mit den privaten Daten der Kunden. Doch im Kern zeigte die Anhörung - genauso wie ein Auftritt Zuckerbergs am Mittwoch im Repräsentantenhaus: Niemand weiß, wie man die gigantischen Datenmengen, die Firmen wie Facebook sammeln, wirksam gegen Missbrauch schützen kann. Und ob Zuckerberg, dessen Milliardengeschäft darauf beruht, Werbetreibenden für deren Anzeigen einen passgenauen Zugang zu bestimmten Kunden zu verkaufen, diesen Schutz überhaupt will.

Der Chef wirkt inzwischen wie ein Erfinder, dessen Erfindung außer Kontrolle geraten ist

Mark Zuckerberg galt lange als das Wunderkind aus dem Silicon Valley. Wie kein anderer verkörpert er den Erfolg neuer Kommunikationswege im Internet, niemand hat die Welt so schnell erobert wie er, nicht einmal der einstige Apple-Chef Steve Jobs. Der Facebook-Konzern ist auch Eigentümer des Kurznachrichtendienstes Whatsapp und der Fotoplattform Instagram. Praktisch bedeutet das: Wer sich heute im Netz mit anderen austauschen will, kommt an den Produkten Zuckerbergs kaum noch vorbei.

Doch seit einiger Zeit wirkt Zuckerberg, der zumindest in den Anfängen seiner Firma mehr Hacker war als Geschäftsmann, wie ein Erfinder, dessen Erfindung außer Kontrolle geraten ist. Die Missstände reichen von netzsüchtigen Nutzern über Wahlbeeinflussung durch russische Geheimdienste, die Facebook mit Hetzanzeigen fluten, bis hin zu Pannen beim Datenschutz wie jetzt im Cambridge-Analytica-Skandal. Facebook, lange die Wohlfühlecke im Netz, wird vielen Menschen allmählich unheimlich.

Und Mark Zuckerberg ist an all dem nicht unschuldig. Das Computermagazin Wired, das gewiss nicht technologiefeindlich ist, hat einmal einen Facebook-Mitarbeiter zitiert, der Zuckerberg mit der Figur des Lennie aus dem Roman "Von Mäusen und Menschen" von John Steinbeck verglich - mit einem Mann also, der kein Gefühl dafür hat, wie stark er eigentlich ist, und der deswegen anderen schadet, selbst wenn er es gar nicht will.

Demokraten wie Republikaner, beide haben nun ihre Gründe, Facebook zu misstrauen

Die großen Fragen dieser Tage also lauten, ob der Staat mit neuen Regeln und mehr Aufsicht den Riesen Facebook wieder einigermaßen unter Kontrolle bekommen kann. Oder ob der Konzern bereits eine solche Monopolstellung im Internet ein-nimmt, dass man ihn zerschlagen muss, so wie die US-Regierung in den Siebziger- und Achtzigerjahren das erdrückende Telefonmonopol von AT&T zerlegt hat. Die Tatsache, dass bei der Anhörung im Kongress zwar durchaus über eine mögliche Regulierung geredet wurde, aber nicht über eine staatlich verordnete Zerschlagung, war einer der Gründe, warum der Aktienkurs von Facebook am Dienstag stieg.

Zu Beginn seiner beiden Vernehmungen im Kongress verlas Zuckerberg einen Text. "Facebook ist eine idealistische und optimistische Firma, und zumeist haben wir uns darauf konzentriert, Menschen miteinander zu verbinden", sagte er, um dann gleich einen Fehler einzuräumen. "Aber es zeigt sich jetzt, dass wir nicht genug getan haben, um den Missbrauch dieser Werkzeuge zu verhindern." Das war zum einen ein Zeichen der Demut. Reue zu zeigen ist zwingend nötig, um "Grill"-Sitzungen im Kongress zu überstehen.

Zum anderen steht hinter dem Fehlereingeständnis aber auch eine Taktik, die Beobachtern der Technologie-Szene vertraut ist. Zuckerberg wendet sie seit der Gründung seiner Firma an: Er entwickelt seine Plattform so energisch wie rücksichtslos weiter, führt ohne Ankündigungen neue Funktionen ein, auch solche, die Privatsphäre und Datenschutz gefährden. Wenn die Nutzer dann verstört oder verärgert sind, entschuldigt sich Zuckerberg. Dann gibt er zerknirscht zu, die Sache leider, leider "vermasselt" zu haben. Er verspricht, es künftig "besser zu machen". Und macht dann weiter wie zuvor.

