Balkan Fellowship 2012:Männer, die vorm Baumarkt warten

Sie bevölkern die Gehsteige im Norden Londons: Tagelöhner aus Bulgarien und Rumänien. Mit ihrer Kleidung - schmutzige, mit Farbe und Mörtel bespritzte Trainingsanzüge - machen sie auf sich und ihr Gewerbe aufmerksam. Arbeiten dürfen sie nur unter strengen Beschränkungen, am äußersten Rand der Bauwirtschaft.

Eine Reportage von Sorana Stanescu

Junge Journalisten vom Balkan haben sich in diesem Jahr zum dritten Mal für das "Balkan Fellowship for Journalistic Excellence" beworben. Das Stipendium wird von der deutschen Robert Bosch Stiftung, der ERSTE Stiftung aus Wien und dem "Balkan Investigative Reporting Network" (BIRN) vergeben. So sind aufwendige Reportagen über die harte soziale Realität auf dem Balkan entstanden. Süddeutsche.de veröffentlicht drei Texte, die von einer Journalisten-Jury ausgewählt und mit Geldpreisen bedacht wurden.

Die Männer scharen sich im Schatten des Wickes-Baumarkts, halten Ausschau nach Gelegenheitsjobs, die es ihnen erlauben, in Großbritannien zu bleiben, und nach der Polizei, die sie regelmäßig zum Weitergehen auffordert. Als Tagelöhner am Rande des expandierenden britischen Bausektors sorgen sie für ein stetiges Angebot billiger Arbeitskräfte - nützlich und doch oft nicht willkommen.

Ihre Anwesenheit gibt Anlass zu häufigen Klagen der Bewohner von Seven Sisters, einem Stadtteil im Norden Londons, wo Cafés ein deftiges "Bauarbeiterfrühstück" für weniger als fünf Pfund anbieten. Da sie weder durch Behörden oder Agenturen unterstützt werden, bevölkern die Tagelöhner die Gehsteige und machen durch ihre Kleidung - schmutzige, mit Farbe und Mörtel bespritzte Trainingsanzüge - auf ihr Gewerbe aufmerksam. Halten potenzielle Kunden am Straßenrand an, wird um Stundensätze und Mitfahrgelegenheiten gefeilscht. Taucht die Polizei auf, laufen sie davon.

Auf der anderen Straßenseite erledigt Jarek an einem sonnigen Julimorgen seine Einkäufe und bleibt stehen, um mit ein paar Freunden zu plaudern. "Illegale" nennt er die etwa 30 Männer, die vor dem Wickes-Baumarkt warten. Auch er ist ein Einwanderer. Jarek kommt jedoch aus Polen und gerät nicht in Panik, wenn er die Polizei sieht. Er ist zwar auch Bauarbeiter, aber seine Geschäfte macht Jarek nicht auf dem Gehsteig vor dem Baumarkt. Stattdessen ist er, ausgestattet mit einem Werkzeugkasten, mit seinem Moped unterwegs und verteilt Hochglanzflugblätter, die in schlechtem Englisch für "billige und zuverlässige Dienstleistungen" werben.

Jarek ist einer von ungefähr einer Million Arbeitern, die infolge der EU-Osterweiterung 2004 nach Großbritannien übersiedelten. Die wachsende Zahl der Zuwanderer, hauptsächlich aus Polen, führte zu heftiger Kritik an britischen Politikern.

Die Tagelöhner sind meist rumänischer und bulgarischer Herkunft. Sie kamen nachdem 2007 Rumänien und Bulgarien - die so genannten A2-Länder - der EU beigetreten waren. Doch anders als Jarek haben sie lediglich ein Bleiberecht - arbeiten dürfen sie nicht. Eigentlich.

Am äußeren Land des Bausektors

Der Bausektor macht mehr als zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts Großbritanniens aus. Er ist das Kernstück des Regierungsplans, die schwächelnde Wirtschaft wieder anzukurbeln, und er erhält regelmäßig Zuschüsse und Anreize. Kritiker behaupten, die Bauwirtschaft habe von den Restriktionen der Regierung für A2-Arbeiter profitiert, da dadurch die Zunahme schlecht bezahlter und kaum regulierter Arbeitsplätze gefördert wurde. Sie werfen Großbritannien vor, es "arbeite" sich aus der Doppelrezession heraus, indem die Löhne und Arbeitsbedingungen anderer, vergleichsweise etablierter Arbeiter unterboten würden.

