G-7-Gipfel in Schloss Elmau:Wichtiger Club zur Verbesserung der Welt

Demonstrators In Munich Protest Upcoming G7 Summit

Bei der Demonstration in München gegen den G-7-Gipfel waren Hollande, Obama, Merkel und Co. nur als Pappfiguren vertreten.

(Foto: Getty Images)

Der Protest gegen das Treffen in Bayern ist gewaltig. Doch auch die Gegner sollten einsehen: Wenn es die G-7-Gipfel nicht gäbe, müsste man sie erfinden.

Von Stephan Bierling

Man mag Schloss Elmau in den bayerischen Bergen für den richtigen Ort halten oder nicht. Tatsache bleibt: Wenn es die Gipfeltreffen der Gruppe der sieben großen demokratischen Industriestaaten (G 7) nicht gäbe, müsste man sie erfinden.

Dort haben deren Staats- und Regierungschefs die Gelegenheit, einer politisch und wirtschaftlich aus den Fugen geratenen Welt wenigstens ein bisschen mehr Stabilität und Berechenbarkeit zu verleihen.

Stabilität war auch das Hauptziel, als diese Staatengruppe 1975 zunächst als G 6, von 1976 an dann durch den Beitritt Kanadas als G 7 organisierte. Der Kollaps des Systems fester Wechselkurse und der Ölpreisschock sollten nicht so enden wie der Wirtschaftseinbruch in den frühen 1930er-Jahren.

Damals hatte ein ökonomischer Abschwung durch den Egoismus der großen Industriestaaten, die einseitig Zölle erhöhten und ihre Währungen abwerteten, zum Kollaps des internationalen Handels, zur Weltwirtschaftskrise und letztlich zum Aufstieg der Nazis geführt. Die G-7-Länder wollten einen neuen Absturz verhindern und die Krise gemeinsam meistern.

Stephan Bierling, 53, lehrt Internationale Politik an der Universität Regensburg. Zuletzt erschien von ihm "Vormacht wider Willen. Deutsche Außenpolitik seit der Wiedervereinigung".

G 7 als Folge des Abstieges der Vereinigten Staaten

Dass es überhaupt der G 7 bedurfte, war Folge des relativen Abstiegs der Vereinigten Staaten. Das Bretton-Woods-System mit seinen festen Wechselkursen und das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (Gatt), die nach dem Zweiten Weltkrieg den Freihandel förderten und so den Wohlstand explodieren ließen, hatten die USA noch mehr oder weniger alleine in Gang setzen können.

1950 produzierte Amerika die Hälfte aller Waren und Dienstleistungen der Welt, Anfang der 1970er-Jahre hatten sich die ökonomischen Gewichte verschoben. Deutschland, Frankreich, Japan und andere Staaten waren zu starken Volkswirtschaften herangewachsen. Die G 7 spiegelte diese neue Kräfteverteilung.

20 Jahre lang blieb die G 7 unter sich, erweiterte jedoch ihre Gesprächsthemen. Man beriet über Entwicklungshilfe, Umweltpolitik, den Reaktorunfall in Tschernobyl, das Weltwirtschaftssystem, die Unterstützung der neuen Demokratien Mittel- und Osteuropas.

Ende der Neunzigerjahre wurden aus den G 7 die G 8

1998 wuchs die G 7 zur G 8: Nachdem der sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow und der russische Präsident Boris Jelzin schon seit den frühen 1990er-Jahren zu einzelnen Gipfelthemen hinzugezogen worden waren, nahm der Klub nun Moskau offiziell auf. Ökonomisch war das Humbug: Damals war die russische Wirtschaft so klein wie die niederländische.

Von der Gegendemo in München bis zur Abschluss-PK mit Merkel auf Schloss Elmau: Vom 3. bis 8. Juni 2015 steht Bayern im Zeichen des G-7-Gipfels. Egal ob Gruppenbild mit Kanzlerin, Debatten über Klimawandel oder Verkehrsstaus rund ums Sperrgebiet - die SZ informiert Sie umfassend und live. Alle Berichte finden Sie hier: SZ.de/g7

Aber die G 7 wollte - was Putin-Apologeten leicht vergessen - mit der Aufnahme Russlands in das wichtigste westliche Gesprächsforum Moskau integrieren, nicht ausgrenzen.

Als 2008 die größte Finanz- und Wirtschaftskrise seit Generationen über die Welt hereinbrach, war es allerdings nicht mehr die G 8, die den Kampf gegen sie anführte. Neue Staaten waren aufgestiegen, allen voran China, Indien, Brasilien und Australien. Bereits seit 1999 trafen sich die größten Wirtschaftsmächte der Welt als G 20, jetzt aber bekamen sie zentrale Bedeutung.

