Autos:Aufbauhilfe an der Zapfsäule

Nirgendwo sonst in Europa ist Benzin so teuer wie in Italien. Das hat auch mit dessen Geschichte zu tun.

Von Oliver Meiler

Schon der Name - Autostrada del Sole. Von allen Autobahnen Europas, sieht man mal von der Autoroute du Soleil ab, klingt wohl keine verheißungsvoller als die A1: Mailand, Florenz, Rom, Neapel. Sie führt direkt zum Sommerurlaub in der Sonne Italiens. Bei Modena nimmt die A 1 die Reisenden der Autostrada del Brennero auf, der A 22. Dort kommen sie alle zusammen, die Südbegierigen aus dem Norden. Früher drehte man das Fenster runter und das Radio lauter, die Haare im warmen Wind.

Getrübt wird die Vorfreude immer dann, wenn man raus muss zum Tanken. Benzin ist nämlich nirgendwo in Europa so teuer wie an den italienischen Autobahnen. Unverschämt teuer ist es da. Bis zu 1,80 pro Liter. Die Differenz zum Ausland ist so groß, dass grenznahe Tankstellen, etwa in Frankreich, mit "der letzten Chance vor Italien" werben. Die Italiener leben mit dem Ärger das ganze Jahr. Periodisch aber flammt er auf, wie jetzt. Im Fernsehen wird wieder die Geschichte erzählt, warum ausgerechnet in Italien, wo viel Öl raffiniert wird, das Benzin so teuer ist. Es ist eine sehr italienische Geschichte.

Seitdem die Autobahnen privat sind, müssen die Ölgesellschaften für ihre Tankstellen Lizenzgebühren an die Straßenbetreiber entrichten, und die betragen etwa 13 Cent pro Liter Benzin. Für einen vollen Tank sind das mehr als sieben Euro - an den Zapfsäulen für die Selbstbedienung. Noch mehr kostet es, wenn man nicht selber tanken mag. Doch auch das ist nur ein Teil der Geschichte. Richtig teuer wird das Benzin durch eine Reihe von Abgaben, die der chronisch klamme italienische Staat zum Teil seit vielen Jahrzehnten erhebt, überall im Land. Es gibt eine detaillierte Liste, die bei aller Ernsthaftigkeit halb belustigend wirkt.

Über den Benzinpreis wird zum Beispiel der Krieg in Äthiopien nachfinanziert. Den hatte Mussolini geführt, 1935 bis 1936. 1,9 Lire pro Liter wurden dafür einmal festgelegt, und das blieb so, umgerechnet freilich. Auch die Aufbauhilfe nach der Überschwemmung von Florenz, 1966 war das, ist noch nicht abbezahlt: zehn Lire pro Liter dafür. Auf der Liste stehen Naturkatastrophen, Auslandseinsätze der italienischen Armee und der Kauf von umweltfreundlichen Autobussen, von denen man nur allzu gerne wüsste, wo sie zirkulieren. Dazu kommt die Mehrwertsteuer, 22 Prozent.

Dennoch sollte man es sich auf der Reise nicht nehmen lassen, die Autobahn zu verlassen. Raststätten können Erlebniswelten sein, manche jedenfalls, zum Beispiel in Fiorenzuola d' Arda oder in Bologna Cantagallo, beide auf der A 1. Autogrill setzt dort sein neues Gastronomiekonzept um, das kurioserweise einen französischen Namen trägt: Bistrot. Nur die besten Produkte aus der Region werden angeboten, als wäre es ein Markt, alles ausgewählt von Slow Food, der Organisation für bewusstes Essen. "Chilometro 0" sagen die Italiener: vom Feld, vom Käser, vom Wursthändler und kleinen Pastahersteller - direkt an die laute, vierspurige Straße.

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