Eine Studie des Balkan Investigative Reporting Network (BIRN) zeigt, dass A2-Arbeiter generell bereit sind, für niedrigere Löhne und zu schlechteren Bedingungen in der Baubranche zu arbeiten als andere. Viele der Interviewten sprachen mit BIRN nur unter der Voraussetzung anonym zu bleiben, da sie nicht die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich lenken wollten.

Gewerkschaften und Sicherheitsbehörden sind sich einig, dass die A2-Arbeiter aufgrund ihres Einwanderungsstatus an den äußersten Rand der Bauwirtschaft gedrängt wurden, wo Anweisungen eher ignoriert und Missstände oft nicht gemeldet werden. Die britische Regierung rechtfertigt die Einschränkungen damit, dass britische Arbeiter vor einer weiteren großen Einwanderungswelle bewahrt würden, wie jener, mit der Jarek ins Land gelangte.

Arbeiten in der Grauzone

Laut den Statistiken des Ministeriums für Arbeit und Pensionen haben etwa 210.000 Personen rumänischer und bulgarischer Herkunft seit dem EU-Beitritt ihrer Länder vor fünf Jahren eine Sozialversicherungsnummer bekommen. Diese Zahl zeigt, wie viele Migranten aus diesen Ländern theoretsch in Großbritannien arbeiten könnten. Nicht berücksichtigt sind dabei Schwarzarbeiter oder Personen, die mittlerweile wieder in ihr Heimatland zurückgekehrt sind. Im Vergleich dazu haben etwa 640.000 Polen im Laufe der vergangenen fünf Jahre eine National Insureance-Nummer erhalten - während der vergangenen zehn Jahren waren es mehr als eine Million.

Große Bauinnungen beharren indes darauf, dass ihre Mitglieder gesetzlich verpflichtet seien, für sichere und faire Arbeitsbedingungen zu sorgen. Werden die Regeln gebrochen, behaupten sie, sind die Migranten oft mitschuldig.

Einige von BIRN interviewte Gastarbeiter scheinen dies zu bestätigen. Man hätte in der Grauzone gearbeitet, um keine Steuern zahlen zu müssen. Da viele noch dazu unterbezahlt sind, ist der Anreiz dafür umso größer. Werden sie beim Schwarzarbeiten erwischt, erwartet die Migranten ein Bußgeld von bis zu 1.000 Pfund (etwa 1.300 Euro) und möglicherweise eine Haftstrafe.

"Was soll die Polizei schon mit mir machen?"

Die Tagelöhner vor dem Wickes-Baumarkt hingegen laufen kaum Gefahr verhaftet zu werden, da sie immer noch behaupten können, sie würden ihre Einkünfte später ohnehin versteuern. Ihre Nervosität gegenüber der Polizei rührt weniger von einer realen Angst vor Strafverfolgung als von einem allgemeinen Misstrauen gegenüber dem Staat.

Angesichts der restriktiven Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt sind sie in einen Bereich gedrängt worden, wo es keine klare Unterscheidung gibt zwischen dem, was gesetzlich und was ungesetzlich ist, zwischen Ausbeutung und Kosteneffizienz. "Die Polizei wollte meinen Ausweis sehen. Manchmal sagen sie dir, du kannst bleiben, manchmal musst du gehen", erzählt ein Tagelöhner mittleren Alters aus Bulgarien, der sich mit dem Namen Neven vorstellte. "Ich bleibe", fügt er hinzu. "Was soll die Polizei schon mit mir machen?"

Bei ihrer Ankunft in Großbritannien müssen alle arbeitsuchenden Ausländer eine National Insureance-Nummer beantragen. Diese Nummer ist Voraussetzung für jeden, der eine gesetzmäßige, langfristige Erwerbstätigkeit sucht. Es handelt sich gewissermaßen um eine Kennzahl, mit der der Staat die Steuerabgaben, Pensions- und Sozialversicherungsbeiträge jeder einzelnen Person dokumentiert.

