Verhandlungen mit Iran:Was unbedingt im Atomkompromiss mit Iran stehen muss

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Iranische Verhandler in Lausanne (von links): Außenminister Dschawad Sarif, Irans Atomchef Ali Akbar Salehi, Präsidentenberater Hossein Fereydoun und Vizeaußenminister Abbas Araghchi. (Foto: AP)

Im Atomstreit mit Iran geht es schon lange nicht mehr darum, die Weiterverbreitung von Nuklearwaffen zu verhindern. Ziel ist nur noch, die Bedrohung einzudämmen.

Gastbeitrag von Schimon Stein

Nach zwei Verlängerungen soll Ende Juni die dritte Runde der Verhandlungen zwischen den sechs internationalen Mächten (P5+1) und Iran über dessen Atomprogramm abgeschlossen werden. Bereits diese Woche müssen die politischen Rahmenbedingungen stehen; bis Juni sollen technische Einzelheiten ausgearbeitet werden.

Sollten letzte Meinungsunterschiede ausgeräumt werden, dann gehen dreizehn Jahre Verhandlungen zu Ende. Sie sollten garantieren, dass Irans Nuklearprogramm ausschließlich zivil ist und das Land nicht die Fähigkeit besitzt, Kernwaffen zu produzieren.

Laut Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sind im vergangenen Jahr mehr Fortschritte erzielt worden als in den zehn Jahren zuvor. Damit dürfte er recht haben. Nur ist das weitgehend der Tatsache geschuldet, dass die P 5+1 strategische Konzessionen gemacht haben und ziemlich weit von ihrer Ursprungsposition abgewichen sind.

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Es ist noch nicht allzu lange her, dass der UN-Sicherheitsrat eine Reihe von Resolutionen verabschiedete, die den bedingungslosen Stopp der Urananreicherung und des Raketenprogramms forderten. Ebenso verlangten die P5+1 die Schließung der Anreicherungsanlage in Fordow und die Umwandlung der Schwerwasseranlage in Arak, in der Plutonium für militärische Zwecke hergestellt werden könnte.

Und heute? Stimmen die Berichte, so wird Iran ein Anreicherungsprogramm zugestanden, die Anlage in Fordow wird weiterarbeiten und das Schwerwasser-Kraftwerk in Arak wird nur seine Kapazität verringern - die aber schnell wieder ausgebaut werden könnte. Das sind nur ein paar Beispiele.

Der ehemalige amerikanische Außenminister Henry Kissinger hat den strategischen Wandel der P5+1 so zusammengefasst: "Die Atomgespräche begannen, gestützt auf sechs UN-Resolutionen, als internationaler Versuch, Iran die Fähigkeit zu nehmen, eine nukleare militärische Option zu entwickeln. Sie sind jetzt im Wesentlichen bilaterale Verhandlungen darüber, wie groß diese Fähigkeit sein soll ..." Es gehe dabei nicht mehr darum, die Weiterverbreitung von Atomwaffen zu verhindern, sondern sie zu managen.

Teherans Opfernarrativ

Eine Erklärung für diesen strategischen Wandel haben weder die amerikanische Regierung noch die P5+1 geliefert. Waren die Konzessionen eine Antwort auf iranische Konzessionen? Ganz und gar nicht.

Während der langen Jahre der Verhandlungen ist Iran kein Jota von seiner angeblichen Position als "Opfer" abgewichen. Teherans Ziel sei es ja schließlich nur, sein "legitimes Recht" auf die zivile Nutzung der Atomenergie in Anspruch zu nehmen - als ob das jemand bezweifelt hätte.

Den Vorwurf, dass Iran den Nichtweiterverbreitungsvertrag verletzt habe, weist man weit von sich. Schließlich gebe es für solche Verstöße bislang keinen Beweis. Nur vergisst Teheran in seinem Opfernarrativ, dass es sich seit Jahren weigert, die auch in dem Vertrag geforderte Transparenz seines Nuklearprogramms herzustellen.

Erst Anfang März - und nicht zum ersten Mal - beklagte der Generaldirektor der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA), dass seine Behörde nicht in der Lage ist, mit Sicherheit festzustellen, dass das nukleare Programm Irans nur zivilen Zwecken dient.

