Autoindustrie:Merkel: Diesel unverzichtbar für Klimaschutz

Die Kanzlerin warnt, ein Umstieg auf Benzinmotoren bringe die deutschen Einsparziele für Kohlendioxid in Gefahr. Deshalb werde sie "alle Kraft aufwenden", um Fahrverbote zu verhindern

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Bundestag

„Ich finde, wir haben gut auf Sie aufgepasst“, frotzelte SPD-Vizekanzler Sigmar Gabriel am Dienstag im Bundestag in Richtung der Kanzlerin.

(Foto: dpa)

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich im Streit um saubere Autos hinter die umstrittene Diesel-Technologie gestellt. Mit eindringlichen Worten verknüpfte sie die Zukunft des Dieselmotors mit den deutschen Klimazielen, betonte also die Umweltfreundlichkeit dieser Technik. "Gegen den Diesel vorzugehen, bedeutet auch, gegen CO₂-Ziele vorzugehen. Das darf nicht passieren", warnte sie am Dienstag im Bundestag.

Merkel hatte 2007 die europäischen Klimaziele maßgeblich durchgesetzt. Ihnen zufolge sollen bis 2020 mindestens zwanzig Prozent weniger klimaschädliche Treibhausgase im Verkehr ausgestoßen werden als 1990. Auch die Autobauer hatten sich verpflichtet, den Ausstoß zu senken. Volkswagen, Audi, BMW und Mercedes setzten dabei verstärkt auf Dieselfahrzeuge, die vergleichsweise weniger Kohlendioxid ausstoßen als Benziner. Bei einem massenhaften Umstieg von Diesel- auf Benzinautos würde wieder sehr viel mehr Kohlendioxid ausgestoßen. Merkels Warnung kommt vor dem Hintergrund einer aktuellen Entwicklung auf dem Automarkt: Der Verband der Automobilindustrie meldete am Dienstag, dass in Deutschland allein im August die Neuzulassung von Dieselautos um 14 Prozent zurückgegangen sei. Demnach lag der Anteil der Dieselfahrzeuge nur noch bei 37,7 Prozent - gegenüber mehr als 45 Prozent im Jahr zuvor.

Der Bundestag war am Dienstag zu seiner letzten Sitzung vor der Bundestagswahl zusammengekommen. Die CDU-Chefin, die um den Wiedereinzug ins Kanzleramt kämpft, nutzte die Debatte zu einem ungewöhnlich klaren Bekenntnis. Sie werde "alle Kraft verwenden", um Fahrverbote in Innenstädten zu verhindern, sagte sie. Weil die Luft in vielen deutschen Städten stärker als erlaubt mit gesundheitsschädlichem Stickoxid aus Diesel-Auspuffen belastet ist, drohen Autofahrern gerichtlich erzwungene Fahrverbote, falls Grenzwerte anders nicht einzuhalten sind. Um das zu verhindern, hat die Bundesregierung einen Fonds mit einer Milliarde Euro füllen lassen. Mit dem Geld sollen Kommunen unter anderem saubere Fahrzeuge bezahlen.

Merkel bezeichnete die Autoindustrie als "Säule der deutschen Wirtschaft". Sie biete 800 000 Arbeitsplätze. Es sei "eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe", der Branche jetzt zu helfen, saubere Dieselfahrzeuge und moderne Antriebe zu entwickeln. Die Bundesregierung müsse "dafür Sorge tragen, dass die Voraussetzungen für den Übergang in das digitale Zeitalter geschaffen würden". Der Verbrennungsmotor werde noch für Jahrzehnte gebraucht.

Mit Blick auf die Betrügereien rund um die Stickoxidmessungen bei Dieselautos und den Verdacht kartellmäßiger Absprachen zwischen Konzernen sagte Merkel, es seien "unverzeihliche Fehler" passiert. Aber es sei falsch, die ganze Industrie für die Fehler einiger haften zu lassen.

Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir warf Merkel "Krokodilstränen" vor. Jahrelang habe sie dem Treiben der Branche zugesehen. Er forderte die Industrie auf, den Diesel auf eigene Kosten sauber zu machen. Die Grünen wollen von 2030 an keine neuen Autos mit Verbrennungsmotoren mehr zulassen.

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