Ein Großteil der Rumänen und Bulgaren kommt ohne Arbeitserlaubnis

Als Jarek 2004 nach Großbritannien kam, hatten Polen wie er kaum Schwierigkeiten, eine NI-Nummer zu bekommen. Als Neven fünf Jahre später zuwanderte, war es für Rumänen und Bulgaren weitaus schwieriger, sich registrieren zu lassen. An A2-Bürger wird nur dann automatisch eine NI-Nummer vergeben, wenn sie aufgrund einer Arbeitsbewilligung, die in Verbindung mit einem konkreten Jobangebot ausgestellt wurde, nach Großbritannien gekommen sind.

Diese Migranten sind jedoch die Minderzahl. Ein Großteil der Rumänen und Bulgaren kommt ohne Arbeitserlaubnis oder feste Zusage auf einen Arbeitsplatz nach Großbritannien. In ihrem Bestreben, endlich ein Einkommen zu haben, strömen sie in den Bausektor und das Hotel- und Gaststättengewerbe, wo sie die Notwendigkeit einer Arbeitserlaubnis letztendlich dadurch umgehen können, dass sie auf selbstständiger Basis arbeiten.

Migranten, die nicht beweisen können, dass sie selbstständig erwerbstätig sind und deshalb auch keine NI-Nummer erhalten, landen oft an den Rändern dieser Branchen, wo sie für Gelegenheitsjobs, die ein Minimum an Formalitäten erfordern, bar auf die Hand bezahlt werden.

Mitarbeiter der bulgarischen und rumänischen Botschaft in London berichteten BIRN, dass es für ihre Staatsbürger schwieriger sei, eine NI-Nummer zu erhalten. In manchen Fällen gab es bis zu fünf erfolglose Versuche. Viele der Tagelöhner vor dem Wickes-Baumarkt im Stadtteil Seven Sisters fallen unter diese Kategorie.

"Kein Geld, kein Job in Bulgarien", meint ein 45-jähriger Migrant, der nicht namentlich genannt werden will. Er habe zweimal um eine NI-Nummer gebeten, erzählt er, und wurde beide Male abgelehnt. Er sei bereits seit zwei Monaten auf Arbeitssuche und lebe von seinem Ersparten.

Stromschlag vom Presslufthammer

Arbeiter ohne Papiere haben laut Aussagen von Gewerkschaften und Sicherheitsfachleuten eine höhere Wahrscheinlichkeit, schwere Verletzungen am Arbeitsplatz zu erleiden. Ein junger Rumäne, dessen Name auf Anraten seines Anwalts nicht genannt wird, erzählte BIRN, dass er bei Arbeiten mit einem Presslufthammer auf einer Londoner Baustelle einen Stromschlag erlitten hatte. "Ich erinnere mich an nicht viel", sagte er. "Da war Rauch. Ich hatte Verbrennungen am Arm."

Der Mann hatte in Großbritannien ohne NI-Nummer gearbeitet und von einem Freund von der Stelle erfahren. Er hätte vor Arbeitsbeginn weder Dokumente vorlegen noch einen Vertrag unterschreiben müssen, erzählte er, und er wurde bar bezahlt. Obwohl er einige Sicherheitsanweisungen bekommen habe, hätte er Schwierigkeiten gehabt, diesen aufgrund seiner schlechten Englischkenntnisse zu folgen.

Baugewerkschaften schätzen, dass etwa 80 Prozent der Unfälle am Arbeitsplatz nicht gemeldet werden. Das britische Amt für Gesundheit und Sicherheit (Health and Safety Executive, HSE), das für die Sicherheit am Arbeitsplatz zuständig ist, führt keine Daten über die Staatsangehörigkeit verunfallter Arbeiter. Die Behörde räumt jedoch ein, dass Gastarbeiter häufiger Unfälle erleiden und diese weniger oft melden würden, auch wenn sie dafür weder abgeschoben noch bestraft werden können.

