Baden-Württemberg:Akten zum Ku-Klux-Klan? Müssen händisch gesucht werden

  • Der Verfassungsschutz hat dem NSU-Ausschuss Akten zu Aktivitäten des rassistischen Ku-Klux-Klan nicht vorgelegt, weil sie als nicht relevant eingeschätzt wurden.
  • Die Suche nach entsprechenden Akten wird durch fehlende Digitalisierung erschwert.
  • Das Innenministerium versäumte es, Nachforschungen zur Mitgliedschaft von Polizisten im Ku-Klux-Klan anzustellen.

Von Tanjev Schultz, Stuttgart

Die Präsidentin des Verfassungsschutzes in Baden-Württemberg, Beate Bube, ist vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags in Erklärungsnot geraten. Mehrere Abgeordnete kritisierten, dass der Verfassungsschutz zunächst nicht alle Akten über die Umtriebe des Ku-Klux-Klans vorgelegt habe. So etwas könne einen "Schatten auf die Behörde" werfen, sagte der CDU-Abgeordnete Matthias Pröfrock.

Bube beteuerte, die insgesamt etwa 20 Seiten umfassenden Unterlagen seien dem Ausschuss keineswegs bewusst vorenthalten worden. Man habe sie zunächst nicht für relevant gehalten. In den Akten ist unter anderem von einer Kreuzverbrennung die Rede, die im Sommer des Jahres 2000 bei einer Skinheadfeier erfolgt sein soll. Einer der Teilnehmer soll der Gründer einer Klan-Gruppe im Raum Schwäbisch-Hall gewesen sein, in der zeitweise auch mindestens zwei Polizisten Mitglied waren. Einer dieser Beamten war später der Truppführer der Polizistin Michèle Kiesewetter, die 2007 ermordet wurde. Die Tat wird dem NSU zugeschrieben. Eine Verbindung zum Ku-Klux-Klan sehen Ermittler bisher zwar nicht, der Ausschuss prüft aber entsprechende Hypothesen.

80 Prozent der Akten müssen von Hand durchsucht werden

Bube sagte, sie könne "nicht die Hand dafür ins Feuer legen", dass es womöglich noch vereinzelte weitere Aktenstücke im Landesamt für Verfassungsschutz gebe, in denen irgendein Bezug zum Ku-Klux-Klan auftauche. Bisher seien nur etwa 20 Prozent aller Akten im Landesamt digitalisiert erfasst und durchsuchbar. Alle weiteren Unterlagen müssten "händisch" durchsucht werden.

Zwar würden jetzt sämtliche Akten eingescannt, dies sei aber ein "Großprojekt". Man benötige noch etwas ein halbes Jahr dafür. Es müssten noch etwa 120 000 Aktenstücke eingescannt werden, und diese könnten mal zwei, mal 50 Seiten umfassen. Bube sagte, die Aufklärung nach Entdecken des NSU sei ein "Kraftakt" - auch emotional. Die Unterstellung, der Verfassungsschutz würde sein Wissen bewusst zurückhalten, sei "wirklich frustrierend".

Nachforschung zur Mitgliedschaft im Ku-Klux-Klan habe sich nicht "aufgedrängt"

Der Ausschuss hörte am Montag als weiteren Zeugen auch den Chef des baden-württembergischen Rechnungshofes, Max Munding. Er war früher Ministerialdirektor im Stuttgarter Innenministerium. In diesem Amt war er mit den Disziplinarverfahren gegen die beiden Polizisten befasst, die dem rassistischen Ku-Klux-Klan beigetreten waren. Die Verfahren zogen sich über Jahre hin, am Ende gab es nur eine Rüge beziehungsweise eine Missbilligung - und damit de facto keine echte Sanktion. Auf Mundings Schreibtisch landete angeblich nur im Jahr 2005 ein einziger Vermerk zu dem gesamten Vorgang.

Und offenbar hielt es der hochrangige Beamte nicht für nötig, dem Vorgang selbst nachzugehen, trotz der Brisanz, die eine Mitgliedschaft von Polizisten im Ku-Klux-Klan hat. Es habe sich nicht "aufgedrängt" nachzufragen, sagte Munding. Es habe sich ihm als "Einzelfall" dargestellt.

Vor dem Ausschuss schob Munding die Verantwortung auf den "unmittelbaren Dienstvorgesetzten" ab. Das sei nicht er gewesen. Zudem sei es um ein außerdienstliches Verhalten gegangen, das nicht strafrechtlich relevant gewesen sei. Die beiden Beamten seien auch nur recht kurze Zeit - ein paar Monate - im Klan aktiv gewesen.

Im NSU-Ausschuss zeigten sich mehrere Abgeordnete überrascht und empört, dass im Landesinnenministerium nicht mehr unternommen wurde, um dem Vorfall nachzugehen und ihn schärfer zu ahnden. Der Grünen-Politiker Jürgen Filius warf Munding vor, die politische Dimension des Falls nicht erkannt zu haben.

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