Baden-Württemberg:Silicon Ländle

Ministerpräsident Kretschmann war auf Bildungsreise in Kalifornien. Dort holte er sich Anregungen für ein künftiges Baden-Württemberg 4.0. Auch die CDU hat das Thema im Vorwahlkampf entdeckt.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Der Ministerpräsident ist immer noch hingerissen vom kalifornischen Spirit. In der Woche vor Pfingsten hat Winfried Kretschmann das Silicon Valley bereist, hat die digitalen Giganten Google und Apple besucht. Diesen "Gründergeist", diesen Mut, sich scheinbar unerreichbare Ziele zu setzen, wolle er ins Land Baden-Württemberg hineintragen, sagt Kretschmann. Die Welt verändern? Lasst es versuchen. Nun, nach der US-Reise und einer stürmisch bejubelten Bibelauslegung beim Evangelischen Kirchentag in Stuttgart, ist Kretschmann zurückgekehrt ins Alltagsgeschäft. Und auf seinem Schreibtisch liegt Post von Guido Wolf.

Der CDU-Fraktionschef und Spitzenkandidat für die Wahl 2016 bietet ihm eine Zusammenarbeit an, um den digitalen Wandel in Baden-Württemberg zu beschleunigen. "Regierung und Opposition zusammen mit Wissenschaft und Wirtschaft sollten zum Wohle des Landes und der Menschen alle Kräfte bündeln. Nur ein solcher Schulterschluss würde der Dimension dieser einzigartigen Herausforderung gerecht werden", schrieb Wolf. Ein vergiftetes Angebot. Einerseits geht es um die wirtschaftliche Zukunft des Landes. Anderseits um profanen Vorwahlkampf. Denn neun Monate vor der Landtagswahl ergibt so einen Allianz keinen großen Sinn mehr.

Herausforderer Wolf hat Mühe, sich im Land bekannt zu machen, jüngste Umfragen fielen ernüchternd aus. Deshalb tourt er unermüdlich durchs Land. Und um auf Augenhöhe mit Kretschmann zu kommen, schreibt er ihm Briefe. Während Kretschmann durch Kalifornien tourte, beglückwünschte ihn Wolf zum Geburtstag. Klingt nach netter Geste, war aber eher ein unfreundlicher Akt. Wolf verwies explizit auf den "67. Geburtstag", um das fortgeschrittene Alter des Amtsinhabers zum Thema zu machen. Zudem kündigte er an, zu Hause Unternehmen zu besuchen, die eine bessere Breitbandversorgung bräuchten. Motto: Während der Herr Ministerpräsident durch die Welt reist, kümmert sich der Herausforderer um die wahren Probleme.

Ob die beiden demnächst Reiseberichte austauschen, ist zu bezweifeln. "Regierung regiert, Opposition opponiert", sagte Kretschmann am Dienstag als Antwort auf Wolfs zweiten Brief. Vorschläge der CDU werde er sich gerne anhören, aber die Offensive, die Wolf anmahne, finde längst statt. Kretschmann hat im Herbst eine Regierungserklärung dazu gehalten, im Juli lädt die Regierung zum Kongress unter dem Motto "Heimat, Hightech, Highspeed". Die baden-württembergische Fortschreibung des CSU-Slogans "Laptop und Lederhose".

Es geht, mit Blick auf die Wahl, um wirtschaftliche Kompetenz. Wer bereitet das Land besser auf den nächsten digitalen Wandel vor, auf das Internet der Dinge, die Industrie 4.0? Für Baden-Württembergs Wirtschaft kann das nur gut sein.

Grün-Rot verweist darauf, man habe die Mittel für den Ausbau des Internets im Vergleich zur Vorgängerregierung verdreifacht, auf 31,7 Millionen Euro. Was die Breitbandversorgung betreffe, sei die Zahl der weißen Flecken von 700 auf 200 reduziert worden. Die CDU kontert, das reiche bei Weitem nicht aus. Kretschmann findet, Datensicherheit könne zu einer Kernkompetenz deutscher Unternehmen werden, die CDU kontert, grüner Datenschutz-Wahn hemme die Entwicklung. Als SPD-Kultusminister Andreas Stoch ankündigte, an weiterführenden Schulen das Fach Informatik in die "allgemeine Medienbildung" einzugliedern, protestierte die Opposition heftig. Kretschmann sagte am Dienstag, er werde mit seinem Minister demnächst darüber reden. Denn selbstverständlich bräuchten Baden-Württembergs Schüler Informatikkenntnisse.

So wird es weitergehen bis zur Wahl 2016. Und egal, wer danach regiert: Hinter das Versprechen, den digitalen Wandel zur Hauptaufgabe zu machen, kann keiner der Rivalen zurück.

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