Aussperren statt Eingliedern:Berliner Mauer auf italienisch

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Padua errichtet einen stählernen Sperrwall um verwahrloste Wohnblocks in der "Bronx Venetiens". Darin hausen arme Zuwanderer.

Stefan Ulrich

Ursprünglich hieß die Wohnanlage an der Via Anelli in Padua "La Serenissima" - die Allerdurchlauchtigste.

Mittlerweile aber werden andere Namen für die verwahrlosten Blocks gebraucht. "Ausländerghetto" ist noch einer der freundlichsten.

Vom "Beirut des Westens", einem "zweiten Mogadischu" und der "Bronx Venetiens" ist die Rede. Denn seit Jahren wird die Anlage von Drogenhändlern, Zuhältern und Krawallmachern beherrscht.

Erst Ende Juli lieferten sich dort Banden von Nordafrikanern und Nigerianern eine fünfstündige Straßenschlacht mit Äxten und Macheten. Die terrorisierten Bewohner der Umgebung standen kurz vor dem Aufstand.

Jetzt hat die Stadt reagiert.

Die von der Linken dominierte Kommunalregierung ließ quasi über Nacht einen 84 Meter langen und drei Meter hohen Sperrwall aus Stahl errichten.

Die Metallplatten wurden bis zu eineinhalb Meter tief in den Boden gerammt, damit sie nicht untergraben werden können. Die Umzäunung soll verhindern, dass die Drogenhändler bei Razzien in eine Nebenstraße entweichen. Zugleich soll die Nachbarschaft geschützt werden.

Die anderen Zugänge zur Via Anelli sind bereits mit Kontrollstellen der Carabinieri gesichert. Zahlreiche Kameras überwachen das Areal.

Trotzdem halten sich dort noch immer viele illegal ins Land gekommene Nord- und Schwarzafrikaner auf; auch der Drogenhandel florierte weiter. Nun soll der Metallwall Grenzen setzen. Die Stadt argumentiert, er sei "die einzige kurzfristige Lösung".

Doch die Sperranlage ist umstritten.

"Kapitulation vor der Kriminalität"

Giancarlo Galan, der Gouverneur der Region Venetien, vergleicht sie mit der "Berliner Mauer". Galan gehört der rechten Partei Forza Italia an. Er wirft der Stadtregierung vor, aus Rücksicht auf ultralinke Gruppen einen Sanierungsplan für die Serenissima gestoppt zu haben.

Ein Parteifreund Galans meinte, der Stahlzaun sei ein "Symbol der Kapitulation vor der Kriminalität".

Die aus sechs grünlichen Blöcken bestehende Serenissima war einst für Studenten gebaut worden. Nach und nach zogen arme Zuwanderer ein.

Die Italiener gingen und verkauften die kleinen Wohnungen an Geschäftemacher, die sie für horrende Mieten Gruppen von Neuankömmlingen überließen.

Die völlig überbelegten Häuser verkamen, Rauschgift und Prostitution breiteten sich aus.

Politiker der Rechten wie der ehemalige Außenminister Gianfranco Fini sagen, die Via Anelli zeige, was passiere, "wenn wir mehr Einwanderer ins Land lassen, als wir integrieren können".

Zugleich forderte Fini aber auch, hart gegen die Mietwucherer vorzugehen. Deren Rassismus sei bestialisch. Der Stahlzaun wird von Finis Partei Alleanza Nazionale unterstützt.

Auch die Anlieger um die Via Anelli befürworten die hässliche Hürde. Paolo Manfrin, der eine Bürgergruppe vertritt, sagte, er habe keine Furcht vor einer Militarisierung.

"Nach Jahren, in denen wir Angst hatten, aus dem Haus zu gehen, ist Militarisierung das, was wir fordern." Zugleich betonte er, unter Gewalt und Chaos litten besonders all jene Einwanderer, die sich integrieren wollten, Italienisch lernten und ihre Kinder zur Schule schickten.

Die Zeitung La Repubblica zitiert einen nigerianischen Familienvater mit den Worten, das Leben in der Serenissima sei "ein Inferno".

© SZ vom 11.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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