Barbara Hendricks im Gespräch:"Du hältst mich doch sowieso für eine coole Alte"

Barbara Hendricks

Barbara Hendricks: "Ich bin jedenfalls dabei, so nach und nach mein Leben neu einzurichten."

(Foto: dpa)

Die ehemalige Umweltministerin Barbara Hendricks über die Probleme der SPD, ihre neuen Aufgaben im Parlament und Umarmungen mit Alexander Dobrindt.

Interview von Michael Bauchmüller und Nico Fried, Berlin

Die SPD-Politikerin Barbara Hendricks, 65, hätte gern als Umweltministerin weitergemacht, doch nach einer Legislaturperiode muss sie das Amt an Svenja Schulze, die bisherige SPD-Generalsekretärin in Nordrhein-Westfalen, abgeben. Hendricks dürfte vor allem durch ihren öffentlich ausgetragenen Streit mit dem CSU-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt in Erinnerung bleiben. Im Interview nach ihrer Amtsübergabe macht sie sich auch über die Zukunft ihrer Partei Gedanken.

SZ: Frau Hendricks, Sie haben eben Ihr Ministerium an Ihre Nachfolgerin übergeben. Wie geht es Ihnen damit?

Barbara Hendricks: Ich hatte mich schon früh darauf eingestellt, dass es so kommen kann. Insofern eigentlich ganz gut.

Ist auch Erleichterung dabei?

Weiß ich nicht. Vielleicht, ja. Ich bin jedenfalls dabei, so nach und nach mein Leben neu einzurichten.

Zwischendurch war ja auch denkbar, dass Sie den Posten behalten. Haben Sie sich da nicht auch Hoffnung gemacht?

Doch, auf jeden Fall. Es war lange offen, da hatte ich schon Hoffnung. Ich hätte schon gerne weitergemacht.

Am Ende wurde Svenja Schulze die neue Umweltministerin, eine Parteifreundin aus Ihrem eigenen Landesverband löst Sie jetzt ab. Hat man Ihnen das begründet?

Das hing wohl mit meinem Landesverband zusammen. Richtig verstehen kann ich das nicht. Aber ich bin sicher, dass Svenja Schulze das gut machen wird.

Als sie 2013 antraten, galten Sie auch nicht gerade eine Umweltpolitikerin. Jetzt sagen viele: Da geht eine Umweltpolitikerin aus dem Amt. Was ist passiert?

Da gibt es zwei Ebenen. Die eine ist: Wo ich bin, liefere ich auch anständige Arbeit ab. Das wollte ich auch als Umweltministerin. Die andere ist: Ja, es gab Aha-Erlebnisse. Zum Beispiel die Begegnung von Tony de Brum, dem früheren Außenminister der Marschall-Inseln. Da ist mir schon noch einmal sehr klar geworden, was Klimawandel eigentlich bedeutet. Tony hat sein ganzes Leben lang für sein kleines Land, seine recht wenigen Mitbürger gekämpft, letztendlich ging es bei ihm um die Existent. Leider ist er letztes Jahr gestorben. Viel zu früh.

Wie wichtig sind solche Begegnungen, ist Menschlichkeit in der Politik?

Das ist viel wichtiger, als man gemeinhin annimmt. Gerade in der internationalen Klimapolitik: Da ist mit ganz vielen Kollegen ein ganz herzliches, auch enges Verhältnis entstanden. Politik kann auch zusammenschweißen.

Auch in Berlin? Nimmt man sich da auch mal einfach in den Arm?

Ja, natürlich! Vor allem unter Kolleginnen und Kollegen. Selbst Alexander Dobrindt umarmt mich immer, wenn er mich sieht. Ich hab' mal zu ihm gesagt: Du hältst mich doch sowieso für eine coole Alte. Hat er selbst nie so gesagt, aber wahrscheinlich ist es so. Inhaltlich haben wir oft gestritten, aber als Typ war er in Ordnung.

Sind da Freundschaften entstanden im Kabinett?

In dem Sinne, dass man sich nach Hause einlädt? Eigentlich nicht.

Die Kanzlerin, die ja selbst mal Umweltministerin unter Helmut Kohl war, hat kürzlich sinngemäß gesagt: Hendricks hatte es unter Merkel leichter als Merkel unter Kohl. War sie eine Verbündete, etwa im Klimaschutz?

Auf der internationalen Ebene auf jeden Fall. Da hat sie sich wirklich engagiert. Innenpolitisch ist es etwas anderes. Da gab es richtige Auseinandersetzungen über den Klimaschutzplan 2050, mit sehr vielen anderen Ministerien. Da war die Kanzlerin erst am Schluss hilfreich. Bei der Erarbeitung hat uns das Kanzleramt ziemlich alleingelassen.

Große Widerstände kamen aber auch aus dem Wirtschaftsministerium. Da saß mit Sigmar Gabriel damals Ihr Parteichef. Ihm ging der Klimaschutz für die Industrie zu weit.

Von da kamen Einwände, von Anfang an. Das waren aber nur die lautesten Widersprüche, bei weitem nicht die einzigen.

Woran liegt es, dass sich die SPD so schwer tut mit Strukturwandel?

