Baden-Württemberg: Grün-Rot nach dem Wahlsieg:Minister gesucht

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In Baden-Württemberg beginnt bei Grünen und SPD das Wer-wird-was-Spiel. Aber beiden Parteien fehlt es an profiliertem Personal. Die SPD-Ministerkandidaten kennt man nicht mal im eigenen Bundesland und bei den Grünen sind die Frauen knapp.

Bernd Dörries und Roman Deininger

Am späten Abend des großen Wahlsieges standen einige Grüne auf der Wahlparty im Stuttgarter Künstlerbund mit einem Bier in der Hand und überlegten, wie es nun weitergehe. Es werde schon auf "manchen Ebenen" diskutiert und sondiert, wer für welches Amt in Frage komme, sagte ein maßgeblicher Grüner. Noch an diesem Abend.

Die Landtagswahl in Baden-Württemberg haben Grüne und SPD glorreich gewonnen, doch es fehlt an profilierten Köpfen, die ministrabel wären. Die Grünen haben immerhin noch den bei den Bürgern beliebten Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer zu bieten, die designierten SPD-Minister kennt man jedoch oft nicht mal im eigenen Bundesland. (Foto: dpa)

Das klang nach formellen Zusammentreffen, mit Tagesordnung, Konferenztischen und Schnittchenplatte. Letztlich waren aber alle Akteure der Partei in dieser Nacht im Künstlerbund, hatten ein Getränk in der Hand und freuten sich doll. Die Grünen stehen noch ziemlich am Anfang ihrer Überlegungen, wie man das denn nun macht, das Regieren. Und vor allem mit wem.

Die Grünen müssen nun Ministerposten und Stellen in den Apparaten besetzen. In einem Maß, das die Partei auch überfordern könnte. Nun melden sich auch Leute aus Berlin mit Interesse an einem Regierungsposten, die die Landespolitik lange als zu popelig empfunden hatten. Wer Karriere in der Politik machen wollte, der versuchte es im Bund, so war das lange bei der SPD und den Grünen in Baden-Württemberg. Denn so richtig glaubte lange Zeit niemand, dass es einmal zum Regieren reichen könnte, nach mehr als fünfzig Jahren CDU. Es ist jetzt für beide Parteien ein schönes Gefühl, auch das Wer-wird-was-Spiel betreiben zu können.

Besetzung offen

Generell wird damit gerechnet, dass sich Grüne und SPD die Zahl der Ministerien gleichmäßig aufteilen werden. Jede Seite bekäme dann fünf Ministerien oder Staatsminister, die Grünen den Ministerpräsidenten. Es gibt nur wenige Namen in beiden Parteien, die wirklich als gesetzt gelten. SPD-Spitzenkandidat Nils Schmid wird Finanzminister, davon kann man ausgehen. Fraktionschef Claus Schmiedel könnte das Wirtschaftsministerium übernehmen.

Alle weiteren Besetzungen scheinen noch offen zu sein. Gabriele Warminski-Leitheußer, die Mannheimer Bürgermeisterin für Bildung, wird von manchen als Kultusministerin ins Spiel gebracht. Reinhold Gall, der innenpolitische Sprecher, könnte Innenminister werden. Das sind die Leute, denen man es bei der SPD zutraut, Minister werden zu können und mit dem Amt zu wachsen. Die meisten von ihnen sind selbst in Baden-Württemberg unbekannt, die SPD leidet hier in einem Maße an Nachwuchsmangel, dass Spötter schon behaupteten, der mittlerweile 84-jährige Erhard Eppler werde bald wieder die Partei übernehmen.

Etwas besser sieht es bei den Grünen aus, die auch einige Oberbürgermeister im Land stellen. Dieter Salomon aus Freiburg hat bereits abgesagt, was insofern glaubhaft ist, als er einmal sagte, dass man die Landespolitik "nur betrunken" ertragen könne. Anders ist die Lage beim Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer. Bei ihm schien eine führende Position in Berlin lange der nächste Karriereschritt zu sein. Doch viel ist dort derzeit nicht zu holen. Wenn Palmer will, kriegt er natürlich ein Ministerium und könnte sich dann als Verkehrsminister persönlich um die Verhinderung von Stuttgart 21 kümmern. Der Widerstand gegen das Großprojekt ist das Fundament seiner Karriere.

Bei den Grünen gilt es wie immer, einen Ausgleich der Geschlechter und Lager zu finden. Die Fraktion ist überwiegend realpolitisch eingestellt, weshalb zum Ausgleich der Fundi-Bundestagsabgeordnete Winfried Herrmann ins Gespräch gebracht wird. Auf der Wahlparty am Sonntag zeigte er sich natürlich auch, sonst hatte man ihn nicht so oft gesehen im Land. Mit Hermann könnte Alexander Bonde, Finanzfachmann aus Berlin, an den Neckar wechseln. Bei den Frauen hat Theresia Bauer, stellvertretende Fraktionschefin, gute Chancen auf ein Ministeramt, ansonsten werden die Frauen knapp.

Dass hat zur Folge, dass die gerade erst in den Landtag eingezogene Muhterem Aras schon als grüne Ministerin gehandelt wird, vielleicht in einem Ressort, das sich dann auch um Integration kümmert. Darüber wird nun verhandelt werden in den kommenden Tagen, vielleicht Wochen. Grüne und SPD haben natürlich damit rechnen können, an die Regierung zu kommen - vorbereitet haben sie wenig bis nichts. Es schien zu unreal zu sein nach 58 Jahren CDU.

Bei den Christdemokraten ist Stefan Mappus nun der Mann, der die selbsternannte Baden-Württemberg-Partei in die Opposition geführt hat. Am Montag kündigte er an, den Parteivorsitz abgeben zu wollen. Sein Landtagsmandat wolle er indes behalten. Er hatte das Direktmandat gewonnen.

Gönner und Hauk mit Ambitionen

Auf einem vorgezogenen Landesparteitag im Mai soll ein Nachfolger für den Vorsitz gewählt werden. Umweltministerin Tanja Gönner - eine enge Beraterin des Ministerpräsidenten und Vertraute von Kanzlerin Angela Merkel - traut sich zu, die Partei neu aufzustellen.

Am späten Montagabend nach der CDU-Vorstandssitzung in Stuttgart kündigte sie an, für den Partei- wie auch für den Fraktionsvorsitz kandidieren zu wollen. Damit macht sie freilich dem amtierenden Chef der CDU im Landtag den Posten streitig.

Peter Hauk, ein gelernter Förster, bestätigte nach der Sitzung am Montag ebenfalls seine Ambitionen für die Wahl an diesem Dienstag. Gönner gegen Hauk: das ist nicht nur eine Kampfabstimmung, sondern auch die Konfrontation der Erben von Mappus' beiden Vorgängern - des traditionellen Teufel-Flügels und des moderneren Oettinger-Flügels der CDU.

© SZ vom 29.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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