Baden-Württemberg:Erste grün-schwarze Koalition rückt näher

Es wäre ein Novum in der Geschichte der Länderregierungen: Die CDU-Fraktion stimmt für Verhandlungen über ein Bündnis, das der grüne Ministerpräsident Kretschmann führen soll.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Die CDU in Baden-Württemberg steuert auf ein Regierungsbündnis mit den Grünen unter Führung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann zu. Am Dienstag sprach sich die Landtagsfraktion einhellig für die Aufnahme förmlicher Koalitionsverhandlungen mit den Grünen aus, wie der Vorsitzende Guido Wolf mitteilte. Für den Abend wurde auch mit der Zustimmung von Vorstand und Präsidium gerechnet. Es bahne sich keine "Liebesheirat" an, sagte der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl, aber ein "von Vertrauen geprägtes Arbeitsverhältnis" zum Wohle des Landes. Er lobte Kretschmann als einen verlässlichen Partner.

An diesem Freitag könnten die offiziellen Koalitionsgespräche beginnen. Die Grünen wollen so zügig verhandeln, dass die Wahl des Ministerpräsidenten wie vorgesehen am 12. Mai stattfinden kann. Ob der Zeitplan einzuhalten ist, hängt vor allem von der CDU ab. Während bei den Grünen der Koalitionsvertrag von einem Parteitag gebilligt werden muss, erwägt die CDU-Führung einen Mitgliederentscheid. Denn seit der Landtagswahl am 13. März ist die Unruhe an der Basis groß. Nach wie vor gibt es Kritik an Guido Wolf, der als Spitzenkandidat das Ergebnis von 27 Prozent - ein historisches Tief, drei Prozentpunkte hinter den Grünen - zu verantworten hatte. Viele Mitglieder fürchten zudem um die Identität der Partei, falls sie sich in die Rolle des Juniorpartners der Grünen fügt.

Grün-Schwarz ist die letzte verbliebene Option zur Regierungsbildung in Baden-Württemberg. Die seit 2011 regierende grün-rote Koalition erhielt keine Mehrheit mehr, Dreier-Bündnisse scheiterten an Absagen von SPD und FDP. Von Neuwahlen würden Prognosen zufolge die Grünen, vor allem aber die AfD profitieren. Auch deshalb hat sich die CDU zu Gesprächen mit den Grünen bereit erklärt. In den bisherigen Gesprächen scheint es aber gelungen zu sein, Vertrauen aufzubauen.

Unumstritten ist zwischen Grünen und CDU, dass eine gemeinsame Regierung die Schuldenbremse einhalten und den Ausbau des Breitbandnetzes vorantreiben solle. Jede der beiden Parteien müsse ihren "Markenkern" im Koalitionsvertrag wiederfinden, sagte Ministerpräsident Kretschmann nach der letzten Sondierungsrunde am Dienstag. Für die Grünen reklamierte er den Klima- und Umweltschutz, ein ökologisch verträgliches Wirtschaftswachstum sowie die Energiewende. Bei dem Thema dürfte es in den Verhandlungen vor allem Streit über den Ausbau der Windenergie geben.

Thomas Strobl legte für die CDU den Schwerpunkt auf die innere Sicherheit; seine Partei fordert mehr Stellen und eine bessere Ausrüstung für die Polizei. Als schärfstes Konfliktfeld könnte sich in den Verhandlungen aber die Bildungspolitik erweisen. Die CDU lehnt bislang die von Grün-Rot eingeführten Gemeinschaftsschulen vehement ab und will keine neuen mehr genehmigen. Allerdings deutete Fraktions-Chef Wolf an, gerade ein grün-schwarzes Bündnis könne geeignet sein, einen "Schulfrieden" in Baden-Württemberg zu stiften.

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