Baden-Württemberg:Schwer beladen

MP Winfried Kretschmann und Nils Schmid

Die Rucksäcke von Ministerpräsident Kretschmann (Grüne, rechts) und seinem Stellvertreter Schmid (SPD) sind Symbol für ein Bündnis, das Bestand haben soll.

(Foto: Bernd Weißbrod/dpa)

Das Verhältnis zwischen Grünen und SPD ist nur noch von Pragmatismus geprägt. Dennoch wollen sie ihr Bündnis fortsetzen. Ist diese Festlegung klug?

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Sollte es schiefgehen am 13. März 2016, wird man vermutlich zurückkommen auf dieses Bild. Winfried Kretschmann und Nils Schmid Seite an Seite, der Grüne mit einem roten, der Rote mit einem grünen Rucksack. In den Rucksäcken Schokolade als Nervennahrung und ein Akkuschrauber zum Bohren dicker Bretter. Knapp ein Jahr vor der Landtagswahl haben sich Ministerpräsident Kretschmann und sein Stellvertreter Schmid symbolträchtig darauf festgelegt, ihr Bündnis über 2016 hinaus fortsetzen zu wollen. Sie posierten am Freitag im Haus der Architekten, wo sie 2011 den Koalitionsvertrag unterschrieben und damit den historischen Machtwechsel besiegelt hatten. Hinterher tagten die Parteivorstände zusammen. Mehr Gemeinsamkeit geht nicht.

Von einer "Liebesheirat" mit der SPD hatte Kretschmann 2011 gesprochen, den Begriff würde er jetzt nicht mehr verwenden. Mittlerweile, so sagte er am Freitag, fühle er sich wie in einer funktionierenden Wohngemeinschaft mit einem gemeinsamen, gut gefüllten Kühlschrank. Vom Pragmatismus lässt sich auch Partner Nils Schmid leiten. Er grenzt sich immer wieder recht brachial von der CDU ab, die er einen "Verein verbitterter alter Männer" nennt. Als Partner bleiben da nur die Grünen. Sollte die WG Winfried&Nils keine Mehrheit mehr bekommen, werden sie ihre Wahl-Rucksäcke unter Hohn und Spott entsorgen müssen - vermutlich werden die beiden dann auch selbst politisch entsorgt. Einen Ministerpräsidenten Kretschmann kann es nur mit der SPD geben, und ob Schmid eine Niederlage als Vorsitzender überlebt, erscheint zumindest fraglich. Ist also diese Festlegung, so früh vor der Wahl, wirklich klug?

In den Umfragen haben Grüne und Rote seit einiger Zeit keine Mehrheit mehr. Tatsache aber ist auch: Es gibt weiter keine Mehrheit gegen Grün-Rot, erstaunlich angesichts der über Jahrzehnte währenden Herrschaft der CDU. In einer neuen Umfrage von SWR und Stuttgarter Zeitung sind die Christdemokraten sogar gefallen: von 41 auf 38 Prozent. Minus drei Prozentpunkte, nachdem Guido Wolf als Spitzenkandidat nominiert worden war. Nur noch gemeinsam mit der FDP (5 Prozent) ist die CDU gleich stark wie Grüne (25) und SPD (18). Was aber noch erstaunlicher ist: Es lässt sich aus den Umfragen absolut keine Wechselstimmung herauslesen.

Grün-Rot hat in Umfragen keine Mehrheit - aber dafür wird Kretschmann immer beliebter

Obwohl die Regierung von der Schulreform bis zur Jagdreform alle Politikfelder durchpflügt hat, ist die Zufriedenheit mit der Regierungsarbeit auf einen Rekordwert gestiegen: 63 Prozent. Genau so viele Wähler, wie sich eine CDU-geführte Regierung wünschen, möchten mittlerweile eine von den Grünen geführte Regierung. Das hat natürlich vor allem mit dem Ministerpräsidenten zu tun. Der konnte, statistisch betrachtet, seine Beliebtheit noch einmal steigern und wird nun von 72 Prozent der Baden-Württemberger gut gefunden. Kretschmann macht die Landespolitik mit seiner präsidialen Amtsführung zur Ein-Mann-Show.

Spricht man im Hintergrund mit CDU-Leuten, stößt man deshalb auf viel Skepsis. Dieser Kretschmann-Bonus, verbunden mit der ebenfalls großen Popularität von Nils Schmid, werde sich kurz vor der Wahl erst so richtig auswirken, befürchten sie. Guido Wolf habe als Fraktionsvorsitzender kaum eine Chance, sich zu profilieren. Und die Regierung nutze geschickt die sprudelnden Steuer-Milliarden, um ihre offenen Flanken abzudichten. Vergangene Woche legte Grün-Rot einen Nachtragshaushalt im Volumen einer halben Milliarde Euro vor. Im Wahljahr wird der Finanzminister Nils Schmid dann eine Nullverschuldung vorweisen können.

In der SPD gibt es immer wieder Gegrummel, Schmid grenze sich zu wenig von den Grünen ab, setze zu wenig auf sozialdemokratische Themen. Ist es wirklich ratsam, sich bei der Reform der Erbschaftsteuer mit einer besonders unternehmerfreundlichen Position zu profilieren? Die 18 Prozent aus der neuesten Umfrage tun der Partei weh, verbunden mit den fünf Prozent für die Linke, deren Personal im Land kaum jemand kennt. Schmid verweist auf die Schwäche der Bundespartei. Und nur an der Seite der Grünen könne die Partei verhindern, dass die CDU das Land wieder zurück in die Vergangenheit führe.

Winfried Kretschmann hat sich vergangene Woche frohen Mutes wieder zum Direktkandidaten im Wahlkreis Nürtingen küren lassen. Er hat dabei die programmatischen Schwerpunkte von Grün und damit auch Rot skizziert: die ökologische Ausgestaltung der Wohlstandsgesellschaft und die Bildungsgerechtigkeit. Außerdem teilte er mit, in dem kleinen Saal der Nürtinger Stadthalle nehme er seit vielen Jahren am "Silvesterwiegen" teil, und er liege immer noch bei 95 bis 99 Kilo. Bestes Kampfgewicht also.

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