Außenminister Westerwelle:Schattentanz der Diplomatie

Merkel ist Routinier, Westerwelle der Debütant: Der Start des Außenministers ist schwer. Sein Steckenpferd, die Abrüstung, soll helfen.

Daniel Brössler

Respekt vor dem Alter zählt zu den sympathischen Eigenschaften des neuen Bundesaußenministers. Guido Westerwelle bekennt sich dazu, dass er in Hans-Dietrich Genscher nicht nur seinen Vorgänger, sondern auch sein Vorbild sieht. Er sucht den Rat des langjährigen Außenministers.

Außenminister Westerwelle: Guido Westerwelle muss sich jetzt in seinem neuen Amt behaupten

Guido Westerwelle muss sich jetzt in seinem neuen Amt behaupten

(Foto: Foto: getty)

Mehr noch, ohne das Drängen des liberalen Übervaters hätte sich der FDP-Chef womöglich gar nicht dazu entschlossen, an die Spitze des Auswärtigen Amtes zu treten. Insgesamt 29 Jahre lang haben liberale Minister das Amt geprägt. Westerwelle setzt eine alte Tradition fort. Nun steht er unter dem Druck, ihr etwas Neues hinzuzufügen.

Die Kanzlerin als Routinier

Wie schwierig das werden wird, davon konnte sich Westerwelle schon am Donnerstag, seinem ersten Tag im Amt, ein Bild machen, an dem er die Kanzlerin zum Europäischen Rat nach Brüssel begleitet hat.

Dort gilt, was für alle wichtigen Gipfeltreffen gilt: Im Mittelpunkt stehen die Regierungschefs. Wie stets, haben sich in Brüssel auch diesmal wieder 27 Köche versammelt und 27 Kellner. Westerwelle ist häufig auf diese Gefahr hingewiesen worden. Darauf, wie wenig Platz bleibt, wenn ein Kanzler sich selbstbewusst auf dem Feld der Außen- und Europapolitik bewegt.

Das hat auch sein direkter Vorgänger Frank-Walter Steinmeier erfahren müssen. Dabei hatte die Kanzlerin gegenüber dem Sozialdemokraten keinen Erfahrungsvorsprung, im Gegenteil. Nun aber ist Merkel der Routinier, Westerwelle der Debütant.

Westerwelle wäre in dieser Lage gut beraten, sich nicht in einen aussichtslosen Kampf mit der Konkurrentin zu stürzen. Wann immer er ins Scheinwerferlicht der internationalen Bühne strebt, wird Merkel schon da sein. Seine Chance kann der Minister mithin nicht im Wettlauf finden, sondern nur im Wettbewerb. Er muss durch Themen auffallen und eigene Schwerpunkte setzen.

Großes US-Vertrauen für Verteidigungsminister zu Guttenberg

In der vornehmen Welt der Diplomatie fällt das freilich weit schwerer als im Inneren, wo auch mal mit plakativen Argumenten um Gesundheitsfonds und Steuersysteme gerungen werden darf. Das sind die Fragen, die Westerwelle in der Opposition bewegt haben und ihn auch als Vizekanzler beschäftigen werden. Will er aber als Minister reüssieren, muss er zeigen, was er unter liberaler Außenpolitik versteht.

Ein Thema hat Guido Westerwelle schon vor der Wahl immer wieder genannt, die Abrüstung. Er hat dies mit der unzutreffenden, aber im Wahlkampf zulässigen Behauptung verbunden, diese Arbeit sei unter Steinmeier im Auswärtigen Amt vernachlässigt worden. Tatsächlich bewegte sich nicht wegen der Untätigkeit des Amtsinhabers lange so wenig, sondern wegen der internationalen Großwetterlage. Die hat sich inzwischen geändert.

Doch wenn Barack Obama, der Friedensnobelpreisträger im Weißen Haus, Unterstützung aus Deutschland braucht, ruft er Angela Merkel an. Und je forscher Westerwelle den Abzug amerikanischer Atomwaffen aus Deutschland fordert, desto weniger Gehör dürfte er in Washington finden.

In den Vereinigten Staaten wird dem Außenminister zudem immer wieder ein Kollege aus Berlin in die Quere kommen. Anders als Westerwelle hat Karl-Theodor zu Guttenberg sich in seiner bisherigen Laufbahn intensiv mit Außenpolitik beschäftigt und dabei emsig transatlantische Kontakte gepflegt. Wann immer es um Afghanistan geht, werden die Amerikaner sich also vertrauensvoll an den neuen Verteidigungsminister wenden, der auf die vielfachen Überschneidungen zwischen Außen- und Verteidigungspolitik schon hingewiesen hat.

Ziel: Eine eigene liberale Handschrift

Westerwelle wird diese Herausforderung natürlich annehmen. Seine erste Stellungnahme im Amt galt einem Anschlag in Afghanistan. Viele weitere werden folgen. Wenn er es gut macht, kann Westerwelle am Hindukusch Flagge zeigen. Eine eigene, eine liberale Handschrift aber wird er dort nicht hinterlassen.

Diese Möglichkeit bietet sich nur sehr viel näher der Heimat. Zum Beispiel dann, wenn es um die Zukunft der Europäischen Union geht. Im Koalitionsvertrag ist verankert, weitere Aufnahmen in die EU solle es nur "mit Augenmaß" geben. CDU und CSU sind erweiterungsmüde und wünschen sich eine Absage an die Türkei. Es wird interessant sein zu sehen, ob und wie sehr Westerwelle dagegenhält. Die Vorstellung von der EU als einem christlichen Club sollte einem liberalen Geist jedenfalls nicht gefallen.

Auch im Verhältnis zu Russland darf man auf Westerwelles Position gespannt sein. In der Kritik an Bürgerrechtsverletzungen dort hat sich die FDP in den vergangenen Jahren besonders hervorgetan. Die neue Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger gehörte zu den aktivsten Kritikern des politischen Prozesses gegen den einstigen Öl-Milliardär Michail Chodorkowskij.

Bisherige Äußerungen Westerwelles lassen indes erkennen, dass Wirtschafts- und Abrüstungsfragen ihn im Umgang mit Russland weit mehr bewegen. Gewiss ist Entspannungspolitik nicht die schlechteste Tradition, der ein liberaler Außenminister folgen kann. Er sollte dabei aber schon in Rechnung stellen, wie sehr die Welt sich nach dem Einreißen der Blockgrenzen verändert hat. Will Guido Westerwelle seinem großen Vorbild Hans-Dietrich Genscher wirklich gerecht werden, wird er sich von ihm auch lösen müssen.

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