Die Strukturwandel-Fähigkeit der SPD muss neu unter Beweis gestellt werden. Dieser Strukturwandel ist aber im Klimaschutzplan angelegt. Das wird diese Koalition auch hinbekommen, da bin ich sicher. Aber die SPD muss im Prozess ihrer Erneuerung auch diese Frage angehen: Man muss Umwelt-, Klima- und Naturschutz ernster nehmen. Deshalb muss man soziale Interessen ja nicht ignorieren. Das sehen viele Sozialdemokraten so. Aber es wird noch nicht wahrgenommen, dass es das Ziel der ganzen SPD ist. Da müssen wir hin. Das erwarten nicht nur die Jüngeren von uns, sondern auch wertkonservative Mitglieder. Wenn man das bei der "Erneuerung" nicht beachtet, macht man einen großen Fehler.

"Das Miteinander ist roher geworden"

Muss die SPD dafür ihr Verhältnis zum Fortschritt neu justieren?

Das ist der entscheidende Punkt. Die SPD war immer Fortschrittspartei. Sie muss wieder zur Partei der begründeten Zukunftshoffnung werden. Bei all den Ungewissheiten, die es ja gibt. Vielen Menschen geht es gut, und trotzdem haben sie Sorgen um die Zukunft. Die haben Zweifel, dass es ihren Kindern und Enkeln mal so gut wie uns heutzutage. Immer ist die SPD die Partei gewesen, die Menschen auf dem Weg des Fortschritts mitgenommen hat. Das heißt aber, dass die SPD auch inhaltlich Angebote machen muss, die diese Sorge vor der Zukunft aufgreift und positiv wendet. Die Menschen müssen sagen können: Ja, da wird sich viel ändern, aber es bleibt noch ein Platz für meinesgleichen. Das erreichen wir nicht, wenn wir an den Strukturen von gestern festhalten.

Im Augenblick scheint die SPD aber eher mit sich selbst beschäftigt. Wie erklären Sie sich die Unruhe in der Partei?

Zunächst mal mit verschiedenen Fehlentscheidungen, hinter denen übrigens nicht einer alleine stand, sondern meist der Parteivorstand. Und dann ist da eine Stimmung entstanden in der Partei, die so auch nicht geht. Da hat sich auch so eine Attitüde von "wir hier unten gegen euch da oben" breit gemacht. Eigentlich kennt man das eher von den Rechtspopulisten. Das macht mir richtig Sorgen.

Woran machen Sie das fest?

Vor allem am abgrundtiefen Misstrauen an Entscheidungen der Parteispitze. Das lag jetzt auch nicht nur an aktuellen Fehlern der Parteiführung. Das sind gesellschaftliche Veränderungen, die sich auch in der SPD widerspiegeln. Das kann dazu führen, dass wir die Repräsentation der Gewählten verwerfen. Das geht aber nicht.

Also würden Sie die Mitbestimmung der Basis eher eingrenzen?

Eine repräsentative Führung, gewählt von den Mitgliedern, muss Gewicht und Akzeptanz haben. Sonst können wir einpacken. Das gilt nicht nur für innerparteiliche Demokratie, sondern für Demokratie schlechthin.

Waren die Mitgliedervoten zu Koalitionsverträgen dann Dammbrüche?

Das nicht, aber ich glaube nicht, dass wir das auf Dauer so weiterführen können. Vor vier Jahren hatte das Event-Charakter, das war völlig neu, auch positiv. Aber in diesen vier Jahren hat sich Gesellschaft verändert. Nehmen Sie nur, wie man im Netz miteinander umgeht. Das hat auch Rückwirkung darauf, wie man in der Partei miteinander umgeht. Das Miteinander ist roher geworden, manchmal fast hasserfüllt. Auch die Gegner der großen Koalition haben sich vor allem im Netz gegenseitig verstärkt. Dadurch entstand erst der Eindruck, dass sie in der Mehrheit sein könnten.

Aber gleichzeitig haben viele Bürger, viele Parteimitglieder den Wunsch, mehr an Politik teilzuhaben, mitzubestimmen. Wollen Sie denen das verwehren?

Aber wird dieser Wunsch denn überhaupt von der Mehrheit geteilt? Das ist eine offene Frage. Natürlich ist Partizipation richtig, auch auf digitalen Wegen. Aber man muss demokratische Entscheidungen dennoch akzeptieren, und demokratisch legitimierte Strukturen auch als solche anerkennen.

Kurz: Die Mitglieder dürfen mitreden, aber die Entscheidungen fallen in der Parteispitze.

Nein, ganz andersrum: Die Parteispitze wird gewählt, auf allen Ebenen gibt es Beteiligungsmöglichkeiten. Aber wir werden keine Netzdemokratie haben, die einmal im Monat entscheidet, wer Parteivorsitzender ist. Das kann ich mir nicht vorstellen.

Was sind denn ihre Pläne jetzt?

Ich werde mich jetzt im Parlament um auswärtige Kulturpolitik und Außenpolitik kümmern. Ich will jetzt ein anderes Themenfeld. Weiter Umweltpolitik machen, als ehemalige Ministerin, das gehört sich nicht. Dann werde ich ein paar Dinge tun, die ich bisher kaum machen konnte. Im Zentralkomitee der deutschen Katholiken bin ich für den Bereich Nachhaltigkeit und Entwicklung gewählt worden, da will ich mehr machen.

Klingelt ihr Wecker ab jetzt später als sonst?

Im Durchschnitt wahrscheinlich schon. Und auf jeden Fall kann ich mehr Zeit in meinem Wahlkreis in Kleve verbringen. Wird bloß schwerer, dorthin zu kommen: ab jetzt ohne Fahrer. Und von der Sicherheitskontrolle am Flughafen bin ich auch nicht mehr freigestellt. Das sind die eigentlichen Unterschiede. Aber wird schon gehen. Ich reise ja nicht mit großem Gepäck.

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