Außenminister beraten über Syrien-Mission der UN:Clinton will Assad notfalls mit Gewalt zum Frieden zwingen

US-Außenministerin Clinton will das Regime von Präsident Assad notfalls mit Gewalt zur Einhaltung des Friedensplans zwingen. Zunächst sollen aber noch mehr Beobachter entsendet werden als bislang geplant. Während zehntausende Syrer auf Unterstützung angewiesen sind, geht vielen internationalen Helfern allmählich das Geld aus.

US-Außenministerin Hillary Clinton hat schärfere Sanktionen gegen Syrien gefordert, um das Regime von Präsident Baschar al-Assad notfalls mit Gewalt zur Einhaltung des Friedensplans zu zwingen. "Wir müssen anfangen, im Sicherheitsrat sehr energisch auf eine Resolution nach Kapitel VII hinzuarbeiten", sagte Clinton am Donnerstagabend nach einem Treffen der Gruppe der "Freunde Syriens" in Paris.

Resolutionen, die sich auf das Kapitel VII der UN-Charta beziehen, dürfen notfalls auch mit Gewalt durchgesetzt werden. Die Sanktionen sollten neben der Beschränkung von Reisen und Finanzgeschäften auch ein Waffenembargo beinhalten. Der Sicherheitsrat müsse so den Druck auf das Assad-Regime erhöhen, um es zur Einhaltung des Sechs-Punkte-Plans des UN-Sondervermittlers Kofi Annan zu bringen, sagte Clinton.

Clinton berichtete, der russische Außenminister Sergei Lawrow habe ihr gegenüber eingeräumt, dass "wir nicht in einer statischen, sondern in einer sich verschlechternden Situation sind", erklärte sie.

Der französische Außenminister Alain Juppé drohte Assad mit "anderen Optionen", falls Syrien den Friedensplan des früheren UN-Generalsekretärs Kofi Annan nicht umsetzt. Die "Freunde Syriens" seien der Auffassung, dass der Sechs-Punkte-Plan die "letzte Chance" für Syrien sei, einen Bürgerkrieg zu vermeiden. Er schloss die Möglichkeit schärferer Strafmaßnahmen - wie von Clinton vorgeschlagen - nicht aus.

Neben Clinton und Juppé hatten Vertreter von zwölf weiteren Staaten an dem Treffen der "Freunde Syriens" teilgenommen, darunter auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle. Russland hatte das Treffen dagegen kritisiert und nicht teilgenommen. Als Vetomacht hat Russland im Sicherheitsrat bislang Strafmaßnahmen gegen Syrien verhindert.

Juppé will noch mehr Beobachter entsenden als bisher geplant

Am Freitag konkretisierte Juppé seinen Plan zur Aufstockung der Zahl der UN-Beobachter. Demnach beantrage Frankreich bei der UN die Entsendung einer "robust ausgerüsteten" Beobachtertruppe von 400 bis 500 Mann. "Frankreich wird das heute noch beantragen", sagte der französische Außenminister Alain Juppé in einem Interview des TV-Nachrichtensenders BFM. Paris liege dabei auf der gleichen Linie wie die USA.

Es gehe um eine "robust ausgerüstete" Beobachtertruppe, die auch über Helikopter verfüge. "Es ist die letzte Chance vor einem Bürgerkrieg", meinte er mit Blick auf die Umsetzung des Friedensplans von Sondervermittler Kofi Annan. Frankreich sei bereit, sich an der Mission zu beteiligen.

Annan ist nach den Worten seines Sprechers unzufrieden über die Lage in dem Krisenland. Der Waffenstillstand sei sehr brüchig, sagte der Sprecher des früheren UN-Generalsekretärs in Genf. Das Vorauskommando der internationalen Beobachter des Waffenstillstands wird dem Annan-Sprecher zufolge in den nächsten Tagen seine volle Stärke von 30 Mitgliedern erreichen. China erklärte sich bereit, sich am Einsatz der unbewaffneten Kräfte zu beteiligen.

Nothelfer klagen über Geldmangel

Neben den Vereinten Nationen bereitet auch die Europäische Union neue Strafmaßnahmen gegen das Regime in Syrien vor. Bei den neuen Sanktionen solle es vor allem um Luxusgüter gehen, sagte ein EU-Diplomat am Freitag in Brüssel. Weitere Angehörige des Regimes von Präsident Baschir Assad würden hingegen nicht ins Visier genommen. Im März hatte die EU unter anderem ein Einreiseverbot gegen Frau Assad verhängt.

Die neuen Sanktionen sollen beim Treffen der EU-Außenminister am kommenden Montag in Luxemburg diskutiert werden. Ein Beschluss sei jedoch noch nicht sicher, sagte der Diplomat. Zunächst solle die Lage in Syrien diskutiert und dann über mögliche Konsequenzen beraten werden.

Unterdessen haben Regierungstruppen nach Angaben der Opposition auch am Freitag wieder ein von Rebellen gehaltenes Viertel der Stadt Homs angegriffen. Die Stadt zählt zu den Hochburgen des Protests gegen die Regierung von Präsident Assad.

Das in Großbritannien ansässige Syrische Observatorium für Menschenrechte erklärte, alle fünf Minuten schlage eine Granate in Stadtteil Chaldijeh ein. Explosionen und Schüsse seien auch aus der Stadt Kusair in der Nähe der Grenze zum Libanon zu hören, hieß es weiter.

Nothelfern geht das Geld aus

Hilfsorganisationen und Helfer aus den Nachbarländern klagen, dass die Versorgung von Flüchtlinge mangels finanzieller Unterstützung immer problematischer werde. Nicht einmal 20 Prozent der vor einem Monat für die Syrien-Nothilfe veranschlagten 84 Millionen Dollar (66 Millionen Euro) seien von Geberländern bereitgestellt worden, berichtete das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Freitag. Das UNHCR koordiniert die Unterstützung für geflohene Syrer im Rahmen des im März vereinbarten Regionalen Nothilfeplans (RRP).

Ähnliche Sorgen äußerten bei einem Arbeitstreffen in Genf auch zahlreiche andere Hilfsorganisationen. Von 34 humanitären Organisationen, die an der Unterstützung der inzwischen rund 61 000 syrischen Flüchtlinge in benachbarten Ländern beteiligt seien, hätten bislang nur acht finanzielle Unterstützung von Geberstaaten erhalten, erklärte UNHCR-Sprecherin Melissa Fleming. "Organisationen, die lebensrettende Hilfe leisten, sind auf die Gelder angewiesen, um die dringendsten humanitären Bedürfnisse befriedigen zu können."

Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (Unicef) beklagte, es habe von den erforderlichen 7,4 Millionen Dollar für Hilfe in syrischen Flüchtlingslagern bislang nur 1,5 Millionen Dollar erhalten. "Wir sind zutiefst beunruhigt über Gespräche mit Kindern und Eltern vor Ort, die zeigen, dass die Mehrzahl der Kinder durch das, was sie erlebt haben, traumatisiert sind", sagte der stellvertretende Unicef-Direktor für Nothilfeprogramme, Dermot Carty. Kinder und Jugendliche machten die Hälfte der syrischen Flüchtlinge in der Türkei sowie in Jordanien und im Libanon aus.

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