Beate Zschäpe vor Gericht:Im NSU-Prozess warten alle auf Zschäpes Erklärung

Am Mittwoch will die Angeklagte ihr Schweigen brechen - Fragen aber nur schriftlich beantworten. Ob das Gericht sich darauf einlässt, ist noch offen.

Aus dem Gericht von Tanjev Schultz

Alle Zuschauerplätze im NSU-Prozess sind belegt, als Beate Zschäpe hereinkommt. Manch ein Besucher hat gedacht, die Angeklagte könnte vielleicht doch schon heute ihre für Mittwoch geplante Erklärung verlesen lassen. Auch Richter Manfred Götzl erkundigt sich gleich zu Beginn nach dem "Prozedere", wie er es nennt.

Zschäpes junger Anwalt Mathias Grasel bleibt dabei: Erst morgen soll es so weit sein. Götzl erkundigt sich noch nach Beate Zschäpes Gesundheit. Gestern hatte Grasels Kanzleikollege Hermann Borchert dem Gericht mitgeteilt, seiner Mandantin gehe es nicht gut, sie sei völlig aus dem Gleichgewicht. Nun aber nickt Zschäpe, als der Richter sie fragt, ob es ihr gutgehe.

Borchert und Grasel haben angeregt, die Verhandlung am Donnerstag ausfallen zu lassen, um Zschäpe nach ihrer Erklärung etwas Erholung zu ermöglichen. Darüber sei noch nicht entschieden, sagt Götzl: "Schauen wir mal, wie das morgen erfolgt. Dann können wir weitersehen."

Fragen möchte Zschäpe nur schriftlich beantworten

Der Richter würde gerne auch noch erfahren, auf welchem Wege Zschäpe seine Fragen im Anschluss an die Erklärung beantworten will. Nach Grasels Vorstellung soll der Richter einen schriftlichen Fragenkatalog übergeben, der wiederum schriftlich beantwortet werden würde. Fragen mündlich und "ad hoc" zu beantworten, sei dagegen schwierig. Bisher ist offen, ob das Gericht diesen Ablauf akzeptiert. Es könnte ein extrem mühsames Prozedere werden, wenn sich die Richter darauf einlassen. Sicherlich werden sie sehr viele Fragen an Zschäpe haben. Und die neue Anwälte Grasel und Borchert haben kaum etwas von der bisherigen Beweisaufnahme mitbekommen, sodass sie Probleme haben dürften, bestimmte Nachfragen richtig einzuordnen.

Das Gericht wird demnächst auch darüber entscheiden müssen, ob Hermann Borchert als weiterer Pflichtverteidiger bestellt wird. Einen entsprechenden Antrag hat Zschäpe gestellt, wie Götzl an diesem 248. Verhandlungstag bekanntgab. Es wäre bereits der fünfte vom Staat bezahlte Pflichtverteidiger für Zschäpe. Derzeit ist Borchert ein Wahlverteidiger, der für seine Tätigkeit Geld von Zschäpe verlangen muss. Sie ist jedoch mittellos.

Prinzipiell ist es rechtlich möglich, einer Angeklagten so viele Pflichtverteidiger zur Seite zu stellen. Es wäre aber ungewöhnlich. Im NSU-Prozess ist eine besondere Situation entstanden, weil sich Zschäpe mit ihren ursprünglichen drei Pflichtverteidigern Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm überworfen hat. Zschäpe spricht nur noch mit Borchert und Grasel. Dennoch hat das Gericht die anderen drei Anwälte nicht von dem Mandat entbunden.

Alle warten auf Zschäpes Erklärung. Am Dienstag waren auch mehrere Angehörige der NSU-Opfer nach München zum Oberlandesgericht gereist. Zu hören bekamen sie zunächst nur einen Zeugen: einen Ermittler, der über Bahncards berichtete, die sich Zschäpe und ihre Freunde Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt auf einen anderen Namen ausstellen ließen.

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