Autobahnen:Letzte Ausfahrt Bundesbesitz

Wieder eine Niederlage für den Finanzminister: Die geplante Autobahngesellschaft soll nun doch ohne private Investoren auskommen. Was die Entscheidung für den Deal mit den Ländern bedeutet.

Von Markus Balser und Cerstin Gammelin, Berlin

Es war der Anruf aus dem Kanzleramt, der die Entscheidung brachte im Streit dreier Bundesminister um die Privatisierung der Autobahngesellschaft. Zwar stand es da schon zwei zu eins - gegen den Bundesfinanzminister. Aber Wolfgang Schäuble (CDU) rückte am Mittwochabend erst nach dem Telefonat von seinem Plan ab, wenigstens die Möglichkeit offenzulassen, private Geldgeber an der Gesellschaft beteiligen zu können. Alexander Dobrindt (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) setzten sich durch. Sie hatten darauf bestanden, dass die neu zu gründende Infrastrukturgesellschaft, die sich um Planung, Bau und Betrieb kümmern soll, "im unveräußerlichen Eigentum des Bundes" bleiben soll. Genauso steht es jetzt im Entwurf zur Änderung des Grundgesetzes, der an diesem Freitag von den Ressorts der Bundesregierung bestätigt werden soll. Damit verbleiben sowohl die Autobahnen an sich als auch die Gesellschaft, die sich um den Erhalt und Ausbau kümmert, im Eigentum des Staates.

Für Schäuble ist dieser Beschluss eine weitere politische Niederlage. Zuletzt hatte er im Streit um die Erbschaftsteuer, aber auch um die Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern seine ursprünglichen Pläne aufgeben müssen. Dass er sich auch bei der Privatisierung der Autobahngesellschaft nicht durchsetzen konnte, ist besonders bitter. Denn ursprünglich hatte er den Bundesländern die Übergabe der Autobahnen in die Verwaltung des Bundes als Zugeständnis für seine Bereitschaft abgerungen, ab 2020 jährlich 9,5 Milliarden Euro in den Länderfinanzausgleich zu überweisen. Jetzt läuft alles darauf hinaus, dass die Länderchefs beides bekommen - die Milliarden aus dem Länderfinanzausgleich und ihren Willen bei den Autobahnen.

Die endgültige Einigung soll ein weiterer Bund-Länder-Gipfel mit Kanzlerin Angela Merkel bringen, der für den 8. Dezember im Kanzleramt geplant ist. Dann soll ein ganzes Paket von Vorhaben gebilligt werden. Denn die Autobahngesellschaft ist nur eines der Zugeständnisse. Der Bund hatte auf einem Bund-Länder-Gipfel Mitte Oktober noch weitere als Gegenleistung für die Milliardenzahlungen gefordert. Zwar hatten die Ministerpräsidenten damals grundsätzlich zugestimmt, inzwischen aber wird wieder um Details und Grundsätzliches gestritten.

Unterhaltsvorschuss

Das Bundeskabinett hat beschlossen, alleinerziehende Mütter oder Väter besser für den Fall abzusichern, dass der andere Elternteil Unterhalt für das gemeinsame Kind verweigert. Die Regierung will beim Unterhaltsvorschuss die Begrenzung der Bezugsdauer auf sechs Jahre abschaffen und die Altersgrenze von zwölf auf 18 Jahre erhöhen. Der Staat lässt sich diese Leistungen in der Regel vom unterhaltspflichtigen Elternteil erstatten. Bisher kommen sie 440 000 Kindern in Deutschland zugute, künftig sollen mindestens 260 000 Kinder zusätzlich profitieren. Die neue Regelung sollte am 1. Januar 2017 in Kraft treten. Weil aber weder geklärt ist, wer die Kosten für den Vorschuss erstattet und wie das Geld von den säumigen Eltern eingetrieben werden soll, noch die praktische Umsetzbarkeit in den Kommunalverwaltungen gesichert ist, erwartet die Union, dass die neue Regelung sich verspäten wird und erst ab 1. Juli 2017 greift.