In der Debatte über den Inhalt des Abkommens konnte man lange das Argument hören, dass kein Abkommen doch immerhin noch besser sei als ein schlechtes. Jetzt hört man, dass es immer schwieriger werde, ein Abkommen zu erzielen, je länger man warte - und dass die USA auch ein unvollkommenes Abkommen verkraften könne. Aber können es auch Israel oder Saudi-Arabien verkraften?

Wichtig: Kontrolle

Entscheidend für die Glaubwürdigkeit des Abkommens wird sein, ob es Iran vor einer militärischen nuklearen Option während der Gültigkeit des Abkommens und darüber hinaus abschreckt. Um das Risiko eines Breakout (also des faktischen Baus einer Bombe) auszuschließen, sind folgende Elemente nötig: ein robustes, strenges Inspektionsregime, das auf Kontrolle und nicht bloß auf Vertrauen aufbaut:

  • Es muss möglich sein, zu jeder Zeit und an jedem Ort unangekündigt zu kontrollieren. Dieses Kontrollregime sollte nicht nur während der Vertragsdauer, sondern auch darüber hinaus bestehen, wenn Iran die Möglichkeit haben wird, seine nun reduzierte Infrastruktur auszubauen.
  • Die Zahl der Zentrifugen muss auf weniger als 4000 reduziert werden, der Rest sollte zerstört werden.
  • Auf unter fünf Prozent angereichertes Uran, das die Menge übersteigt, die Iran besitzen darf, muss ins Ausland abgegeben werden.
  • Die Breakout-Zeit muss länger dauern als das derzeitig anvisierte Jahr. Ein Jahr reicht nicht aus, um im Fall eines Verdachts, dass Iran doch eine Bombe herstellt, die nötigen Verifikationen beizubringen und mögliche Maßnahmen international abzustimmen.
  • Der Zweck der Anreicherungsanlagen in Natans und Fordow sowie der Plutoniumanlage in Arak muss verändert werden.
  • Die Forschung muss kontrolliert, die Entwicklung von Zentrifugen oder Waffentechnik untersagt werden;
  • Nötig ist ein Kontrollmechanismus für Technik und Material, die sowohl zivil, als auch militärisch nutzbar sind.
  • Iran muss die bisher verweigerten Informationen über die militärische Dimension des Programms liefern.
  • Notwendig ist es schließlich, die Konsequenzen für den Fall einer Verletzung klar festzulegen, und zwar über die Dauer des Vertrags hinaus.

Ein solcher Automatismus sollte im Vertrag aufgenommen werden als Teil einer Politik der Abschreckung. Der Vertrag sollte mehr als zehn Jahre gelten, um das bestehende tiefe Misstrauen ab- und Vertrauen aufzubauen.

Zudem sollte es keine Abkürzungen geben: Das jetzige Sanktionsregime sollte graduell und je nach Kooperation Irans und einer Bestätigung durch die IAEA Irans abgebaut werden. Und schließlich muss das Abkommen durch den UN-Sicherheitsrat verabschiedet werden.

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Auch wenn ein Abkommen all diese Elemente enthält, wird es immer noch unvollkommen sein. Es unterbindet nicht, wie ursprünglich vorgesehen, die Proliferation von Nuklearwaffen. Es managt sie nur.

Die P5+1 sollten sich über die Folgen im Klaren sein, die ein imperfektes Abkommen auf die Region schon unmittelbar nach Abschluss haben wird. Die ersten Stimmen der Besorgnis haben wir schon aus Saudi-Arabien gehört (von Israel ganz zu schweigen). Diese Besorgnis sollten die P5+1 und andere einbeziehen - und weniger jene, die es kaum erwarten können, Iran wieder in die Staatengemeinschaft zu integrieren.

Schimon Stein, 67, war israelischer Botschafter in Berlin. Nun arbeitet er am "Institut für Sicherheit Strategische Studien" an der Universität Tel Aviv. (Foto: Armin Weigel/dpa)
© SZ vom 31.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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