Australien:Eine Staatsbürgerschaft zu viel

Abgeordnete dürfen keine zweite Staatsangehörigkeit haben. Das wird der Regierung um Malcolm Turnbull nun zum Verhängnis: Der Stellvertreter des Premiers verliert sein Mandat, die Regierung ihre Mehrheit.

In Australien hat die rechtsliberale Regierung von Premierminister Malcolm Turnbull ihre Ein-Stimmen-Mehrheit im Parlament verloren. Das oberste Gericht, der High Court, erkannte am Freitag in Canberra dem stellvertretenden Regierungschef Barnaby Joyce sein Abgeordnetenmandat ab. Grund dafür ist, dass der 50-Jährige bei der Wahl im vergangenen Jahr auch die neuseeländische Staatsbürgerschaft besaß. Nach der australischen Verfassung ist eine doppelte Staatsbürgerschaft jedoch unvereinbar mit einem Sitz im Parlament.

Damit ist die Mehrheit von Turnbulls rechtsliberaler Koalition im Repräsentantenhaus dahin. Jetzt kommt es auf die Nachwahl in Joyces Wahlkreis an, die am 2. Dezember stattfindet. Der bisherige Vizepremier kann dabei wieder antreten, weil er inzwischen auf seine neuseeländische Staatsbürgerschaft verzichtet hat. Allerdings hat ein unabhängiger Gegenkandidat gute Chancen auf das Mandat.

Der Fall des Vizeregierungschefs war nicht der einzige, mit dem sich der High Court zu befassen hatte: Das Gericht entschied auch noch in vier weiteren Fällen, dass Abgeordnetenmandate wegen doppelten Staatsbürgerschaften zurückgegeben werden müssen. Dabei ging es jedoch nicht um Plätze im Repräsentantenhaus, sondern in der zweiten Parlamentskammer, im Senat.

Turnbull ist seit September 2015 Premierminister in Australien. Er regiert mit einer Koalition aus konservativer National Party und Liberalen. Im Repräsentantenhaus hatte sie bisher 76 von 150 Sitzen. Turnbull kündigte an, die Arbeit wie gewohnt fortführen zu wollen. "Die heutige Entscheidung ist sicher nicht das Ergebnis, auf das wir gehofft hatten", sagte er. "Aber das Regierungsgeschäft geht weiter." Der bisherige Vizepremier Joyce ist gebürtiger Australier. Zudem ist er aber auch Neuseeländer, weil die Staatsangehörigkeit seines neuseeländischen Vaters automatisch auf ihn vererbt wurde. Vor Gericht hatte er argumentiert, dass ihm seine neuseeländische Staatsbürgerschaft nicht bekannt gewesen sei - jedoch ohne Erfolg. Hintergrund der Regelung ist, dass Abgeordnete in Australien nicht in Interessenkonflikte geraten sollen, weil sie auch Bürger eines anderen Landes sind.

Australien ist ein klassisches Einwanderungsland. Von den annähernd 25 Millionen Einwohnern ist jeder zweite im Ausland geboren oder hat mindestens ein Elternteil, das im Ausland geboren wurde. Die meisten haben europäische Wurzeln. Inzwischen nimmt aber der Bevölkerungsanteil von asiatisch-stämmigen Einwanderern stetig zu.

Der Posten des Vizepremiers soll bis zur Nachwahl nicht nachbesetzt werden. Wenn Turnbull im Ausland ist, soll Außenministerin Julie Bishop die Geschäfte führen. Zudem übernahm der Premierminister auch das Landwirtschaftsministerium, das Joyce bislang innehatte.

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