Richard Boland, ein für das Bauwesen in Südengland zuständiger HSE-Einsatzleiter, glaubt, dass Bauarbeiter aufgrund der Beschränkungen, wann und wo sie arbeiten dürfen, dazu verleitet sind, auf Baustellen zu arbeiten, auf denen Sicherheitsregeln nicht eingehalten werden. HSE-Inspektoren legten derzeit den Fokus weg von großen Firmen hin zu kleineren Baustellen, da letztere laut Boland eher Standards ignorieren und vergleichsweise unerfahrene Gastarbeiter einstellen würden.

Warum sich 2-Arbeiter fast nie beschweren

Rumänische und bulgarische Arbeiter, denen es gelingt, eine NI-Nummer zu bekommen, unterliegen trotzdem Einschränkungen, die einer früheren Generation von Zuwanderern aus der EU keine Sorgen bereiteten. Die meisten Arbeitsplätze im Bauwesen werden über branchenspezifische Arbeitsagenturen vermittelt, die üblicherweise Kleinunternehmen sind und den Ruf haben, ihre Arbeitskräfte aus einer bestimmten Einwanderungsgruppe zu rekrutieren. Diese Agenturen agieren als Subunternehmer für größere Firmen, vermitteln Gelegenheitsarbeiten kurzfristig an größere Baustellen und übernehmen einen Großteil der damit verbundenen Formalitäten.

Laut Aussagen von Juristen und Arbeitsexperten ist die Wahrscheinlichkeit, dass von diesen Agenturen angeheuerte A2-Arbeiter sich über gefährliche Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne beschweren, geringer. In einer Wirtschaft, in der die Chancen auf eine Anstellung ohnehin begrenzt sind, fürchten viele, auf die schwarze Liste gesetzt zu werden.

Remus Robu, ein in der britischen Anwaltskanzlei Levenes tätiger Anwaltsgehilfe, hat des Öfteren mit Schadenersatzforderungen zu tun, die sich aus Unfällen von A2-Arbeitern ergeben. "Leider gibt es Personen, die tatsächlich ihren Job verlieren, wenn sie eine Entschädigung einfordern", sagte er.

Informelle schwarze Liste für problematische Arbeiter

Der rumänische Eigentümer eines kleinen Bauunternehmens, der anonym bleiben wollte, bestätigte die Existenz einer informellen schwarzen Liste für Arbeiter, die als problematisch erachtet werden. Er meinte jedoch, dass dies dem bei Arbeitgebern anderer Wirtschaftszweige üblichen Referenzsystem ganz ähnlich sei. "Würden Sie jemanden wieder einstellen, der eine Klage gegen Sie eingereicht hat?", fragte er.

Der Bauunternehmer erzählte BIRN auch, dass er einen Arbeiter überredet hatte, einen Unfall, bei dem dieser sich ein Bein gebrochen hatte, nicht zu melden. Er hätte den verletzten Mann während seiner Genesung den vollen Lohn bezahlt und ihm eine weitere Anstellung garantiert, sobald er wieder gesund war. "Er war damit einverstanden, mich nicht zu verklagen, weil ich gut mit meinen Arbeitern auskomme", so der Bauunternehmer.

Laut HSE muss jeder Unfall, der ein gebrochenes Bein zur Folge hat, laut britischem Recht gemeldet werden. Wird der Arbeitgeber dafür verantwortlich gemacht, kann der Arbeiternehmer laut Angaben von Juristen je nach Schwere der Verletzung zwischen 6.000 und 36.000 Pfund erwarten. Kleinere Bauunternehmen sind normalerweise darauf bedacht, Klagen zu vermeiden, da dies für die Akquirierung neuer Aufträge hinderlich sein kann.

Lohnkürzungen und ominöse "Verwaltungsgebühren"

Arbeitsvermittlungsstellen raten A2-Migranten nicht nur davon ab, sich über Arbeitsbedingungen zu beschweren, sondern zahlen ihnen auch oft niedrigere Löhne als anderen Arbeitnehmern. Viele Stellenvermittlungen ziehen eine Art Provision von den Löhnen der Arbeiter ab. In manchen Fällen verrechnet eine Lohnverrechnungsfirma (die oft mit der Agentur in Verbindung steht) eine weitere "Verwaltungsgebühr" für die Lohnabwicklung.

