Außenminister Westerwelle:Reisen mit Guido

Westerwelle sagt in Südamerika mit immergleichen Worten so gut wie nichts. Mit der Auswahl seiner Begleiter zieht er dennoch Aufmerksamkeit auf sich. Nun wird publik, dass er auch die Firma seines Bruders protegiert haben soll.

Daniel Brössler und Nico Fried

Die Liste der Vorwürfe wird länger, die Kritik schärfer: Guido Westerwelle muss sich nicht nur mit der Anschuldigung auseinandersetzen, er habe befreundete Unternehmer als Dank für Spenden in seine Entourage auf Auslandsreisen aufgenommen.

Auch für die Mitreise seines Lebensgefährten Michael Mronz, der als Eventmanager vor allem Sportereignisse organisiert, wird Westerwelle gerüffelt - Mronz nutze die Gelegenheit für die Anbahnung privater Geschäfte, sagen Kritiker.

Der Außenminister und die FDP weisen die Vorwürfe zurück, sprechen von "haltlosen Behauptungen". Doch nun werden weitere Details bekannt, die Westerwelles Bereitschaft, Staatgeschäfte und Privatangelegenheit zu trennen, in Frage stellen: Zu der Wirtschaftsdelegation, die ihn Mitte Januar auf seiner Reise nach Asien begleitete, habe auch die Ludwigshafener Firma seines Bruders Kai Westerwelle gehört, berichtet die Berliner Zeitung.

Wie der Außenminister mit den Vorhaltungen während seiner bislang längsten Auslandsreise umgeht und welche Schatten die innenpolitischen Spannungen auf seinen Aufenthalt in Südamerika werfen, berichten Korrespondenten der Süddeutschen Zeitung:

Die Hitze des Nachmittags hat sich über Montevideo gelegt, das trübe Wasser des Rio Plata schlägt kleine Wellen. Im elften Stock eines gläsernen Hochhauses sitzt hinter einem großen Schreibtisch José "Pepé" Mujica. Ein Schnauzbart ziert sein markantes Gesicht. Die Ähnlichkeit mit Asterix, dem Gallier, ist erstaunlich.

Mujica war früher einmal Guerillero, saß zu Zeiten der Militärdiktatur lange im Gefängnis und ist erst seit ein paar Tagen Präsident von Uruguay. Nachdenklich hat der neue Staatschef das Kinn auf die linke Hand gestützt. Vor ihm liegt ein Notizblock.

Abstand gewinnen

Aufmerksam hört er dem Gast auf der anderen Seite des Schreibtisches zu. Er erfährt, dass die Bundesregierung "einen neuen Schwerpunkt" auf Lateinamerika legen will.

Guido Westerwelle ist angekommen in Montevideo, der Hauptstadt des kleinen Uruguay, in der Mitte einer ziemlich langen Reise durch Südamerika.

Fast eine ganze Woche hat sich Westerwelle dafür genommen; es ist seine längste Tour seit Amtsantritt. Das schafft, zumindest zeitlich und räumlich, Abstand zur deutschen Innenpolitik. So fern der Heimat müsste sie doch am größten sein: die Chance, sich anzunähern an dieses Amt, an den Beruf: deutscher Außenminister.

Gleichwohl gibt es für Guido Westerwelle offenbar keine echte Distanz, keinen noch so weit entfernten Ort, an dem ihn die Innenpolitik nicht einholt, besser gesagt: die dauernde Diskussion über ihn selbst.

Diesmal geht es um die Manager, die ihn auf dieser Reise begleiten. Und ganz besonders um einen Unternehmer, der jedoch gar nicht als Unternehmer mit an Bord ist.

Demonstrative Empörung und spöttische Abwehr

Auf dem Flugfeld in Montevideo stellt Westerwelle Michael Mronz dem uruguayischen Protokollchef vor den Fernsehkameras als seinen Partner vor. Bei den vorherigen Stationen, in Santiago zum Beispiel, hat er das nicht gemacht, da war die Diskussion über Westerwelles Mitreisende auch noch nicht voll entbrannt. Der Außenminister reagiert wie so oft, wenn er in die Kritik gerät: mit einer Mischung aus demonstrativer Empörung und spöttischer Abwehr.

Immerhin bewirken die innenpolitischen Dissonanzen, dass es in Deutschland überhaupt ein Interesse am gegenwärtigen Aufenthaltsort des deutschen Außenministers gibt. Vorgänger von ihm sind schon mit sehr viel weniger Aufmerksamkeit durch Lateinamerika gereist.

Westerwelle könnte diese Chance nutzen, sich gerade bei jenen, die sich wirklich für ihn als Außenminister interessieren, vorteilhaft in Szene zu setzen.

