Bahn-Streik:Das eigentliche Problem

Es geht im Tarifstreit vor allem um Zwischenmenschliches.

Von Detlef Esslinger

Gäbe es im ZDF eine Show "Die 100 beliebtesten Deutschen", GDL-Chef Claus Weselsky hätte keine Ambitionen, darin vorzukommen. Ihn interessiert nichts außer das Ziel, der Bahn einen Tarifvertrag fürs gesamte Fahrtpersonal abzutrotzen, weshalb er wieder zum Streik aufruft. Er sagt: Auch nach 16 Verhandlungsrunden sei man nicht vorangekommen. Seine Kontrahenten von der Bahn sagen: Man sei einen Meter vor dem Ziel. Beide haben recht.

Richtig ist, dass beide Seiten inzwischen deutlich vorangekommen sind - richtig ist aber auch, dass die Bahn noch nichts von dem verbindlich zugesagt hat, worauf sie sich mündlich eingelassen hat. Allerdings ist daran im Grunde nichts Spektakuläres: Überall funktionieren Tarifverhandlungen so, dass Arbeitgeber sich endgültige Zusagen bis zum Ende vorbehalten - weil sie nicht Zugeständnis um Zugeständnis machen wollen, ohne zu wissen, wie viel die Summe der Zugeständnisse sie letztlich kosten würde. Warum also regt dies den GDL-Chef auf, so dass er wieder zum Streik bläst?

Aus demselben Grund, aus dem die Verhandlungen seit Monaten abwechselnd stocken und eskalieren: weil es nicht den Hauch eines Vertrauens zwischen den Unterhändlern beider Seiten gibt. Jeder vermutet in jeder Äußerung des anderen immer nur List und Tücke. Das Problem sind nicht Lohn und Arbeitszeiten. Das Problem liegt im Zwischenmenschlichen.

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