Barack Obama:Goodbye America!

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Barack Obama: für die Amerikaner zu kosmopolitisch, zu europäisch, zu sozialistisch. (Foto: AFP)
  • Am 20. Januar übernimmt Donald Trump die Amtsgeschäfte von dem scheidenden US-Präsidenten Barack Obama.
  • In seinen acht Amtsjahren hat Obama die Wirtschaftskrise in den Griff bekommen, die Arbeitslosigkeit halbiert und die amerikanische Autoindustrie gerettet.
  • Seine Präsidentschaft war ein Versuch, Amerika zu modernisieren. Nicht alle seine Ziele hat er erreicht.

Von Hubert Wetzel

Für seine Gegner war Barack Obama nie ein echter Amerikaner. Das ging beim Namen los - Barack Hussein Obama. Und selbst wenn sie nicht an das lächerliche Verschwörungsgeraune glaubten, der Präsident sei in Wahrheit ein im Ausland geborener Muslim, dann lehnten sie ihn auf jeden Fall wegen seiner Politik ab - zu kosmopolitisch, zu europäisch, zu sozialistisch. Weltgewandt, aufgeklärt, vielleicht sogar ein bisschen selbstkritisch zu sein, sind in Amerikas Politik inzwischen Eigenschaften, die eher Verdacht wecken.

Insofern war es erfreulich, dass Barack Obama seinen letzten großen Auftritt vor einigen Tagen in Chicago dazu nutzte, um seinen Gegnern, dem Land und der Welt in einer patriotischen, aber eben nicht dumpfen Rede zu erklären, was Amerikas Rolle sein sollte - die Schutzmacht der Werte zu sein, die man allgemeinhin mit dem Begriff "Demokratie" zusammenfasst: Menschen- und Bürgerrechte, persönliche und politische Freiheit. Man darf sich sicher sein, dass kaum einem US-Präsidenten je so bewusst gewesen ist wie Barack Obama, dass die Vereinigten Staaten diese Rolle allzu oft nicht ausgefüllt und diese Werte allzu oft verraten haben. Aber dass die Ideen, auf denen die liberale westliche Weltordnung ruht, zerbröseln und verschwinden, wenn Amerika sich von ihnen abwendet, davon ist Obama überzeugt.

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Obama wollte Guantanamo schließen. Er sah das als einen patriotischen Akt

Ob der künftige Präsident Donald Trump das verstanden hat, ob es ihn überhaupt kümmert, kann man bezweifeln. Er hätte sich bei seiner Pressekonferenz am Mittwoch - der ersten seit seinem Wahlsieg und der letzten vor seinem Amtsantritt - ja zu solchen Themen äußern können . Stattdessen musste er sich mit dem Vorwurf herumschlagen, in Moskau eine Sexparty gefeiert zu haben; und er musste der Welt erklären, wie er künftig Interessenkonflikte zwischen seiner Tätigkeit als Präsident und Firmeninhaber vermeiden will. Man ahnt: Trump wird als Präsident gedanklich mit anderen Dingen beschäftigt sein als Obama.

Obamas Glaube an die demokratischen Ideen war einer der Gründe, warum er unbedingt das Gefangenenlager Guantanamo schließen wollte - das schwärzeste Symbol dafür, dass die USA ihre Werte im Kampf gegen den Terror geopfert haben. Das Camp nach 15 Jahren endlich wieder aufzulösen, wäre kein Zeichen der Schwäche gewesen, sondern ein geradezu patriotischer Akt, der Amerika gestärkt hätte. Auch das hat Trump nicht verstanden.

Man kann Barack Obamas Präsidentschaft als Versuch sehen, Amerika zu modernisieren. Eins dieser Projekte war, etwas aufzubauen, das in der einen oder anderen Form in jedem reichen, westlichen Industrieland selbstverständlich vorhanden ist: eine allgemeine, staatlich mitfinanzierte Krankenversicherung. In der Berichterstattung über "Obamacare" ging es oft nur um technische Einzelheiten wie Internetseiten, Zuschüsse oder Prämien. Doch in Wahrheit rührt der Streit über Obamas Gesundheitsreform an die politischen Grundüberzeugungen in Amerika, an die Frage, wie die Rechte und Pflichten des Staates und des Individuums austariert sein sollen.

Deswegen war der Widerstand der Republikaner so erbittert, deswegen wollen sie die verhasste Reform jetzt so schnell wie möglich zurücknehmen. Wenn dabei 20 Millionen Mitbürger ihre Krankenversicherung wieder verlieren - sei's drum, es geht um Größeres. Dass Präsident Trump und seine Republikaner keinen vernünftigen Plan haben, um Obamacare zu ersetzen, obwohl sie seit Jahren darüber reden, ist kein Zufall und keine Faulheit, sondern Überzeugung.

Das muss Trump erst mal nachmachen

Dieser Grundkonflikt zog sich durch viele politische Bereiche. Obamas Rettungsaktion für die Autoindustrie, seine Förderprogramme für erneuerbare Energie, seine Klimaschutzpolitik - aus europäischer Sicht waren das weder radikale noch unvernünftige, sondern höchst rationale Bemühungen des US-Präsidenten, dem heimischen Arbeitsmarkt etwas Gutes zu tun und zugleich Anschluss an den Rest der Welt zu finden. Für die Republikaner war das alles staatsinterventionistisches Teufelszeug.

