Beate Zschäpe gegen ihre Verteidiger:So dramatisch wie möglich

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"Ich beschäftige mich mit dem Gedanken, etwas auszusagen", schreibt Zschäpe (Mitte). Mit ihren Verteidigern wolle sie nicht mehr zusammenarbeiten. (Foto: dpa)
  • Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess, Beate Zschäpe, wendet sich mit einem vierseitigen Brief an das Gericht.
  • Darin formuliert sie harte Vorwürfe gegenüber ihren Verteidigern: Ihre Anwälte würden während der Verhandlung im Netz surfen, Urlaube planen und Unwahrheiten verbreiten.
  • Sie selbst hege den Gedanken auszusagen, schreibt Zschäpe. Ihre Anwälte würden aber ihr Mandat am Festhalten ihrer bisherige Schweigestrategie festmachen, so Zschäpe. Dadurch fühle sie sich geradezu "erpresst".

Von Tanjev Schultz

Immer härtere Vorwürfe

Wird sie nun sprechen? In einem Brief an das Gericht macht Beate Zschäpe eine elektrisierende Andeutung. Noch ist aber unklar, ob sie nur aus taktischen Gründen erfolgt, damit die Angeklagte im NSU-Prozess ihren Willen durchsetzt, die Pflichtverteidigerin Anja Sturm loszuwerden. Zschäpe liefert sich eine Schlammschlacht mit ihren Anwälten. Ihre Vorwürfe werden immer härter.

Die Andeutung, im Prozess aussagen zu wollen, findet sich erst ganz am Schluss ihres vierseitigen handschriftlichen Schreibens an das Gericht - und zwar unter "PS". Dort schreibt Zschäpe, ihre drei Anwälte hätten angeblich angekündigt, sie nicht weiter verteidigen zu wollen, falls sie ihre Strategie ändere. Da sie sich aber durchaus mit dem Gedanken beschäftige, etwas auszusagen, sei eine weitere Zusammenarbeit unmöglich.

Zschäpe sagt also zunächst nur, dass sie überlege, auszusagen. Als letzten Satz fügt sie dann aber noch diesen starken Vorwurf hinzu: Sie fühle sich geradezu erpresst.

Nur noch Konfrontation

Offensichtlich will Zschäpe den Richtern am Oberlandesgericht München die Situation so dramatisch wie möglich darstellen. Denn eines dürfte sie mittlerweile gelernt haben: Ohne eine triftige Begründung und Belege dafür, dass das Verhältnis zu den Anwälten völlig zerrüttet ist, wird Zschäpe keinen neuen Anwalt bekommen. Im vergangenen Jahr war bereits ein entsprechender Antrag von ihr gescheitert.

NSU-Prozess
:Zschäpe gegen Sturm

Zum zweiten Mal versucht Beate Zschäpe mit einem Antrag die Zusammensetzung ihres Anwalts-Teams zu verändern. Was sie dazu bewog, war bisher nicht bekannt. Jetzt sind Details aus dem Begründungsschreiben an die Öffentlichkeit gelangt.

Von Tanjev Schultz

Nun geht der Streit also in die nächste Runde. Und Zschäpe erhebt dabei nicht nur wilde Vorwürfe gegen Anja Sturm, sondern auch gegen die anderen beiden Pflichtverteidiger, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl. Die Verteidigung bestehe nur noch aus Konfrontation.

Zschäpe zitiert aus einem Brief, den die drei Anwälte ihr geschrieben haben sollen. Darin verwahren sie sich offenbar gegen Vorwürfe ihrer Mandantin und weisen diese zurecht. Zschäpes Gebaren, den Anwälten konkrete Anweisungen erteilen zu wollen, widerspreche ihrem Selbstverständnis und dem Wesen einer Verteidigung. Die Rede ist auch von anmaßendem und selbstüberschätzendem Verhalten. Angeblich werfen die Anwälte Zschäpe auch vor, dass diese ihr Wissen nur fragmentarisch weitergebe und dadurch keine optimale Verteidigung möglich mache. In ihren Schreiben an das Gericht bestätigen die Anwälte, dass ihr Brief an Zschäpe von ihr im Wesentlichen korrekt wiedergegeben wurde.

Zschäpe behauptet zudem, die beiden Männer im Anwaltsteam würden häufig während der Verhandlung im Internet surfen oder twittern. Sie bezichtigt Anja Sturm zudem, nicht die Wahrheit gesagt zu haben. Dabei geht es darum, dass die Anwältin angeblich vertrauliche Informationen bei einer Zeugenbefragung ausgeplaudert habe. Sturm hatte das zurückgewiesen. Und obendrein behauptet Zschäpe auch noch, der Anwältin gehe es vor allem darum, die Anwaltsgebühren zu kassieren.

NSU-Prozess
:"Die Schweigestrategie ist gescheitert"

Beate Zschäpe will etwas loswerden - vorerst allerdings nur ihre Pflichtverteidigerin. Fraglich ist, ob das Gericht diesem Wunsch nachkommt. Nebenkläger hoffen, dass Zschäpe im Prozess endlich etwas sagt.

Aus dem Gericht von Annette Ramelsberger und Tanjev Schultz

Sturm wehrt sich in einem Schreiben an das Gericht erneut gegen die wüsten Vorhaltungen. Alles sei mit Zschäpe abgesprochen gewesen, als es um die Zeugenbefragung gegangen sei. Im Allgemeinen sei ihr in Gesprächen mit Zschäpe an einer sachlichen Atmosphäre gelegen. Rechtsanwalt Stahl widersprach der Darstellung, er würde während der Verhandlung twittern.

Kommt ein neuer Anwalt?

Die Anwältin Sturm stellt außerdem klar, es gebe keinen Zusammenhang zwischen einer möglichen Aussage Zschäpes vor Gericht und einem Niederlegen des Mandats (respektive einem Entbindungsantrag, mit dem die Anwälte erreichen könnten, von dem Mandat entbunden zu werden).

Unklar ist weiterhin, wie das Gericht Zschäpes Antrag, Anja Sturm vom Mandat zu entbinden, bewertet. Eine Entscheidung steht aus. So ist auch noch offen, ob ein neuer Anwalt in den Prozess einsteigen könnte. Nach Informationen des Tagesspiegels stünde ein Mannheimer Anwalt, der Zschäpe voriges Jahr in der Justizvollzugsanstalt besucht hatte, offenbar nicht zur Verfügung.

Anwalt Wolfgang Heer teilte dem Gericht mit, er könne Zschäpes Äußerung, die Gespräche liefen auf Konfrontation statt auf Kommunikation hinaus, nicht nachvollziehen. Anwalt Heer schreibt, Zschäpe unterliege hinsichtlich ihres Verhaltens im Prozess keinerlei Einschränkungen. Das bedeutet: Natürlich könnte sie, wenn sie darauf bestünde, jederzeit reden.

Ob sie dies nun tun wird, ist letztlich - wie schon in all den 211 Verhandlungstagen zuvor - eine Entscheidung der Angeklagten. Auch wenn ihre Verteidiger die Schweigestrategie befürworten, sie könnten Zschäpe nicht an einer Aussage hindern.

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