Baden-Württemberg:Wahl an der Schmerzgrenze

Die baden-württembergische SPD wünscht sich eine neue Führung und stimmt doch immer wieder für Ute Vogt. Die Leidensfähigkeit des Landesverbands und seiner Vorsitzenden ist groß.

Bernd Dörries

Ute Vogt sagt, sie könne den Parteitag kaum erwarten. "Es wird jetzt Zeit." Dabei gibt es eigentlich wenig, auf das sie sich am Freitag und Samstag beim Treffen der SPD-Delegierten in Fellbach freuen könnte - außer, dass es danach vorbei ist.

Vogt, Tauss, dpa

"Meine persönliche Schmerzgrenze ist nur mir bekannt." Ute Vogt mit Generalsekretär Jörg Tauss auf einer Pressekonferenz.

(Foto: Foto: dpa)

Vogt wünscht sich eine kritische Debatte über "Themen, Strategien und von mir aus auch über Personen". Und diese wird es sicherlich geben. Ob sie zum Sturz der baden-württembergischen Parteivorsitzenden führen wird, ist eine andere Frage.

Der Heidenheimer Kreisvorsitzende Andreas Stoch beschreibt die Gemütslage in der Partei als "Mischung aus aggressiver und depressiver Stimmung, weil viele Delegierte auf eine Alternative zu Vogt warten, diese sich aber nicht auftut". Andere fragen sich, ob es denn ohne Vogt noch schlimmer kommen könne.

Es ist der Mittwoch vor dem Parteitag, und Ute Vogt erzählt im Landtag, dass ihr die Aufgabe als Landes- und Fraktionsvorsitzende der SPD Spaß mache. Sie lächelt, bleibt aber Belege schuldig.

Das, was sie in den vergangenen Monaten erlebt hat, lässt eher auf das Gegenteil schließen. In der Sommerpause hat eine Umfrage die SPD bei 19 Prozent eingeordnet, aus der Partei wurde daraufhin Vogts Führungsfähigkeit und Zukunft in Frage gestellt, wie schon oft zuvor.

Vogt hat zu den Hoffnungsträgern gehört

Am Freitag auf dem Landesparteitag muss sich Vogt zur Wiederwahl stellen. Seit Wochen wird sie gefragt, ob sie 2011 noch einmal Spitzenkandidatin werden wolle, ob sie den Fraktionssitz behalten möchte. Das eigentliche Interesse besteht aber in der Frage, wie man sich das alles überhaupt noch antun kann?

"Meine persönliche Schmerzgrenze ist nur mir bekannt", sagte Vogt vor kurzem. In diesen Tagen wird auch wieder daran erinnert, dass Vogt einmal zu den Hoffnungsträgern der Partei gehört hatte, nicht nur im Land. Das ist schon lange her.

Mit ihren 42 Jahren ist Ute Vogt ziemlich weit nach oben gekommen, hat einen langen Weg zurückgelegt - nur eben auch wieder in die umgekehrte Richtung. Es scheint schon Ewigkeiten her zu sein, dass Ute Vogt als Spitzenkandidatin 33 Prozent gegen Erwin Teufel (CDU) holte.

Bei der Landtagswahl im Jahr 2001 war das. Gerhard Schröder erhob sie danach in den Kreis der Führungsreserve der Partei. Ute Vogt war oben angekommen, begann aber gleich wieder mit dem Abstieg. Nur merkte man das damals nicht, am wenigsten sie selber.

Weil sie für die Partei ein gutes Ergebnis geholt hatte, für sich persönlich aber kein Mandat im Landtag, konnte sie nicht Oppositionsführerin werden. Sie behielt den Landesvorsitz und ging als Staatssekretärin im Bundesinnenministerium nach Berlin, im Schatten von Otto Schily konnte man gut beobachten, warum die Sekretärin in ihrem Titel stand.

Vogt war in Berlin, und im Land war niemand, der den Aufbruch gestalten konnte, den die Partei so dringend gebraucht hätte. In der Fraktion saßen noch die alten Minister aus der Großen Koalition, die schon 1996 auseinanderbrach, und trauerten der Macht nach.

Diese Frustration ist bis heute zu spüren. Die SPD wirkt manchmal beleidigt und enttäuscht vom Wähler, orientiert sich lieber nach innen, sucht Halt in den Gremien, Ausschüssen und Beschlüssen. Bei der Landtagswahl 2006 kam sie nur noch auf 25 Prozent.

Schon damals probte die Partei wie heute den Aufstand gegen Vogt, aber schon damals zeigte sich, dass sie zwar in der Lage ist, ihre Vorsitzende zu quälen, den Gegnern aber letztlich der Mut zum Sturz fehlt. Auch weil es keine Alternativen gibt.

Der Mangel an Personal und Hoffnung führt so weit, dass Erhard Eppler derzeit eine stürmische Verehrung genießt. Er ist achtzig Jahre alt. Lange Zeit haben die Genossen den Ulmer Oberbürgermeister Ivo Gönner, einen barocken Provinzkönig, und Uwe Hück, den Betriebsratsvorsitzenden von Porsche, bedrängt, ein Spitzenamt zu übernehmen. Doch keiner wollte, es blieb nur Ute Vogt.

Oettinger ist ein Gegner, wie man ihn sich wünscht

Seit sechzehn Monaten ist sie nun nicht mehr nur Landesvorsitzende sondern auch Fraktionschefin im Landtag. Sie hat einen vorsichtigen Umbruch in der Fraktion begonnen, ist nun nicht mehr in Berlin, aber präsenter wirkt sie dadurch nicht. Es gab keinen Neuanfang.

Dabei hat man mit Ministerpräsident Günther Oettinger einen Gegner, wie man ihn sich wünscht, der Panne an Panne reihte. Der CDU schadet das aber nicht wirklich, der Unmut ihrer Klientel würde eher zum Sturz Oettingers führen, wenn er so weitermacht, als dazu, sich der SPD und Ute Vogt zuzuwenden.

Nur wenige in der SPD glauben, dass diese Situation am Wochenende zu einem Sturz der einstigen Hoffnungsträgerin führen wird. Weil die Alternative zu Ute Vogt eben nur Ute Vogt heißen kann. Außer die Vorsitzende beschließt, ihre Schmerzgrenze zu senken.

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