Auf Einladung der USA kamen sie erstmals auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs in Washington zusammen, um Maßnahmen gegen die Krise zu diskutieren. Und es funktionierte: Da alle Länder panische Angst vor einer globalen Depression hatten, kooperierten sie eng und schafften so den Umschwung.

Damit ließ jedoch der Druck auf die G 20 zu gemeinsamem Handel nach. Außer der Sorge um ihren Wohlstand einte Demokraten und Diktatoren, die da um einen Tisch saßen, wenig. Die G-20-Gipfel blieben rein ökonomische Treffen.

Wert des Gipfels liegt im gegenseitigen Austausch

Die G 8 dagegen griff neue politische Themen auf wie Armutsbekämpfung, Klimawandel, Schuldenerlass, internationalen Terrorismus, Atomkraft, Steuerflucht oder den Bürgerkrieg in Syrien. Entscheidungen fallen bei den Treffen nie, die G 8 ist im Gegensatz zum UN-Sicherheitsrat oder zu EU-Gipfeln kein Beschlussgremium.

Der wirkliche Wert der G 8 liegt woanders: In der Möglichkeit der Staats- und Regierungschefs, sich ohne feste Tagesordnung auszutauschen, bilaterale Gespräche zu führen und einen gemeinsamen Kurs zur Lösung drängender Probleme zu verabreden.

Der Zeitdruck der jährlichen Gipfel, die von Treffen wichtiger Ressortminister flankiert werden, sorgt dafür, dass jeder Staat liefern muss. Allein schon weil sich das jeweilige Gastgeberland mit Erfolgen schmücken will.

In Elmau zum Beispiel wird nicht nur über die Ukrainekrise und den Klimaschutz gesprochen werden, es geht auch um den Schutz der Weltmeere, den Kampf gegen Pandemien, Antibiotikaresistenzen und die Durchsetzung von Sozialstandards.

Dabei ist es zentral, dass die Staats- und Regierungschefs aus Demokratien kommen. Deshalb wurde Wladimir Putin zum Problem. Zwar stieg Russland in der Zeit hoher Ölpreise zu einer veritablen Wirtschaftsmacht auf, innenpolitisch aber etablierte der Präsident eine autoritäre Herrschaft.

Verbannung Russland hatte viele Gründe

Das alleine schon hätte die Verbannung aus der G 8 gerechtfertigt, sein Krieg gegen die Ukraine und der Propagandafeldzug gegen den Westen erzwangen diesen Schritt 2014 geradezu. Hätte man Russland im Kreis der G 8 belassen, wie Gregor Gysi das fordert, wäre das eine Bankrotterklärung für die Demokratien gewesen.

Die G 7 mag heute nicht mehr so mächtig sein wie vor 20 Jahren, aber noch immer erwirtschaften ihre Mitglieder die Hälfte des Weltsozialprodukts. Wichtiger: Die G 7 ist das einzige Forum, in dem die großen etablierten Demokratien Europas, Nordamerikas und Asiens seit mittlerweile 40 Jahren zusammenarbeiten.

Ihre Staats- und Regierungschefs sind frei gewählt, sie vertreten über ihre Eigeninteressen hinaus auch universelle Werte. Wenn jemand die Welt sicherer und gerechter machen kann, sind es die G-7-Staaten - und nicht Russland oder China.

Im Gegenteil, Moskau und Peking sabotieren durch ihre nationalistische Expansionspolitik und ihre Blockadehaltung im Sicherheitsrat die ohnehin fragile internationale Ordnung.

Und die drei Demokratien Indien, Brasilien und Südafrika sind bisher den Nachweis schuldig geblieben, dass sie in ihren Weltregionen für mehr Stabilität sorgen oder bei den Vereinten Nationen globale Verantwortung übernehmen wollen.

G 7-Gegner müssen sich fragen: Was ist die Alternative?

Wenn Protestgruppen wie "Stop G 7 Elmau" die G-7-Länder als Ursache allen Übels auf der Welt denunzieren und ankündigen, ihre Politik zu bekämpfen, müssen sie sich fragen lassen: Was ist die Alternative dazu, dass sieben der größten Demokratien der Welt im Rahmen einer jahrzehntelang praktizierten Kooperation versuchen,

Wohlstand zu garantieren, den Frieden zu sichern, die Umwelt zu schützen und eine gefährdete internationale Ordnung zu stabilisieren?

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