In der Gesellschaft aber schwindet der Glaube rasant, dass Facebook nur Gutes will und nur Gutes schafft. Ob in der Fachpresse oder in den großen Medien - es häuft sich die Kritik. In der New York Times schrieb die Expertin Zeynep Tufekci, der Kongress solle auf das Anhörungsspektakel mit Zuckerberg verzichten und lieber Gesetze erlassen, "um uns zu beschützen vor dem, was Facebook losgetreten hat". Am Morgen der Befragung stellen Aktivisten vor dem Kapitol eine "Trollarmee" aus hundert Papp-Zuckerbergs auf.

Netzkonzerne wie Facebook, Apple und Google gehören zwar zu den größten und wertvollsten Unternehmen der Welt. Doch die Politik in Washington hat zu den Giganten aus dem kalifornischen Silicon Valley ein durchaus gespaltenes Verhältnis. Viele Abgeordnete und Senatoren verstehen nur wenig von der Technologie, die Facebook groß und Zuckerberg reich und mächtig gemacht hat. Und sie beurteilen diese Technologie weniger nach deren grundsätzlichen Folgen für die Gesellschaft, sondern eher danach, ob sie ihnen selbst gerade nützlich ist oder dem politischen Gegner.

Social Media - das Vernetzen von Menschen im Internet, so wie Facebook es macht - galt zu Beginn als Instrument der Demokraten. Die neuen Technologien stammten aus dem linksliberalen Kalifornien, und Barack Obama gilt als erster Politiker, der mithilfe von digitaler Datenanalyse und Facebook-Kampagnen das Weiße Haus erobert hat. In der neuen Internetwelt fühlten sich Amerikas Konservative zunächst fremd - staubig und abgehängt.

Das hat sich mit dem twitternden Donald Trump radikal geändert. Trumps Internet-Wahlkampf bei der Präsidentschaftswahl 2016 war oft hetzerisch. Aber er war eben einfach auch weit wirkungsvoller als das, was die Demokratin Hillary Clinton im Netz veranstaltete.

Diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass Facebook heute in beiden politischen Lagern mit großem Misstrauen gesehen wird. Die Demokraten werfen dem Konzern vor, den Wahlsieg Trumps ermöglicht zu haben. Zum Beweis zitieren sie die Anklage, die der US-Sonderermittler Robert Mueller gegen 13 Russinnen und Russen erhoben hat. Darin kann man nachlesen, wie die Verdächtigen im Wahlkampf 2016 über das Internet versuchten, in der amerikanischen Öffentlichkeit Streit zu säen. Keine Plattform wurde dabei so oft genannt wie Facebook. Dass ein US-Konzern derart hervorgehoben wird als Instrument einer ausländischen Macht, ist beispiellos. Es war also nicht verwunderlich, dass die demokratische Senatorin Dianne Feinstein Zuckerberg mit inquisitorischer Schärfe dazu befragte, was er künftig gegen russische Trolle unternehmen wolle.

Den Republikanern hingegen waren andere Dinge wichtiger. Sie fürchten, dass die Bemühungen, bei Facebook gegen Hetze, Lügen und Falschmeldungen vorzugehen, am Ende ein Deckmantel sein werden, um politisch rechte Inhalte zu zensieren. Amerikas Konservative misstrauen dem liberalen Zuckerberg zutiefst. Auch wenn sie von dessen Erfindung massiv profitiert haben, wollen sie ihn nicht zum Wächter über die Meinungsfreiheit ernannt sehen. Es war daher kein Zufall, dass der erzkonservative Senator Ted Cruz von Zuckerberg wissen wollte, wie es in Zukunft um die Neutralität von dessen Plattform bestellt sein werde.

Das war für Zuckerberg eine heikle Frage. Denn für ihn ist wichtig, als politisch neutraler Technologie-Konzern zu gelten, der mit den Inhalten, die andere Menschen über Facebook verbreiten, nichts zu tun hat. Gälte Facebook als Medienunternehmen, wäre es schärferen Regeln unterworfen. Allerdings hat die Vergangenheit zum Entsetzen der gutmeinenden Tüftler aus Kalifornien gezeigt, dass Neutralität eben auch Missbrauch ermöglicht. Man will Enkel mit Omas vernetzen, hilft am Ende aber dem rechtspopulistischen Demagogen Donald Trump. Wobei es andererseits viele Menschen gibt, die Trumps Wahlsieg für eine großartige Sache halten und das auch auf Facebook ohne Beschränkungen sagen wollen. Alles sehr kompliziert.

Zuckerberg wand sich mit zwei Sätzen aus dieser Klemme, von denen allerdings nicht ganz klar war, was sie für die Praxis bedeuten sollen: "Wir stellen keine Inhalte her", sagte er. "Aber wir sind für unsere Inhalte verantwortlich." Was immer das heißen mag - der Aktienmarkt war zufrieden.

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