Baden-Württemberg:Wie die AfD den SWR in Schwierigkeiten bringt

Landesparteitag der AfD-Baden-Württemberg

Pappkameraden: Die AfD macht dank der Flüchtlingskrise auch in Baden-Württemberg einen großen Sprung nach vorn.

(Foto: Christoph Schmidt/dpa)
  • Das Streitgespräch im SWR-Fernsehen zwischen Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) und Herausforderer Wolf (CDU) hatte ohne Sieger geendet.
  • Trotzdem gibt es einen Faktor, der ganz stark für Kretschmanns Ablösung spricht.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Guido Wolf, der Herausforderer, wirkte gelassen und mit sich im reinen. Immer wieder piesackte er zwar den Ministerpräsidenten, warf ihm Zögerlichkeit und Taktiererei vor, ließ ihn aber auch gewähren, als der allzu ausführlich über die Vorzüge der Geldkarte für Flüchtlinge in Baden-Württemberg referierte. Keine große Rede, die erklärte: Deshalb bin ich, Wolf, der bessere Regierungschef. Der CDU-Mann beließ es dabei zu zeigen: Ich, Wolf, bin schlagfertiger.

Die Menschen mögen Kretschmann, weil er Kretschmann ist

Sehr erstaunlich, denn die Debatte hätte Gelegenheit gegeben, Winfried Kretschmann frontal zu attackieren. In seinem Bemühen, den Staatsmann zu geben, verzichtete er auf jegliche Angriffe auf Wolf. Er verlor er sich manchmal in Details, wirkte stellenweise sogar nervös. Man weiß, er ist kein Medienprofi. Die Menschen mögen ihn, weil er, nun ja, Kretschmann ist. Authentisch, ein Mann mit Charisma.

So endete das Streitgespräch im SWR-Fernsehen ohne Sieger. Wenige Stunden zuvor hatten die beiden Kontrahenten von einer neuen Umfrage von infratest dimap erfahren: Im persönlichen Vergleich geben die Bürgerinnen und Bürger Winfried Kretschmann weiterhin den Vorzug, und zwar in einem Ausmaß, dass die Wahl am 13. März für Wolf eigentlich nicht zu gewinnen ist. Eigentlich.

Mehr als zwei Drittel der Menschen in Baden-Württemberg finden Kretschmann gut, im direkten Vergleich würden ihn 57 Prozent zum Ministerpräsidenten wählen, Wolf nur 17 Prozent. Mehr als 60 Prozent der Leute sind mit der Arbeit seiner Regierung zufrieden, und was verblüffend ist in diesem alten CDU-Land: 46 Prozent wünschen sich weiterhin eine von den Grünen geführte Regierung, nur 39 Prozent bevorzugen die CDU. Solche Werte sind in einem Landtags-Wahlkampf kaum zu drehen. Aber es gibt einen Faktor, der ganz stark für Wolf als neuen Ministerpräsidenten spricht. Die AfD.

Beflügelt von den Debatten um die Silvesternacht in Köln sind die Rechtspopulisten in Baden-Württemberg auf zehn Prozent geklettert. Die CDU sackte auf 35 Prozent, aber die SPD fiel auf 15, ein historisches Tief. Eine grün-rote Mehrheit wäre damit außer Reichweite, trotz der 28 Prozent für Kretschmann-Grün.

Der SWR muss entscheiden, ob die AfD zur Elefanten-Runde kurz vor der Wahl geladen werden soll

Jeder zehnte Wähler in diesem reichen, gefestigen Bundesland würde derzeit also einer Partei seine Stimme geben, die zwar von einem nach außen hin konzilianten Wirtschaftsprofessor (Jörg Meuthen) geführt wird, aber an maßgeblicher Stelle fragwürdige Politiker aufbietet. Flüchtlinge als "Eindringlinge, die unser System aussaugen". Obama als "Quotenneger". Der Koran als Schrift, die Ähnlichkeiten mit Hitlers "Mein Kampf" aufweise. Solche Sachen hört man in Baden-Württemberg von AfD-Leuten, und trotzdem: zehn Prozent. Für den Rest des Landes heißt das nichts Gutes.

Das SWR-Fernsehen muss nun entscheiden, ob die AfD zur sogenannten Elefanten-Runde kurz vor der Wahl geladen werden soll. Debattiert dann Jörg Meuthen mit Kretschmann, Wolf, Nils Schmid (SPD) und Hans-Ulrich Rülke (FDP)? Der Staatsvertrag verpflichte den Sender zu Objektivität und Unparteilichkeit, heißt es beim SWR, weswegen bei der Besetzung solcher Debattenrunden auch Umfrage-Ergebnisse zu berücksichtigen seien. Andernfalls fürchte man Klagen. Zehn Prozent sind nun ein gewichtiges Argument für die AfD, doch haben Kretschmann und Schmid schon angekündigt, sie würden weg bleiben, wenn Meuthen kommt. Sie wollten die AfD nicht noch aufwerten. Die Lage ist kompliziert.

Schon vor Monaten hatte sich der Sender Ärger eingehandelt, weil er alle drei Ministerpräsidenten-Anwärter zum Streitgespräch bitten wollte, also auch Nils Schmid, der sich noch Hoffnungen machte. Die Runde scheiterte am Protest von CDU und FDP. Um das Gesicht zu wahren, versteckte der Sender das Duell Kretschmann-Wolf nun in seiner Sendung "Zur Sache Baden-Württemberg!" Dort werden demnächst auch Schmid und Rülke zu Wort kommen. Über die Elefanten-Runde wollten die maßgeblichen SWR-Menschen ursprünglich an diesem Freitag entscheiden. Sie vertagten sich auf Dienstag.

Guido Wolf, der sich in der Flüchtlingsfrage "zwischen Merkel und Seehofer" verortet, hält nichts von einem Boykott. Er würde "auf die Kraft der besseren Argumente" setzen. Die Grünen werfen Wolf vor, er befeuere AfD-Themen, um sich den Weg an die Macht zu ebnen. Im Streitgespräch mit Kretschmann am Donnerstag unterstellte er dem Grünen, seine Politik der harten Hand sei nur Makulatur, und seine Partei zu freundlich zu Flüchtlingen.

Wie in so einer Atmosphäre "die Kraft der besseren Argumente" wirken soll in einer Asyldebatte mit der AfD? Vielleicht kommt der SWR bei seinen Überlegungen ja auf eine eigentlich ganz nahe liegende Lösung: Absage.

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