Bassidschi-Miliz in Iran:Willkür und brutale Gewalt

Die regierungstreue Bassidschi-Miliz ist berüchtigt bei der iranischen Opposition. Jetzt werden immer mehr Details ihres harten Vorgehens bekannt.

Oliver Bilger

Die Studentin Neda ist das Symbol der iranischen Protestbewegung. Ihr Tod steht auch für die Brutalität der Regierungstruppen gegen die Opposition. Nedas Verlobter beschuldigte die Bassidschi-Miliz absichtlich auf die 26-Jährige geschossen haben. Ein in London lebender iranischer Arzt erzählte der BBC ebenfalls, dass ein Bassidschi-Milizionär die Schuld an Nedas Tod trage. Er selbst sei bei der Demonstration gewesen und habe noch versucht, Neda zu helfen.

Bassidschi-Miliz in Iran: Mitglieder der Bassidschi-Miliz kontrollieren die Straßen von Teheran.

Mitglieder der Bassidschi-Miliz kontrollieren die Straßen von Teheran.

(Foto: Foto: AFP)

In den vergangenen Wochen war immer wieder zu hören, dass die Miliz mit Schlagstöcken, Tränengas und scharfer Munition gegen die Großdemonstrationen vorging. Selbst Eisenstangen und Stahlkabel sollen zum Einsatz gekommen sein. Jetzt werden immer mehr Einzelheiten über das brutale Vorgehen der regimetreuen Bassidschi-Miliz bekannt.

Seitdem weitere Demonstrationen untersagt sind und von den Sicherheitskräften verhindert werden, soll die Volksmiliz ein neues Ziel gefunden haben: Bewohner, die nachts von den Dächern ihrer Häuser Slogans wie "Gott ist groß" und "Tod dem Diktator" rufen. Die Miliz dringe willkürlich in Privatwohnungen ein und schlage die Bewohner, heißt es in einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Ziel der Milizionäre sei es, die Menschen an nächtlichen Protestrufen von den Dächern zu hindern. Eine unabhängige Bestätigung für die Berichte liegt - wie so oft in diesen Tagen in Iran - nicht vor.

"Augenzeugen erzählen uns, dass sich die Bassidschi-Milizionäre teilweise ganze Straßen vornehmen oder sogar ganze Viertel", sagte Sarah Leah Whitson, Nahost-Chefin von Human Rights Watch. Der Bericht der Organisation zitiert mehrere Teheraner, darunter einen Bewohner des Bezirks Wanak: "Als wir am 22. Juni von den Dächern 'Allahu Akbar' riefen, rückten die Bassidschi in unser Viertel ein und begannen scharf in die Luft zu schießen, und zwar Richtung der Gebäude, von denen sie dachten, dass von dort die Rufe kommen."

Eine weitere Augenzeugin berichtet, die Milizionäre seien am 23. Juni im Bezirk Welendschak über Mauern geklettert, nachdem es ihnen nicht gelungen sei, das Tor zu einem Wohngelände einzutreten. "Sie drangen in die Häuser ein und schlugen die Bewohner. Als Nachbarn sie mit Flüchen eindeckten und Steine auf sie warfen, um sie von den Schlägen abzubringen, griffen sie die Häuser der Nachbarn an und versuchten, dort einzudringen."

Ein anderer Teheraner berichtete, die Miliz habe in einem zentral gelegenen Viertel bestimmte Häuser zunächst mit Zeichen markiert. Dann seien weitere Kräfte angerückt und hätten die Türen der gekennzeichneten Gebäude aufgebrochen. "Sie prügelten die Bewohner, zerschlugen die Fenster des Hauses und der Autos, die der Familie gehörten." Der Menschenrechtsorganisation zufolge liegen ähnliche Berichte aus weiteren Teilen der Hauptstadt vor, vor allem aus besseren Wohngebieten.

Der paramilitärischen Bassidschi-Miliz sollen offiziellen Angaben zufolge zehn Millionen Freiwillige angehören. Etwa eine halbe Million Milizionäre seien militärisch geschult, heißt es. Andere Medienberichte sprechen wiederum von bis zu einer Million aktiver Bassidschi. Die Männer und Frauen treten meist in Zivil auf und werden von den Revolutionsgarden kontrolliert, unterstehen damit dem geistlichen Führer Ayatollah Ali Chamenei. Gegründet wurde die Miliz, deren Angehörige vor allem aus der Unter- und Mittelschicht des Landes stammen, nach der Islamischen Revolution im Jahr 1979 von Republikgründer Ayatollah Ruhollah Chomeini.

Im Iran-Irak-Krieg liefen zahlreiche junge Bassidschi-Kämpfer als Himmelfahrtskommandos über Minenfelder, um den Weg frei zu machen für die regulären iranischen Truppen. Heute beteiligt sich die Miliz an sozialen Aktivitäten wie Impfkampagnen, ist aber auch als Sittenwächter aktiv: Die Milizionäre schikanieren unzureichend verhüllte Frauen, stürmen illegale Partys und montieren Satellitenschüsseln ab.

Auch die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International beklagt das brutale Vorgehen der Miliz in den vergangenen Tagen. Die Männer verschleppten verletzte Teilnehmer von Protestkundgebungen aus Teheraner Krankenhäusern, berichtet die Organisation. Amnesty hatte bereits während der Großdemonstrationen die iranische Regierung aufgerufen, den Einsatz der Miliz zu stoppen, weil sie mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen die Demonstranten vorgingen.

In einer Erklärung der Organisation heißt es: "Viele Demonstrierende berichten, dass nicht uniformierte, bewaffnete Truppen übermäßige Gewalt angewandt und Menschenrechtsverletzungen begangen haben. Dabei handelt es sich nach Auffassung der Augenzeugen um Angehörige der Bassidschi-Milizen. Sie schlugen und schossen auf demonstrierende Menschen."

Mindestens 17 Zivilisten sollen bei den Protesten bislang den Tod gefunden haben. In mehreren Fällen belegen Videomitschnitte das harte Vorgehen von Polizei und Miliz. Zuletzt kam es laut einem Augenzeugenbericht am Sonntag zu erneuten Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften.

Die Behörden beschuldigen indes Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi, für Tote und Verletzte bei den Demonstrationen verantwortlich zu sein. Nach einem Bericht des staatlichen Fernsehens wurden acht Angehörige der Bassidschi-Milizen getötet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: