Autobomben in London:Anschlagsgefahr war offenbar bekannt

Die vereitelten Anschläge in London kamen wohl nicht ganz unerwartet. Sicherheitsleute sollen britische Nachtclubs bereits Tage zuvor gewarnt haben.

Nach einem Bericht der Zeitung The Times sind Nachtclubs in Großbritannien einige Tage vor der Entdeckung der Autobomben vor Terroranschlägen mit Fahrzeugen gewarnt worden. Ein mehr als 50 Seiten umfassendes Dokument, das Geschäftsleute auf die Gefahr von Autobomben hinweise, sei vor zwei Wochen von den Sicherheitskräften herausgegeben worden, berichtete die Zeitung.

Vor einigen Tagen sei die Warnung unter anderem auch dem Club "Tiger Tiger" zugestellt worden, vor dem in der Nacht zum Freitag eines der beiden Autos mit Sprengsätzen aus Benzin- und Gaskanister sowie Nägeln entdeckt worden war.

Nach Angaben der Zeitung hatte Scotland-Yard-Chef Sir Ian Blair erst kürzlich erklärt, in Personen- und Lastwagen versteckte Bomben seien derzeit für Großbritannien "die größte Gefahr".

Islamische Extremisten haben nach Zeitungsangaben im Internet einen Anschlag in der britischen Hauptstadt angekündigt. Dabei sei auch auf die Empörung unter Muslimen über die kürzliche Bekanntgabe der Erhebung des islamkritischen Autors Salman Rushdie in den Ritterstand hingewiesen worden, berichtete die Times.

"Freut Euch, London soll bombardiert werden"

Den Angaben zufolge, die von der Polizei bislang nicht bestätigt wurden, hieß es in dem Internet-Diskussionsforum al-Hesbah "Heute sage ich: Freut Euch, bei Allah, London soll bombardiert werden."

Zugleich sei darauf verwiesen worden, dass der als Chef des Terrornetzwerkes geltende Osama bin Laden Großbritannien gedroht habe "und diese Drohung wahr gemacht hat". Die Mitteilung sei von jemandem eingestellt worden, der sich Abu Osama al-Hazeen nannte.

Norwegische Sicherheitsexperten, die auf die Beobachtung islamischer Internetseiten spezialisiert sind, hätten das Forum al-Hesbah als "wichtige Plattform" für militante Gruppen eingeschätzt. Britische Sicherheitsexperten sagten dem Sender BBC, die geplanten Autobombenanschläge hätten die Handschrift der Terrororganisation al-Qaida erkennen lassen.

Der Londoner Bürgermeister warnte im Zusammenhang mit den Anschlägen vor einer allgemeinen "Verteufelung" von Muslimen. Nur eine "winzige Minderheit" der britischen Muslime sei dem Terrorismus zugeneigt, sagte Ken Livingstone. Die große Mehrheit sei sogar überdurchschnittlich gesetzestreu.

Der politisch links stehende Livingstone warf der Königsfamilie Saudi-Arabiens vor, den islamischen Extremismus anzufachen, indem es eine extreme und intolerante Richtung des Islams auch in Großbritannien fördere. Britische Regierungen hätten es versäumt, dagegen vorzugehen.

"Kristallklare Aufnahmen"

Derweil berichtete der US-Fernsehsender ABC unter Berufung auf Sicherheitskreise, Attentäter hätten vergeblich versucht, die beiden Autobomben im Zentrum Londons durch Mobiltelefonzünder zur Explosion zu bringen. In den Autos zurückgelassene Handys seien jeweils zwei Mal angerufen worden.

Zudem hätten die Ermittler inzwischen durch die Auswertung von Beobachtungskameras "kristallklare Aufnahmen" eines Mannes, der das erste Bombenfahrzeug in der Nacht zum Freitag unweit des Piccadilly Circus abgestellt und dann verlassen habe.

Der Wagen sei im Juni gestohlen worden und in den letzten Tagen in Schottland sowie in Birmingham gesehen worden. Scotland Yard verweigerte zu diesen Medienberichten jeden Kommentar und verwies auf die laufenden Ermittlungen.

Die britische Polizei hat unterdessen die Terroristen-Fahndung intensiviert. In die Ermittlungen seien inzwischen auch andere Länder eingeschaltet worden, hieß es bei der BBC. Von dem Sender befragte Sicherheitsexperten erklärten, die geplanten Autobombenanschläge hätten die Handschrift der Terrororganisation al-Qaida erkennen lassen.

An den beiden Fahrzeugen sowie den am Freitag unschädlich gemachten Sprengsätzen aus Benzin, Nägeln und Gaskanistern seien zahlreiche Spuren gesichert worden.

Intensive Fahndung

Derweil normalisierte sich das Leben in London am Samstag weiter. Straßenabsperrungen wurden aufgehoben und der U-Bahn-Verkehr lief normal. Die Polizei kündigte eine Überprüfung der Sicherheitsvorkehrungen für geplante Großereignisse am Wochenende an.

Dazu gehören das Tennisturnier in Wimbledon, eine Parade von Schwulen und Lesben sowie das am Sonntag geplante Popkonzert zum Gedenken an die vor zehn Jahren gestorbene Prinzessin Diana. Dazu werden im Wembley-Stadion Zehntausende von Menschen erwartet.

Der Bürgermeister der Millionenmetropole sagte, die Straßen Londons seien nach der Entdeckung der Autobomben wieder "völlig sicher". Er selbst werde am Wochenende an der Parade von Schwulen und Lesben teilnehmen, sagte Livingstone.

Die neue britische Innenministerin Jacqui Smith setzte für Samstag eine weitere Beratung der Notfall-Kommission COBRA an. Die Autobomben waren am Freitag nur zwei Tage nach dem Amtsantritt des neuen Premierministers Gordon Brown eher zufällig entdeckt worden.

Die Autos mit den Sprengkörpern, die nach Angaben von Scotland Yard hunderte Menschen hätten töten können, waren unweit des Piccadilly Circus sowie des Hyde Parks entdeckt worden.

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