Außenansicht:Schwarzer Peter

Germering: Horst Teltschik im Carl-Spitzweg-Gymnasium (CSG)

Horst Teltschik, 77, war außenpolitischer Berater von Bundeskanzler Helmut Kohl. Von 1993 bis 2000 saß er im Vorstand von BMW.

(Foto: Johannes Simon)

Mit der Forderung nach einem Diesel-Verbot setzt die Politik die Zukunft der deutschen Autoindustrie aufs Spiel.

Von Horst Teltschik

Bereits 1972 fuhren in Deutschland die ersten Fahrzeuge mit Elektroantrieb. Sie begleiteten die Marathonläufer bei den Olympischen Spiele in München. Die Weiterentwicklung der Fahrzeuge wurde jedoch eingestellt, weil nicht ausreichend Batteriekapazität in Aussicht stand. Die vorhandenen Batterien waren zu groß und zu schwer und von zu geringer Reichweite. Wenn es einen Vorwurf geben könnte, dann müsste er sich an beide Adressaten richten, an die Industrie und an die Politik. Beide Seiten haben es versäumt, entsprechende Forschungen und Entwicklungen für eine moderne Batterietechnik in Gang zu setzen und zu fördern.

Der nächste Schritt war ein Auto, das sowohl mit Erdgas als auch konventionell mit Benzin zu betreiben war: mit Erdgas und geringen Emissionen in der Stadt, mit konventionellem Treibstoff auf der Autobahn. Zur Demonstration war im Oktober 1995 am Mittleren Ring in München eine Erdgastankstelle eingerichtet worden. Die Taxi-Innung zeigte großes Interesse, schaffte am Ende aber doch kein Fahrzeug an.

BMW war 1994 der erste europäische Autohersteller, der Erdgasfahrzeuge in Serie baute. Ein Prototyp wurde im selben Jahr der damaligen Umweltministerin Angela Merkel in Bonn vorgestellt und ihrem Fuhrpark kostenlos übergeben. Sinn dieser Vorstellung war es, politische Unterstützung für einen Kraftstoffkonsens zu erreichen, den die gesamte Gesellschaft trägt. Dazu sollte eine gemeinsame Initiative von Politik und Wirtschaft zur Einführung alternativer Kraftstoffe eingeleitet werden. Vorgeschlagen war ein Drei-Stufen-Konzept: vom komprimierten Erdgas über das flüssige Erdgas bis zum Flüssigwasserstoff. Die politische Unterstützung dafür blieb jedoch aus.

Der nächste Prototyp wurde entwickelt, diesmal mit Flüssigwasserstoff. Schon 1979 hatte BMW das erste Auto mit Wasserstoff-Antrieb als Prototyp eines schadstofffreien Zukunftsautos vorgestellt. Die bayerische Staatsregierung hatte über einige Jahre in Neunburg vorm Wald eine Testanlage zur Produktion von Wasserstoff durch Photovoltaik eingerichtet und finanziert. BMW und andere Firmen hatten sich beteiligt. Auf dem Münchner Flughafen wurde 1999 die erste Wasserstofftankstelle betrieben. BMW produzierte eine Serie wasserstoffbetriebener Fahrzeuge der 7er-Serie und führte sie der Öffentlichkeit auf der Expo 2000 in Hannover und auf dem Pariser Platz in Berlin vor.

Auf der IAA 1999 in Frankfurt wurde demonstriert, wie Flüssigwasserstoff produziert werden könnte. Eine Pilottankstelle war gemeinsam mit Shell aufgebaut worden, um die automatische Betankung zu demonstrieren, bei der die Fahrer ihr Auto nicht verlassen müssen. Die Fahrzeuge emittierten lediglich unschädlichen Wasserdampf, der abgekühlt trinkfähig war.

Politiker nahmen Initiativen der Industrie für eine moderne Verkehrspolitik nicht auf

"Clean Energy" wurde gemeinsam mit Linde und Messer, Solar Millenium und International Fuel Cells präsentiert. Der Höhepunkt war ein internationaler Wasserstoff-Kongress, das "Hyforum 2000", das eigens dafür nach München geholt worden war.