A2-Migranten können sich vor diesen Lohnkürzungen nicht schützen. Als selbstständige Arbeitskräfte steht ihnen der britische Mindestlohn von derzeit etwas mehr als sechs Pfund pro Stunde nicht zu. Abgesehen davon, dass von selbstständig Erwerbstätigen erwartet wird, dass sie ihre Steuern zahlen, wird ihr Einkommen aufgrund eines nur für den Bausektor geltenden Schemas automatisch mit 20 Prozent quellenbesteuert.

Die Gewerkschaft der Bauarbeiter (UCATT) hat die Abschaffung dieses Systems gefordert, da es eine Form von Scheinselbstständigkeit fördere. Auch die britische Labour-Opposition erklärte vor Kurzem, das System überprüfen zu wollen. Ein Funktionär des größten britischen Bauunternehmerverbandes meinte allerdings, Arbeiter dieser Kategorie verdienten ebenso wenig wie ihre Arbeitgeber Verständnis dafür, dass sie ihre "legalen Konkurrenten" hintergehen.

Agenturen? "Sie nehmen dir einfach zu viel Geld weg."

"Beide Seiten profitieren davon, faktisch das Gesetz zu brechen, und deshalb können jene A2, die bei dieser falschen Selbstständigkeit gemeinsame Sache machen, nicht als unschuldige Opfer dargestellt werden", glaubt Peter O' Connell, Policy-Manager in der Federation of Master Builders. Stephen Ratcliffe, Direktor der britischen Contractors Group, einem Verband der wichtigsten Baufirmen des Landes, ist der Meinung, dass die "Schattenwirtschaft", in der sich Firmen über Steuer-, Arbeits- und Sicherheitsgesetze hinwegsetzen, strafrechtlich belangt werden sollte.

Sowohl O'Connell als auch Ratcliffe betonen, dass sich die Mitglieder ihrer Organisationen umfassend an die Gesetze hielten. Der größte britische Dachverband für Arbeitsvermittlungsstellen, die Recruitment and Employment Confederation, lehnte trotz mehrerer Anfragen seitens BIRN jeden Kommentar ab.

Angesichts der Mittel und Wege, mit denen Agenturen bei der Vermittlung einer Stelle Profit machen, steigen viele A2-Arbeiter aus dem System aus: Unter den Tagelöhnern vor dem Wickes-Großmarkt im Stadtteil Seven Sisters gibt es einige, die eine NI-Nummer haben, sie aber nicht benutzen. Ein Rumäne, der seinen Namen nicht nennen will, sagt, er sei bereits seit sechs Jahren in Großbritannien und zahle regelmäßig seine Steuern und Abgaben an den Staat. Er stocke jedoch sein offizielles Gehalt durch Schwarzarbeit auf. "Die Leute engagieren mich, um ihr Haus zu streichen. Wenn sie nach einer Rechnung verlangen, kann ich eine ausstellen. Sonst tue ich es nicht. Und er fügt hinzu: "Ich arbeite nicht mehr über Agenturen. Sie nehmen dir einfach zu viel Geld weg."

80 Pfund pro Tag, minus Steuern und Sozialabgaben

Die meisten der Männer vor dem Wickes-Baumarkt sagen, sie gehen von einem Verdienst von etwa 50 Pfund (60 Euro) pro Tag aus. Im Vergleich dazu kann ein selbstständiger Rumäne, der auf legalem Weg über eine Stellenvermittlung engagiert wird, um den Verkehr auf einer Baustelle zu regeln, mit einem Gehalt von 80 Pfund (100 Euro) pro Tag rechnen. Er bekommt also nur 30 Pfund (40 Euro) mehr als ein Tagelöhner. Von dieser Summe muss er außerdem Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zahlen.

