Außenminister:"Ägypten verfügt über begrenzte Mittel"

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Seit Juni 2014 ist Sameh Shoukry Ägyptens Außenminister, zuvor war er als Diplomat unter anderem in den USA stationiert und vertrat sein Land bei internationalen Organisationen in Wien und Genf. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Sameh Shoukry fordert mehr Hilfe bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise. Sein Land trage bereits schwer an dieser Last.

Interview von Moritz Baumstieger und Stefan Kornelius

SZ: Herr Minister, die illegale Migration dominiert die Agenda zwischen der EU und ihrem Land. Ägypten ist nach Libyen der zweitwichtigste Startpunkt für Schlepperboote auf der Mittelmeerroute geworden, die EU möchte ein Rücknahmeabkommen abschließen. Wann kommt es?

Sameh Shoukry: Wir wissen, welche Wichtigkeit das Thema illegale Migration nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa hat. Wir haben grundlegende Gespräche mit deutschen Offiziellen geführt und uns über mögliche Handlungsoptionen ausgetauscht. Die Flüchtlingsbewegungen werden von der politischen Instabilität im Nahen Osten genauso geschürt wie von den ökonomischen Problemen im subsaharischen Afrika. Um sie zu lösen, brauchen wir einen ganzheitlichen Ansatz, der über den Aspekt Rücknahme hinausgeht.

Wie könnte dieser Ansatz aussehen?

Die Herkunfts- und Transitländer brauchen zum einen Unterstützung in Sachen Sicherheit, Grenzschutz und bei der Überwachung der Seewege. Zum anderen aber auch wirtschaftliche Hilfe, um zunächst die humanitären Aspekte der Migration zu bewältigen und um den Strom der Migrationswilligen zu begrenzen. Wenn man erreichen will, dass die Menschen in ihren Herkunftsländern bleiben, müssen wir dort bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen schaffen.

Welche Folgen haben die Fluchtbewegungen für Ägypten als Transitland?

Für Europa mag das Thema illegale Migration in diesem Ausmaß eher neu sein, wir beschäftigen uns seit zwei Jahrzehnten damit. Aktuell beherbergen wir fast eine Million Menschen aus Syrien und dem Irak, die wegen der Konflikte in ihrer Heimat geflohen sind. Zusätzlich haben wir in den letzten zwanzig Jahren schon vier bis fünf Millionen illegale Migranten aus Subsahara-Afrika aufgenommen. Diese Menschen leben bei uns nicht in Flüchtlingscamps, sondern sind in die Gesellschaft integriert und profitieren genau wie Ägypter von unseren Sozialsystemen. Diese Bürde haben wir bisher ohne Hilfe von außen getragen, weil wir uns dazu aus Menschlichkeit verpflichtet fühlen.

In den Verhandlungen um ein Rückführungsabkommen geht es also um finanzielle Hilfen für diese Flüchtlingsgruppen, aber auch um Grenzsicherung. Ist das türkische Abkommen hier ein Modell?

Natürlich sind wir auf Unterstützung angewiesen. Ägypten verfügt über begrenzte Mittel, trägt bereits schwer an dieser Last. Wir sind dankbar über Hilfe etwa bei der Grenzsicherung, brauchen aber auch Unterstützung in Sachen ökonomische Entwicklung und Bildung. Vor allem müssen wir versuchen, die Konflikte zu lösen, die die Menschen in die Flucht treiben.

Ägypten hat seine Bereitschaft erklärt, eigene Staatsbürger zurückzunehmen. Europa drängt aber darauf, dass ein Abkommen für alle an Ihrer Küste gestarteten Migranten gilt, also auch für Drittstaatler.

Für diesen Themenkomplex gibt es ja bereits ein internationales Regelwerk, das den Rahmen für eine Lösung des Problems setzt. Wir können hier sicher zu einer Übereinkunft kommen, aber so weit sind wir bisher in unseren Gesprächen noch nicht. Wir verstehen, unter welchem Druck Deutschland und Europa in dieser Sache stehen und sind zu einer transparenten und aufrichtige Zusammenarbeit bereit, die den Interessen beider Seiten dient.

In den vergangenen Jahren haben die Restriktionen unter anderem auch für deutsche Stiftungen in Ihrem Land zu starker Verstimmung geführt. Empfindet Ägypten die Aktivitäten nach wie vor als störend?

Die Zeit nach der ägyptischen Revolution 2011 war turbulent, hier sind einige Probleme entstanden, die unsere Regierung geerbt hat und nun zu lösen versucht. Wir erkennen die Bedeutung der Stiftungen bei der Förderung der Zivilgesellschaft an, sie haben exzellente Arbeit geleistet. Wir sind bestrebt, den Stiftungen so bald wie möglich wieder Rechtssicherheit zu bieten. Wir wollen einen gesetzlichen Rahmen schaffen, innerhalb dessen die Arbeit der Institutionen geschützt ist - der aber auch definiert, bei welchen Tätigkeiten sie die Grenzen des Rechts überschreiten.

Wann ist mit konkreten Ergebnissen zu rechnen?

Lassen Sie es mich so sagen: Wir arbeiten mit Hochdruck daran, dieses Thema bald hinter uns zu lassen.

Wie beurteilen Sie die russischen Initiativen im Syrien-Konflikt ? Viele Analysten sehen Kairo Seite an Seite mit Moskau.

Wir haben keine Präferenz, wie das Ergebnis eines politischen Prozesses aussehen soll. Über die Zukunfts Syriens müssen die Syrer entscheiden. Uns ist es jedoch wichtig, dass die staatlichen Strukturen nicht implodieren - wozu das führt, sieht man in unserem Nachbarland Libyen. Wenn wir im Sicherheitsrat nun für russische Resolutionen gestimmt haben, lag das nicht an einem politischen Lagerdenken oder Bündnisfragen, sondern weil uns der Inhalt der Resolution überzeugt hat.

Der Nahen Osten hat sich durch Russlands neue Rolle und die zu erwartende Politik der USA unter einem Präsidenten Trump verändert. Wie kann die Region in diesem Machtgefüge zu Stabilität finden?

Zuallererst dadurch, dass Ägypten stabil bleibt - um unser Land selbst willen und weil wir zur Lösung der Konflikte um uns herum beitragen können. Und es ist notwendig, dass wir Schulter an Schulter mit unseren internationalen Partnern den Terror bekämpfen und die richtigen Antworten auf Bedrohungen finden. Auch bezüglich dieses Themas sind wir in einem guten Kontakt mit der neuen Regierung in Washington. Sie hat eine klare Vorstellung davon, wie wichtig die strategische Partnerschaft zwischen unseren beiden Staaten ist.

© SZ vom 13.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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