Außenpolitik des Iran:Warten auf Obama

Als Irans Präsident Ahmadinedschad Obama zur Wahl gratulierte, war das ein Signal des Ayatollahs Chamenei. Nun wird sich an Obamas Handeln entscheiden, ob in Nahost ein neues Zeitalter beginnt.

Rudolph Chimelli

Die Iraner warten auf Signale aus Washington. Sofort nach der Wahl Barack Obamas hatte Präsident Mahmud Ahmadinedschad Glückwünsche geschickt.

Außenpolitik des Iran: Ohne die Billigung des geistlichen Führers Ali Chamenei (im Bild) hätte Präsident Ahmadinedschad niemals Obama gratuliert. Nun wird in Iran über die Frage spekuliert, was der neue US-Präsident tun wird.

Ohne die Billigung des geistlichen Führers Ali Chamenei (im Bild) hätte Präsident Ahmadinedschad niemals Obama gratuliert. Nun wird in Iran über die Frage spekuliert, was der neue US-Präsident tun wird.

(Foto: Foto: AFP)

Das hatte es, seit Teheran und Washington sich vor drei Jahrzehnten überwarfen, bei keiner amerikanischen Präsidentenwahl gegeben. Sicher ist, dass Ahmadinedschad eine solche Geste ohne Billigung des geistlichen Führers Ali Chamenei nie hätte machen dürfen.

Und ebenso gewiss würden die radikalen Widersacher einer Aussöhnung mit Amerika jeden Schritt sabotieren, den der Staatschef ohne sichtbare Rückendeckung der obersten Instanz unternähme. Der wahre Adressat einer Initiative des neuen Mannes im Weißen Haus ist Chamenei.

Bisher hat Obama auf die Gratulation aus dem Zentrum jener Achse des Bösen, die sein Vorgänger George W. Bush zu seinem Feindbild erhob, nicht geantwortet. Genau drei Wochen, nachdem der nächste Präsident der USA sein Amt antritt, wird die Islamische Republik den 30. Jahrestag ihrer Revolution feiern.

Nicht einmal über eine mögliche Wiederwahl Ahmadinedschads im Frühling - oder seinen eventuellen Abgang - wird in Iran so heftig spekuliert wie über die Frage, was Obama tun wird. Während seiner Kampagne hatte er gesagt, er würde Ahmadinedschad ohne Vorbedingungen treffen, wenn dies den amerikanischen Interessen entspreche. Aber Obama betonte auch, ohne Zögern werde er von allen Elementen der amerikanischen Macht Gebrauch machen.

Pessimisten in Teheran glauben, unter der neuen Regierung in Washington werde sich nichts ändern, schon gar nicht am Prinzip Zuckerbrot und Peitsche, mit seinen Anreizen oder Sanktionen für Iran. Allenfalls werde Obama die Karotte und den Prügel Bushs gegen eine größere Rübe und einen dickeren Stock tauschen.

Durch die ersten Ernennungen des künftigen Präsidenten fühlen sich die Skeptiker bestätigt: Hillary Clinton im Außenministerium, der Israel eng verbundene Rahm Emanuel als Stabschef im Weißen Haus, Vertreter der Rechten auf sicherheitsrelevanten Posten - das alles sind herbe Enttäuschungen nicht allein für die Pragmatiker in der Teheraner Hierarchie, die seit langem nach einem Ausgleich mit den USA streben, sondern vor allem für die vielen Iraner, die sich eine Normalisierung wünschen. Durch geheime Umfragen weiß die Regierung sehr gut, dass es sich dabei um die große Mehrheit des Volkes handelt.

Während bei den Optimisten die Zuversicht schmilzt, unter Obama werde für den Nahen Osten ein neues, freundlicheres Zeitalter beginnen, befürchten iranische Regimegegner geradezu, dass frühzeitige Konzessionen Amerikas dem unbeliebten Ahmadinedschad zugutekämen. Je länger Obama schweigt, umso größer wird auf allen Seiten die Ratlosigkeit. Selbst der gelassene Ex-Präsident Haschemi Rafsandschani, der diplomatische Beziehungen zu den USA lieber morgen als übermorgen sähe, warnte öffentlich vor der Erwartung, jetzt würden die Iraner auf Amerika zugehen.

Vielmehr liege es beim neuen Präsidenten, erste, längst fällige Schritte zu tun: Er müsse Irans Recht auf friedliche Nutzung der Atomenergie anerkennen und die These fallen lassen, mit Teherans Parteinahme für die libanesische Hisbollah und die palästinensische Hamas werde der Terrorismus unterstützt. Dass diese Haltung im Lande weitgehend unumstritten ist, zeigte die Universität Isfahan. Sie verlieh dem Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah soeben den Ehrendoktor.

Falls es eine Wende gibt, so bahnt sie sich in Halbtönen an oder ganz im Stillen. Israel wurde aus Obamas Umgebung vertraulich zugesagt, gegen iranische Atomwaffen werde der nukleare Schirm der USA über dem Land ausgespannt.

Daraus lässt sich der Umkehrschluss ziehen, Obamas Amerika habe sich damit abgefunden, dass die Iraner eines Tages die Bombe haben würden. Auf einer Konferenz über regionale Sicherheit am Golf sagte der amerikanische Verteidigungsminister Robert Gates am Wochenende in Bahrein, die USA erwarteten ein anderes Verhalten Teherans, strebten aber keinen Regimewechsel an. Die Iraner, die auf dem Treffen gleichfalls erwartet wurden, blieben aus, ebenso wie auf der Pariser Konferenz der Nachbarn Afghanistans, zu der Außenminister Manutschehr Mottaki erwartet wurde. Beides Symptome der Ratlosigkeit.

Dabei ist allen Seiten klar, dass es in Afghanistan, am Golf, im Irak keine Stabilität ohne Mitwirkung der Iraner geben kann. Doch nicht allein sie, fast der gesamte Nahe Osten sitzt derzeit im Wartesaal. Im Libanon tut sich bis zu den Parlamentswahlen im Frühling nichts mehr. Schon jetzt sichert sich der christliche Kompromisspräsident Michel Suleiman durch demonstrative Besuche in Teheran und Damaskus ab, und die Hisbollah redet mit Gegnern, die einmal unversöhnlich gewesen zu sein schienen.

Die Syrer, denen Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy erste Brücken baute, möchten ihre Entlassung aus langer Quarantäne durch ein Arrangement mit Israel fortsetzen. Dort aber gibt es keine handlungsfähige Regierung. Palästinenserpräsident Machmud Abbas durchlebt mit Anfechtungen seine letzten Amtswochen. Und die Iraker werden erst in zwei Jahren wissen, ob die Amerikaner wirklich gehen.

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