Arbeitsvermittlungen geben an, allen Arbeitskräften den gleichen Lohn zu zahlen, ungeachtet ihrer Nationalität. Die Gewerkschaften behaupten jedoch, dass britische und polnische Arbeiter neun bis zehn Pfund pro Stunde für Jobs erwarten können, die man A2-Arbeitern für fünf bis sechs Pfund pro Stunde anbietet.

Da sie keinen Arbeitsbeschränkungen unterworfen sind, sind polnische und britische Arbeitnehmer in einer besseren Position, um ihre Stundensätze zu verhandeln, oder sie suchen sich einfach bessere Jobs in anderen Branchen. Rumänen und Bulgaren nehmen eher an, was ihnen angeboten wird, da sie weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben.

Ein System, das britische Arbeiter hintergeht und Ausländer ausbeutet

Kritiker glauben, dass die derzeitige Politik im Umgang mit A2-Arbeitern ein System geschaffen hat, das dem Staat Steuereinnahmen vorenthält, britische Arbeitskräfte hintergeht und Ausländer ausbeutet. Der Labour-Abgeordnete Jim Sheridan hat sich für eine strengere Regulierung der Arbeitsvermittlungsstellen im Bauwesen ausgesprochen, ganz nach dem Vorbild der Lizenzierung der "Gangmaster" (Zeitarbeitsvermittler, Anm. d. Redaktion).

Andere fordern, freiberufliche Tätigkeiten in dieser Branche zu reduzieren, indem man die Baufirmen dazu zwingt, mehr Arbeitskräfte direkt einzustellen. Dies würde jedoch die Last der NI-Beiträge - die fast 14 Prozent der Lohnkosten ausmachen - auf die Arbeitgeber umwälzen. UCATT-Gewerkschaftsfunktionär Dave Allen räumt ein, dass dies wahrscheinlich nicht passieren wird, da es die Budgets großer Firmen schmälern würde. "Die Regierung weiß, dass die Wirtschaft darunter leiden könnte, wenn jeder direkt eingestellt wird", sagt er.

Bridget Anderson, stellvertretende Direktorin und Forschungsbeauftragte der Expertenkommission für Migration COMPAS an der Universität Oxford meint, die Regierung sollte zumindest eine Mindestlohnregelung für alle Arbeiter durchsetzen, egal ob britischer oder ausländischer Herkunft, ob selbstständig oder nicht. Ihrer Ansicht nach waren die leeren Worte über den Schutz britischer Arbeitsplätze irreführend: Die Restriktionen hätten dem etablierten Arbeitsmarkt geschadet, während Firmen von den flexibleren Arbeitskräften profitiert hätten.

Eigentlich Arbeitsbeschränkungen bis 2014 aufgehoben werden

"Je mehr man sich auf Zuwanderungsbeschränkungen konzentriert, desto häufiger entstehen Übergangsregelungen - und desto mehr schafft man eine Arbeitnehmerschaft, die für die Arbeitgeber attraktiver ist", erklärt sie.

EU-Mitglieder können die Bürger anderer Mitgliedsstaaten nicht davon abhalten, in ihre Länder zu kommen, um zu arbeiten. Sie können ihnen nur "Übergangsregelungen" auferlegen, wie jene, die sich in Großbritannien derzeit gegen Rumänen und Bulgaren richten.

Großbritannien ist nur einer von mehreren EU-Staaten, die den A2-Arbeitern Beschränkungen auferlegt haben. Ähnliche restriktive Maßnahmen gibt es in Österreich, Deutschland, Belgien, Frankreich und den Niederlanden.

Laut Gesetz müssen die Beschränkungen bis Januar 2014 aufgehoben werden. In einer Erklärung der britischen Grenzschutzagentur wurde im vergangenen Jahr jedoch bestätigt, dass allen neuen EU-Mitgliedern ähnliche "Übergangsbeschränkungen" auferlegt würden, um sicherzustellen, dass "die Zuwanderung Großbritannien nutzt und sich nicht negativ auf unseren Arbeitsmarkt auswirkt".

Die britische Grenzschutzagentur, der für Einwanderung zuständige Minister und das Ministerium für Arbeit und Pensionen - alle lehnten ein Interview für diesen Artikel ab.

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