Austrittsverhandlungen:Einen Brexit "à la carte" wird es nicht geben

Austrittsverhandlungen: Schwerer Gang: Die britische Premierministerin Theresa May vergangene Woche in Brüssel.

Schwerer Gang: Die britische Premierministerin Theresa May vergangene Woche in Brüssel.

(Foto: AFP)
  • Der EU-Chefunterhändler Michel Barnier hat das nächste Verhandlungsmandat zum Brexit vorgestellt.
  • Darin geht es um die von Premierministerin May geforderte Übergangsfrist - die nach Ansicht der Europäischen Union kürzer ausfallen soll als von den Briten gefordert.
  • Barnier stellte zudem klar, dass es die von London gewünschte Übergangsphase nur gebe, wenn der Austritt geordnet ablaufe.

Von Cathrin Kahlweit, London, und Alexander Mühlauer, Brüssel

Glaubt man Michel Barnier, funktioniert der Brexit nach einem einfachen Prinzip: "Das Vereinigte Königreich sagt, was es will, und wir ziehen daraus die Konsequenzen." Doch ganz so leicht ist es natürlich nicht. Und deshalb hat der EU-Chefunterhändler einen genauen Fahrplan entworfen für das, was nun kommen soll. Am Mittwoch stellte Barnier daher das nächste Verhandlungsmandat vor, dem die EU-Staaten Ende Januar zustimmen sollen. Darin geht es um die von der britischen Premierministerin Theresa May geforderte Übergangsfrist nach dem EU-Austritt Großbritanniens am 29. März 2019. Diese sei auch nötig, sagte Barnier, schließlich wolle man einen geordneten Brexit und kein Chaos.

Während der Übergangszeit pocht die EU darauf, dass Großbritannien die Pflichten einer EU-Mitgliedschaft weiter erfüllt. Alle Gesetze, die innerhalb dieser Frist neu erlassen werden, sollen damit auch für Großbritannien gelten. Es werde "keinen Übergang à la carte" geben, sagte Barnier. Mit dem Austrittsdatum dürfe das Königreich auch nicht mehr an Sitzungen der europäischen Institutionen teilnehmen. May hatte bislang von einer Übergangszeit von rund zwei Jahren gesprochen. Der EU wäre es am liebsten, wenn diese am 31. Dezember 2020 enden würde, denn bis dahin bezahlt Großbritannien ohnehin noch alle Rechnungen der Gemeinschaft.

Barnier stellte außerdem klar, dass es die von London gewünschte Übergangsphase nur gebe, wenn der Austritt geordnet ablaufe. Das bedeutet, dass die Bedingungen bis spätestens Oktober 2018 ausgehandelt sein müssten. Die Staats- und Regierungschefs der EU wollten bis dahin auch wissen, wie der Rahmen der künftigen Beziehung aussehen könnte. Dafür gebe es verschiedene Modelle. Nach allen roten Linien, die London bislang gezogen hat, bleibt eigentlich nur ein Freihandelsabkommen à la Kanada oder Japan - beide schließen die für die Briten so wichtigen Finanzdienstleistungen nicht mit ein. Die Verhandlungen darüber sollen nach dem EU-Gipfel im März beginnen.

Barnier fordert "politische Erklärung"

Zusätzlich zum Austrittsabkommen soll es eine "politische Erklärung" geben, die so präzise wie möglich ausfallen soll, damit, wie Barnier sagte, "alle wissen, wo die Reise hingeht". Aus seiner Sicht müsste eine solche Erklärung die wichtigsten Punkte der künftigen Beziehung beinhalten - also das Freihandelsabkommen, die Zusammenarbeit im Luftverkehr, in der Justiz sowie in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Am Ende sagte Barnier dann noch, was er immer sagt: "Die Zeit drängt."

In London drängt die Zeit auch - nicht nur, weil Premierministerin Theresa May am Donnerstag nach Polen aufbricht und Außenminister Boris Johnson am Freitag nach Moskau. Beides sind keine ganz einfachen Termine. Vor den Weihnachtstagen soll vor allem auch die Parlamentsdebatte über die Withdrawal Bill abgeschlossen sein, mit der EU-Recht in britisches Recht übertragen wird. Vergangene Woche hatten aufmüpfige Tory-Abgeordnete ihrer Parteiführung bei einer Teilabstimmung eine schwere Niederlage beigebracht, indem sie ein Votum des Parlaments über den finalen Brexit-Deal erzwangen.

Am Mittwochabend nun sollte, wäre es nach May gegangen, bei der letzten Abstimmung über das Mammut-Gesetz auch ein konkreter Ausstiegstag samt Uhrzeit festgelegt werden: 29. März 2019, 23.59 Uhr. Weil das nicht durchsetzbar war, wurde nun ein Kompromiss formuliert: Es gibt ein konkretes Datum, um die Brexit-Fans zu beruhigen, aber die Abgeordneten können es verschieben. May selbst sagte am Mittwoch im Parlament, eine Verschiebung des Austrittsdatums sei nur unter "außergewöhnlichen Umständen für eine kurze Zeit" vorstellbar.

Johnson arbeitet an einem Essay zur künftigen Rolle Großbritaniens

Das Kabinett hatte sich zu Wochenbeginn auch zwei Mal getroffen, um über den Fahrplan zu einem Handelsabkommen mit der EU zu sprechen. Heraus kam Insidern zufolge, dass die überwiegende Zahl der Minister eine maßgeschneiderte Lösung will, keinen Verbleib im Binnenmarkt. Dazu aber sagt Brüssel erst einmal kategorisch Nein: kein cherry picking für London. So ist am Jahresende vieles wie zu Jahresbeginn: Einigkeit über das Erreichte in Phase 1 (Geld, EU-Bürgerrechte, Irlandfrage), aber Uneinigkeit über Phase 2.

Boris Johnson hat angedeutet, er arbeite an einem Essay zur künftigen Rolle Großbritanniens; das Königreich dürfe kein "Vasallenstaat" der EU bleiben. May arbeitet an einer dritten großen Brexit-Rede, in der sie ihre Ideen für die künftigen Beziehungen mit der EU darlegen will. Zur zeitlichen Befristung für die Übergangsphase, die Barnier anregt, sagte ein May-Sprecher trocken, das sei "eine Verhandlungsbasis".

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