Außenansicht:Es gibt noch Verbündete

Prof. James W. Davis

James W. Davis, 53, ist Ordinarius für Internationale Politik und Dekan der School of Economics and Political Science an der Universität St. Gallen. Er war Mitglied der außenpolitischen Arbeitsgruppe Hillary Clintons.

(Foto: oh)

Worauf die deutsche Außenpolitik nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten achten muss.

Von James W. Davis

Die Wahl von Donald Trump zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika beunruhigt nicht nur die Mehrheit jener Amerikaner, die am 8. November für Hillary Clinton gestimmt haben. Die Wahl hat auch international eine Welle der Angst ausgelöst, nicht zuletzt hier in Europa. Zum Teil rekurrieren diese Ängste auf die grobschlächtige, bisweilen vulgäre Figur Trumps, die die Welt im Lauf des Wahlkampfes kennengelernt hat. Man fragt sich, was von einer so leicht kränkbaren, narzisstischen Persönlichkeit zu erwarten ist, bei der Emotionen schnell die Vernunft ausschalten können. Die Ängste reichen aber noch über die Person Trump hinaus. Sie haben mit dem Gefühl zu tun, dass etwas von dem ohnehin geschwächten Fundament der vertrauten Weltordnung wegbricht. Sie befürchten ein Ende amerikanischer Führung.

Seit der Präsidentschaft von Harry Truman in den 1950er-Jahren beruhte Amerikas Führungsanspruch auf einem breiten und tiefen überparteilichen Konsens über die Vorteile einer offenen und regelbasierten Welt. Alle Regierungen, ob sie republikanisch oder demokratisch geführt waren, haben sich zu den Grundprinzipien offener Märkte und kollektiver Verteidigung bekannt und ein ineinandergreifendes Netzwerk internationaler Institutionen gepflegt, die der Förderung dieser zwei Prinzipien dient. Obwohl die Selbstverpflichtung Amerikas zur Erhaltung dieser Ordnung zunächst aus einer nüchternen Abschätzung der eigenen Interessen entsprang, kam die Bereitschaft Amerikas, überproportional für die Sicherung dieser Ordnung zu bezahlen, vielen Staaten auf der Welt zugute. Nach dem Zweiten Weltkrieg auf- und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 ausgebaut, schuf diese von Amerika geführte Ordnung eine historisch beispiellose Zeit der internationalen Zusammenarbeit, des Wirtschaftswachstums und der zunehmenden Achtung der Menschenwürde in der Welt.

Gewiss gab es Politiker, die diesen Konsens kritisierten; außerdem blieben die Vereinigten Staaten ihren eigenen Prinzipien nicht immer treu. Doch residierte bisher noch nie ein Präsident im Weißen Haus, der ganz offen die Grundpfeiler der von Amerika geführten Ordnung infrage gestellt hätte. Der zum Präsidenten gewählte Donald Trump tut dies. Er polemisiert gegen offene Märkte, erklärt die Nato für überholt, befürwortet die Folter von Terrorverdächtigen und sägt dabei an allen tragenden Säulen der Nachkriegsordnung. Während das Wahlkampfteam von Hillary Clinton schon früh damit begonnen hatte, Besuche einer Präsidentin Clinton nach Europa zu planen, um dabei das klare Bekenntnis der USA zur transatlantischen Allianz und zu einer starken EU zu unterstreichen, war die erste außenpolitische Handlung des zukünftigen Präsidenten eine Einladung an die Brexit-verpflichtete Premierministerin Großbritanniens. Nicht Europa, sondern die Special Relationship wollte er betonen.

Immer noch ist Vertrauen in die demokratischen Institutionen der USA gerechtfertigt

In der Tat gibt es Grund zur Sorge. Panik wäre aber verkehrt. Denn obwohl die Verfassung dem Präsidenten eine herausragende Stellung in der Außenpolitik einräumt, ist das Staatsoberhaupt auch auf diesem Gebiet kein Alleinherrscher. Mit Zuversicht kann man auf die ausgleichende Wirkung der Institutionen der amerikanischen Demokratie vertrauen. Aber noch mehr: Eine kluge deutsche Außenpolitik wird sie zur Förderung der eigenen Interesse an die Fortsetzung der Nachkriegsordnung nutzen können.

Auch Donald Trump, den der Kongress zunächst mit Respekt vor seiner Leistung und dem erworbenen Amt empfangen hat, wird sehr schnell erfahren, dass auch seine eigenen Parteifreunde an ihrer Unabhängigkeit gegenüber der Exekutive festhalten und eigenmächtige Schritte des Präsidenten mit Argwohn beobachten werden. Abgeordnete — und Senatoren erst recht — sind keine Angestellten des CEO der USA. Zwar wird die Exekutivgewalt des Präsidenten es ihm ermöglichen, viele Verordnungen seines Vorgängers - zum Beispiel über die Interpretation und Vollstreckung von Gesetzen und Regeln in der Immigrations- oder Umweltpolitik - am ersten Amtstag per Befehl außer Kraft zu setzen. Aber die internationalen Verpflichtungen der USA - vor allem jene, die mittels völkerrechtlicher Verträge garantiert sind - kann er im Alleingang nicht kündigen. Obwohl die Verfassung lediglich über das Zustandekommen und nicht die Ablösung von zwischenstaatlichen Verträge spricht, war es niemand anders als Senator Barry Goldwater, Schutzpatron der Aufrührer unter den Republikanern, der in den 1960er-Jahren vehement für das Recht des Senats kämpfte, die Kündigung von Verträgen billigen.

Donald Trump ist nicht deshalb radikal, weil er die Politik Barack Obamas ablehnt. Er ist radikal, weil er die tradierten Prinzipien der US-Außenpolitik, auch die der Republikaner, negiert. Aber die Mehrheit der republikanischen Senatoren, sowie fast alle Demokraten, sind von den Vorteilen einer von Amerika geführten liberalen Weltordnung immer noch überzeugt. Eigenmächtige Versuche, die USA aus der Nato, der Welthandelsorganisation WTO oder sogar der nordamerikanischen Freihandelszone Nafta zurückzuziehen, wären sofort einer Opposition über Parteigrenzen hinweg ausgesetzt.

In ihrer ersten offiziellen Äußerung zum Ausgang der Wahl bot Bundeskanzlerin Angela Merkel dem neu gewählten Präsidenten eine enge Zusammenarbeit auf der Basis gemeinsamer Werte an. In der Zwischenzeit trafen sich Präsident Obama und Donald Trump. Deswegen wird die Kanzlerin vom gegenwärtigen Präsidenten in Berlin hören wollen, was von einer Regierung Trump zu erwarten ist. Eine kluge deutsche Außenpolitik wird sich aber nicht zurücklehnen und darauf warten können, wie die neuen Leute im Weißen Hauses nach dem 20. Januar 2017 reagieren werden. Vielmehr sollten die Deutschen schon heute die Beziehungen zum Kongress intensivieren und dort Verbündete für die Erhaltung des nun bröckelnden Fundaments der jahrelang gemeinsam geschaffenen liberalen Weltordnung suchen.

Und diese gibt es. Der republikanische Senator John Thune, Vorsitzender des Handelsausschusses, war bisher eine sichere Bank, wenn es um die Abwehr protektionistischer Initiativen ging. Und mächtige Parteifreunde, wie die Senatoren John McCain, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses, und Bob Corker, Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses, haben sich entschieden von den Nato-kritischen Äußerungen Donald Trumps distanziert. Corker betonte dabei, dass die Nato das Fundament der US-Verteidigung bilde. Das müsste so manchen in Deutschland wie Musik in den Ohren klingen.

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