Lesen Sie auf Seite 2, wie Westerwelle sich von seinen Amtsvorgängern unterscheidet.

Westerwelle ist anders

Guido Westerwelle kann gezielter und geschickter mit der deutschen Sprache umgehen als zum Beispiel sein Vorgänger Frank-Walter Steinmeier. Der pflegte seine Wortbeiträge im Ausland mit langatmigen Rückgriffen auf bereits Geäußertes zu beginnen, um sich dann in den Sackgassen seiner Schachtelsätze zu verlaufen.

Westerwelle ist anders. Er versteht sich darauf, aus dem Nichts Bedeutungsschwere zu erzeugen. Das gehört zu den Talenten, die ihn als Oppositionspolitiker schließlich zum Erfolg geführt haben, und auf die er sich nun auch als Außenminister verlassen will.

Worte, die nicht gewichtig genug sein können

Im rot gestrichenen Saal seines Kollegen in Uruguay erklärt der Außenminister während einer Pressekonferenz: "Wir haben uns ganz bewusst entschieden, nach Montevideo zu kommen." Auch ohne diesen Hinweis hätte vermutlich niemand angenommen, dass die Reisegesellschaft des Außenministers rein zufällig in diese Stadt eingefallen ist.

Westerwelle aber genügt es nicht, die Rolle der kleinen Staaten zu würdigen. Er muss auch noch sagen, dass er sich etwas dabei gedacht hat.

Dabei entsteht durchaus der Eindruck, als sei sich der Außenminister eines Vakuums bewusst, das es zu füllen gilt. Er versucht es mit Worten, die nicht gewichtig genug sein können.

Der große Saal im Erziehungsministerium von Buenos Aires, wo die Max-Planck-Gesellschaft eine Ausstellung eröffnet, ist dafür ein verlockender Ort.

Verbaler Maximalist

Als Westerwelle ihn betritt, brandet Jubel auf, was freilich daran liegt, dass er es zusammen mit Cristina Fernández de Kirchner tut. Die Jubler der modebewussten Präsidentin mögen bestellt sein; die Stimmung im Saal aber weiß Westerwelle zu deuten. Seine Leute haben ihm ein eher nüchternes Manuskript über die Segnungen der Forschung vorbereitet.

Er legt es weg, bringt sein Gesicht mit nach oben gezogenen Mundwinkeln zum Strahlen. Er freue sich "außerordentlich", sagt Westerwelle, an der "sehr schönen" Eröffnung teilzunehmen. Er lobt auch die "enorme Entwicklung", die Argentinien genommen habe.

Verbal ist Westerwelle Maximalist.

Damit hat er lange Jahre gute Erfahrung gemacht, ebenso wie mit einem anderen Kniff, der Kunst der unermüdlichen Wiederholung.

Als FDP-Vorsitzender konnte und kann er gar nicht oft genug Sachen von der Art sagen, dass Arbeit sich wieder lohnen müsse und jener, der arbeite, mehr haben müsse, als jener, der nicht arbeite. Die ständige Wiederholung kann man sich als einen Leuchtturm vorstellen, der verlässlich blinkt. Freund wie Feind können sich daran orientieren. Das schärft das Profil.

Westerwelle wendet diese Leuchtturm-Methode auch als Außenminister an. Es gibt Sätze, die wiederholt er vor fast jedem Publikum. "Deutsche Außenpolitik ist werteorientiert und interessengeleitet", ist so ein Satz.

Kontinuität oder Einfallslosigkeit?

Die Wiederholung des immer Gleichen vor wechselndem Publikum kann ein Zeichen sein für Kontinuität. Oder für Einfallslosigkeit.

Westerwelle hat in mehr als vier Monaten als Außenminister keine ernsten Fehler gemacht. Er hat ein Mandat für den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr auch mit den Stimmen der SPD durch den Bundestag gebracht, er kümmert sich um die Krise um das iranische Atomprogramm. Als er aber leidenschaftlich eine Debatte anzettelt, geht es um Hartz IV.

"Ich will mir nicht ein paar schöne Jahre im Auswärtigen Amt machen und die Welt kennenlernen. Ich will, dass dieses Land sich ändert, einen neuen Aufbruch erlebt", erläuterte er jüngst in der Bild am Sonntag. Das erklärt, warum der Außenminister auch kampfeslustiger Innenpolitiker bleiben will. Es verrät nichts darüber, warum der Innenpolitiker den Job des Außenministers wollte.

Die vollständige Reportage über Guido Westerwelles Auslandsreise lesen Sie in der Süddeutschen Zeitung vom 11. März 2010.

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