Es wird auf ewig ein Rätsel bleiben, wie die Demokraten es zulassen konnten, dass die Republikaner zur vermeintlichen Partei der Arbeiterschaft geworden sind. Man kann das allenfalls kulturell erklären, mit der wirtschaftlichen Realität hat es nichts zu tun: Ohne Obama gäbe es viele der Autowerke nicht mehr, über die Trump nun dauernd twittert. Als Obama sein Amt antrat, war die US-Wirtschaft im freien Fall, die Arbeitslosenrate lag bei knapp zehn Prozent; heute liegt sie bei der Hälfte. Das muss Donald Trump erst einmal nachmachen.

Setzt Trump hingegen das Wirtschafts- und Finanzprogramm um, das er im Wahlkampf versprochen hat, werden sich auch die amerikanischen Arbeiter bald nach Obama zurücksehnen. Höhere Rüstungsausgaben, niedrigere Steuern für die Oberschicht, wirtschaftliche Abschottung - wie das Arbeitsplätze schaffen soll, bleibt bisher Trumps Geheimnis.

Es gibt andere Bereiche, in denen Obamas Bilanz weniger beeindruckend ist. Es mag wie ein Paradox klingen, aber es ist so: Die Amerikaner haben zwei Mal mit solider Mehrheit einen Mann zum Präsidenten gewählt, der schwarz ist und einen muslimischen Mittelnamen hat. Das freilich geschah in einer Zeit, in der die Spannungen zwischen Schwarzen und Weißen so stark sind wie lange nicht und in der Islamophobie anscheinend geradezu eine Voraussetzung für politischen Erfolg geworden ist.

Man kann Obama nicht vorwerfen, er hätte nicht versucht, beide Entwicklungen aufzuhalten. Es gibt in der jüngeren Geschichte der USA wohl kaum einen versöhnlicheren Moment als jenen Tag, an dem Obama in Charleston, South Carolina, die schwarzen Opfer eines weißen rassistischen Attentäters verabschiedete und dem Hass mit einem Lied entgegentrat - "Amazing Grace", ein wunderschönes Gospel, das von der Erlösung erzählt.

Obama hat die Versöhnung also versucht. Aber man muss wohl feststellen, dass er keinen Erfolg hatte. Schwarze und Weiße in Amerika stehen sich heute misstrauischer, vielleicht sogar feindseliger gegenüber als vor Obamas Amtszeit; Amerikas Muslime fühlen sich zunehmend miss- und verachtet - und das nicht erst, seitdem der Demagoge Trump die Wahl gewonnen und antimuslimische Parolen damit hoffähig gemacht hat. Beides ist nicht wegen, aber trotz Obama passiert. Und das sind längst nicht die einzigen Trennlinien in der Gesellschaft. Das Land ist politisch, sozial, kulturell tief gespalten. Und auch wenn man Obama nicht für alle Risse und Klüfte verantwortlich machen kann, so war er doch der Präsident zu der Zeit, als diese Risse tiefer und breiter wurden.

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Mehr Verantwortung trägt Obama für den gesunkenen Einfluss Amerikas in der Welt. So sehr er daran glaubt, dass die USA global engagiert bleiben müssen, so schwer hat er sich damit getan, das umzusetzen. Obamas Vorstellung von Amerika als einer kooperativen, modernen Ordnungsmacht, die alte Feindschaften beendet und neue Möglichkeiten sucht, passte nur bedingt zur Realität. Seine zögerliche Politik im Nahen Osten, sein Schwanken zwischen Einmischung, Drohung und Zurückzucken, haben Amerikas Ruf als verlässliche Ordnungsmacht beschädigt - am meisten seine vermeintliche "rote Linie" in Syrien, seine Warnung an Diktator Baschar al-Assad, keine Chemiewaffen einzusetzen, auf die dann keine Strafe folgte.

Trump ist kein Isolationist. Er wird die USA nicht grundsätzlich aus Konflikten heraushalten

Es mag lobenswert sein, dass Obama das alte brutale geopolitische Spiel im Nahen Osten nicht mehr mitspielen wollte. Immerhin - welchen Wert hat für die Russen eigentlich ein Marinestützpunkt an der syrischen Mittelmeerküste, wenn die Erfindung eines neuen Telefons folgenreicher ist als die Größe einer Kriegsflotte? Aber so denkt eben nur Obama. Russland, Iran, Saudi-Arabien, Katar, die Türkei - sie haben keine Skrupel, ihre Rivalitäten weiterhin nach den alten blutigen Regeln auszutragen. Den Preis dafür zahlt Syrien.

Trump hat bisher nicht gesagt, welche Rolle er für Amerika in dem nahöstlichen Chaos anstrebt. Als Ordnungsmacht mit Mission sieht er die USA freilich nicht. Trump ist weniger ein Isolationist als ein Nationalist. Er will Amerika nicht prinzipiell aus fremden Kriegen heraushalten, er will sich nur dort nicht einmischen, wo nichts für die USA herausspringt. "America first" - das ist sein Maßstab auch für die Außenpolitik. Und viele, die schon immer der Ansicht waren, Amerika vertrete ja in der Welt ohnehin nur eigene Interessen, raffe Öl und verbreite Krieg, könnten sich noch wundern, was passiert, wenn Trump ernst macht. Es ist ja kein Zufall, dass regierende und aufstrebende Autokraten in aller Welt sich auf den neuen Präsidenten freuen. Am 20. Januar ist es so weit.

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