Eine solche Wasserstoff-Strategie kann jedoch nur Erfolg haben, wenn Politik und Industrie gemeinsame Ziele definieren und zusammenarbeiten. Die Technik des Wasserstoffautos ist Aufgabe der Autobauer, und sie gibt es längst. Die Produktion von Flüssigwasserstoff und die Infrastruktur sind jedoch eine politische Aufgabe, weil die Wirtschaft sie alleine nicht lösen kann. Die Resonanz der Politik blieb freundlich, aber zurückhaltend. Im Vordergrund standen Bedenken und nicht die Frage einer Förderung.

Aus diesem Grund haben sich auf Initiative von BMW und Daimler Benz sieben deutsche Unternehmen aus dem Auto- und dem Energiesektor (MAN, VW, Aral, RWE und Shell) zu einer Initiative für eine "verkehrswirtschaftliche Energiestrategie" zusammengeschlossen, um alternative, umweltschonende Kraftstoffe zu identifizieren. Im zweiten Schritt sollte eine gebündelte Strategie für die Markteinführung entwickelt werden. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit war, dass drei Energieoptionen gemeinsam weiterverfolgt werden sollten: erstens Verbrennungsmotor mit Erdgas oder Wasserstoff, zweitens Elektroantrieb mit Batterie oder Brennstoffzelle, drittens Hybridantrieb als Kombination aus Verbrennungsmotor und Elektroantrieb. Damit sollte der Marktdurchbruch für innovative Energie- und Antriebstechnik zum richtigen Zeitpunkt möglich werden. Weder das Verkehrs-, noch das Umweltministerium griffen die Initiative auf. Interesse bezeugte lediglich das Wissenschaftsministerium. Doch auch diese Initiative sollte nicht weiterführen.

Vorrang wurde der Reduzierung des gesamten Flottenverbrauchs gegeben. Im Herbst 1998 sind der Verband der europäischen Automobilhersteller und die Europäische Union unter Federführung von BMW eine Selbstverpflichtung zur Schadstoffreduzierung eingegangen.

Ein anderes Beispiel ist die Verkehrspolitik. BMW und Daimler Benz haben sich seit Anfang der Achtzigerjahre mit Verkehrsfragen beschäftigt und sich etwa am europäischen Verkehrsforschungsprogramm Prometheus beteiligt. BMW entwickelte in München neue Ideen für ein intelligentes Verkehrsmanagement. Die Initiative "Kooperatives Verkehrsmanagement München" wurde durch das Konzept "Blaue Zone München" erweitert. Ziel der Blauen Zone war es, Vorschläge zu erarbeiten, wie man im sensiblen Innenstadtbereich Münchens den Autoverkehr reduzieren kann, ohne die Erreichbarkeit der attraktiven Ziele in der City zu gefährden.

Der Höhepunkt der politischen Ignoranz war in München zu erleben. BMW hatte in den Neunzigerjahren mit seinen Verkehrsexperten und mit Unterstützung von Wissenschaftlern das Konzept für eine weitgehend verkehrsfreie Innenstadt erarbeitet und der Stadt zur Prüfung vorgelegt; eine Initiative, die von einem Autounternehmen nicht selbstverständlich zu erwarten ist. Das abschließende Gespräch mit dem damaligen Oberbürgermeister Christian Ude war nach wenigen Minuten mit seinem Hinweis beendet, dass das Konzept politisch nicht durchsetzbar sei. Ob Änderungen möglich oder einzelne Segmente infrage kämen, das alles blieb unausgesprochen.

Jetzt kündigt die Bundeskanzlerin aus heiterem Himmel ein Dieselverbot an und schiebt damit den Schwarzen Peter ausschließlich der Industrie zu. Die Schlüsselrolle der Autoindustrie für Deutschland scheint dabei zweitrangig zu sein. Die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte zeigen jedoch, dass beide Seiten Verantwortung für alternative Lösungen übernehmen müssen.

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