Durchgriffsrecht des Bundes

Der Bund will künftig nicht nur Geld an die Länder und Kommunen überweisen, sondern auch steuern, wie es eingesetzt wird. Bisher darf der Bund zwar Gebäude wie beispielsweise Schulen wärmedämmen oder Flüsterasphalt auf Straßen aufbringen. Er darf sich aber nicht direkt an Schulsanierungen beteiligen oder Straßen bauen. Das soll geändert werden. Der Bund will künftig mitbestimmen, wofür das Geld verwendet wird und darüber hinaus prüfen dürfen, ob es tatsächlich zweckbestimmt verwendet wurde. Zudem will der Bund besonders finanzschwachen Kommunen und Gemeindeverbänden Zuschüsse überweisen, die zum Bau und der Sanierung von Schulen und Sporthallen verwendet werden. Künftig darf also auch die marode Schultoilette mit Geld vom Bund saniert werden.

Sanierungshilfen

Im Grundgesetz festgeschrieben werden die Sanierungshilfen des Bundes für das Saarland und Bremen. Strittig ist, ob die Hilfen befristet oder unbefristet gewährt werden sollen.

Infrastrukturgesellschaft

Die geplante Fernstraßengesellschaft soll ihre Arbeit dem Entwurf zufolge bereits in gut vier Jahren aufnehmen. Anfang 2021 soll sie als GmbH starten und in Staatseigentum stehen. Sie soll künftig den Bau, die Planung und den Betrieb von Autobahnen und großen Bundesstraßen übernehmen, den bislang die Länder verantwortet haben. Die Kosten für den Aufbau der Gesellschaft beziffert der Bund für die Jahre 2017 bis 2020 mit 41 Millionen Euro. Mit einer zentralen Steuerung soll die oftmals marode deutsche Infrastruktur schneller saniert werden. So sehen es die Pläne von Verkehrsminister Dobrindt vor. Anders als Kritiker behaupten, wird die Gesellschaft keine Kreditermächtigung erhalten - damit wird kein Schattenhaushalt entstehen. Die Einnahmen speisen sich aus Zuweisungen aus dem Haushalt des Verkehrsministeriums - und aus Mauteinnahmen. Drei Jahre nach dem Start besteht dann die Möglichkeit, die GmbH in eine Aktiengesellschaft zu verwandeln. Diese könnte dann allerdings auch Kredite aufnehmen.

Die Bundesregierung hatte sich erst am Mittwoch in Gesprächen auf Ministerebene darauf geeinigt, die umstrittene Privatisierung per Gesetz zu unterbinden. Noch am Abend verschickte das Finanzministerium auch einen entsprechenden Entwurf innerhalb der Bundesregierung und an die Bundesländer. Der enthält den Passus, der für neue Diskussionen sorgen könnte: 2021 wird der Bund "die Rechtsform der Gesellschaft evaluieren und überprüfen". Damit wäre die baldige Umwandlung in eine Aktiengesellschaft möglich. Der Gesetzentwurf macht auch deutlich, dass neben der Infrastrukturgesellschaft eine weitere Behörde mit einem eigenen Präsidenten entstehen soll: Das Fernstraßen-Bundesamt. Es soll nach Angaben aus Regierungskreisen die hoheitlichen Aufgaben beim Straßenbau übernehmen, etwa die Planfeststellung. Das deutsche Fernstraßennetz ist eines der dichtesten in Europa. Die knapp 13 000 Kilometer langen Bundesautobahnen sind das Rückgrat der Verkehrsinfrastruktur. Ihr Wert liegt bei 240 bis 270 Milliarden Euro. Bereits am Donnerstag berieten die Staatskanzlei-Chefs der Länder die überarbeiteten Pläne mit Kanzleramtschef Peter Altmaier. Es seien nur noch Details offen, hieß es danach. Ziel der Verhandlungen ist eine Verabschiedung des Pakets vor der Bundestagswahl 2017. Weil auch das Grundgesetz geändert wird, müssen Bundestag und Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit zustimmen.

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