Auszüge aus internem Nazi-Forum:Gewaltbereite Kameraden wollen NPD radikalisieren

"Wir sind ja alle Nationalsozialisten": Ein internes Neonazi-Forum belegt, wie eng die militanten Kameradschaften mit der NPD kooperieren. In den Beiträgen huldigen die braunen Kameraden Adolf Hitler, besprechen Gewaltaktionen und wollen die Jugendorganisation der NPD mit massenhaften Eintritten unterwandern. Für den sächsischen Fraktionschef Holger Apfel kommt die Veröffentlichung zur Unzeit.

Schon wieder bringt ein Nazi-Leak die NPD in Bedrängnis: Nur wenige Tage vor dem geplanten Bundesparteitag belegen Beiträge aus einem internen Forum, wie eng die militante Kameradschaftsszene mit der NPD vernetzt ist. Die taz und der Störungsmelder der Zeit zitieren aus Beiträgen, in denen sich die Kameraden freimütig als Nationalsozialisten bekennen, Adolf Hitler huldigen und militante Vorhaben besprechen.

Voigt leader of far-right German NPD applauds as he stands beside Apfel in the village of Mehlteuer Germany

Der bisherige NPD-Vorsitzende Udo Voigt zusammen mit seinem politischen Ziehsohn Holger Apfel im Jahr 2005: Auf dem kommenden Bundesparteitag werden sich die beiden voraussichtlich einen Machtkampf um den Bundesvorsitz liefern.

(Foto: REUTERS)

Bei den Beiträgen, die den Medien über einen Aussteiger zugespielt worden seien, handelt es sich um Einträge in ein Forum, auf das nur führende Kader des "Freien Netzes" Zugriff hatten. Die Auszüge stammen aus dem Jahr 2009. Die Kameraden fühlten sich offenbar so sicher, dass sie darin keinen Hehl aus ihrer braunen Gesinnung machen. Sie geben offen zu, dass die NPD für sie "lediglich Werkzeug im politischen Kampf" sei, zitiert der Störungsmelder aus einem Eintrag. Die Jugendorganisation JN wollen die Kameraden noch weiter "in Richtung NS-Ersatzorganisation" ausrichten. Mit massenhaften Eintritten wolle man die Partei noch weiter radikalisieren, kündigen sie an. "Wir sind ja alle Nationalsozialisten", soll ein führendes JN-Mitglied geschrieben haben.

Zudem finden sich in den Einträgen den Berichten zufolge offene Aufrufe zur Gewalt. So habe man sich vor dem jährlichen Naziaufmarsch in Dresden überlegt, "eine Polizeiwache anzugreifen und abzufackeln". An anderer Stelle wird diskutiert, wie sie verhassten Gegnern wie den Antifa-Gruppen schaden könnten.

Bei dem "Freien Netz" handelt es sich um einen lockeren Zusammenschluss mehrerer Kameradschaften im Osten der Bundesrepublik. Experten schätzen das Mobilisierungspotential als sehr hoch ein. Die Verfassungsschützer des Freistaats Sachsens hingegen stufen das "Freie Netz" lediglich als Internetplattform ein, das dem Austausch von Neonazis im Osten diene. Das Portal fungiere "im Wesentlichen als Schaufenster in die Szene".

Im Störungsmelder fordert der Politikwissenschaftler Hajo Funke von der Freien Universität Berlin, dass die Ermittlungsbehörden prüfen, ob es sich bei dem "Freien Netz" um eine kriminelle Vereinigung handelt. In dessen Umfeld habe sich eine "halbklandestine neonazistische Organisation" entwickelt, die zu brutalster Gewalt fähig sei, aber gleichzeitig taktisch und strategisch gut koordiniert vorgehe, so der Rechtsextremismus-Experte weiter.

Das jüngste Nazi-Leak kommt für die rechtsextreme NPD zur Unzeit: Am kommenden Wochenende will sie ihren Bundesparteitag abhalten. Aller Voraussicht nach dürfte sich dort der bisherige Vorsitzende Udo Voigt mit dem sächsischen Fraktionschef Holger Apfel einen Machtkampf um den Parteivorsitz liefern. Apfel verpasst seiner Fraktion gerne nach außen hin einen bürgerlichen Anstrich und fühlt sich in dieser Strategie durch den Wiedereinzug in den Dresdner Landtag in diesem Jahr bestätigt.

Nach außen moderat, nach innen radikal

Doch belegen dem taz-Bericht zufolge die Foren-Einträge, wie eng Apfels Fraktion mit den militanten Kameraden verbunden ist: Ein Fraktionsmitarbeiter im Dresdner Landtag soll nach Informationen der Zeitung regelmäßig in dem geschlossenen Bereich Beiträge gepostet haben. Apfel hatte erst kürzlich in einem Interview die "konstruktive Basis der Zusammenarbeit" mit dem Aktivisten gelobt.

Noch aber ist die NPD auf der Suche nach einem Veranstaltungsort: Nach einem Bericht des Tagesspiegels will sie ihren Bundesparteitag wohl im brandenburgischen Neuruppin abhalten. Die Stadtverwaltung habe bestätigt, dass die Partei das "Kulturhaus Stadtgarten" mieten wolle. Auf ihrer Homepage teilt die Partei mit, dass man derzeit auf den "Ausgang von drei Klagen um öffentliche Räume in Zell-Weierbach, Neuruppin und Bochum-Wattenscheid" warte.

Mitte Oktober musste sie ihren Parteitag schon einmal verschieben, weil das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt die Veranstaltung in der Anhalt-Arena in Dessau-Roßlau untersagt hatte. Sollte sie nun erneut mit der Suche nach einem Veranstaltungsort scheitern, werde man in einem privaten Saal einen "Notparteitag" abhalten, sagte Parteichef Udo Voigt der Zeitung. "Ich lehne es mit Entschiedenheit ab, einen Bundesparteitag auf einer grünen Wiese in einem Zelt zu veranstalten", poltert Voigt in der aktuellen Mitteilung.

Der NPD-Chef hatte sich vor kurzem mit einem Beschwerdebrief an Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) gewandt, wonach es der Partei angesichts dieser Situation nicht möglich sei, ihrer Verpflichtung nachzukommen, einen Parteitag abzuhalten. Inzwischen ist die Antwort aus Lammerts Büro da: Für die Raumsuche seien die Parteien schon selbst zuständig, heißt es darin lapidar.

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