Ausschreitungen in Südafrika:Gefangen in einer Welt der Brutalität

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Eine Welle der Gewalt gegen Ausländer erschüttert seit zwei Wochen Südafrika. Die drei Millionen Flüchtlinge aus Simbabwe sind verzweifelt. Denn in ihrer Heimat tobt die Gewalt noch schlimmer.

Arne Perras

Central Methodist Church, im Herzen von Johannesburg: Mehr als tausend Menschen haben sich in das Gotteshaus geflüchtet, sie drängen sich schon im Treppenhaus hinter dem Eingang, ein stechender Geruch liegt in der Luft.

Proteste gegen fremden- feindliche Gewalt vor der Central Methodist Church in Johannesburg. Die Kirche dient Flüchtlingen als Unterschlupf. (Foto: Foto: dpa)

Die Vertriebenen stehen Schlange, sie warten auf ihre Essensrationen, hinten wird gedrängelt, Männer fauchen sich an. Flüchtlingselend in der Metropole. All diese Menschen wissen nicht wohin. Und sie haben Angst. Schon mehrfach haben Schläger versucht, die Kirche anzugreifen, Sicherheitskräfte konnten Attacken noch verhindern.

In der Ecke steht Tendai Naria, ein junger Mann aus Simbabwe. Zu Hause hat er früher als Buchhalter gearbeitet, nach der Wahl ist er geflohen, weil Präsident Robert Mugabe seine Schlägertrupps entfesselt hat. In Südafrika wollte der Mann Arbeit suchen. Doch dann tauchte der Mob in den Straßen auf und machte Jagd auf die Ausländer.

Naria floh in die Kirche und rätselt nun, wie es weitergeht. Er würde gerne abstimmen in der Stichwahl in Simbabwe, die Ende Juni stattfinden soll: "Ich weiß aber nicht, ob ich es wagen kann. Die Gewalt dort ist systematisch. Es ist noch schlimmer als hier".

Auch draußen in den Armenvierteln am Rande von Johannesburg ist die Angst der Flüchtlinge nicht gewichen. Vor der Kirche in Reiger Park sitzt George Made, ein Mann aus Malawi. Neben sich hat er ein paar Möbel aufgestapelt, Matratzen, Töpfe, Decken. Mehr konnte er nicht retten aus seinem Haus, viele andere haben gar nichts mehr bei sich.

Er hat als Wächter gearbeitet in Südafrika, der Hunger hatte ihn und die Familie aus Malawi fortgetrieben, aber jetzt will er zurück, so schnell wie möglich. Vor einer Woche ist er um sein Leben gelaufen, als die Schläger durch die Straßen zogen.

Und nun das Warten. Seit Tagen geht nichts voran. "Es ist schlimm, hier zu sitzen und nichts tun zu können", sagt er. "Wir müssen fort, denn wir wissen nicht, was noch alles passiert". Er fühlt sich unsicher, obwohl die Polizeistation nur fünfzig Meter vom Sammelplatz der Flüchtlinge entfernt liegt.

"Ich will hier wieder weg"

An diesem Wochenende ist es etwas ruhiger geworden in und um Johannesburg, die Gewalt wütete in den vergangenen Tagen stärker in der Umgebung von Kapstadt, wo allein 15 000 Menschen vertrieben wurden. Der Mob plünderte Geschäfte, und die Polizei musste hart kämpfen, um Schlimmeres zu verhindern.

Für die drei Millionen Simbabwer in Südafrika ist die Lage besonders verzweifelt, denn sie müssen auch in ihrer Heimat lebensgefährliche Gewalt fürchten. Sie sehen keinen Ausweg, sie sind gefangen in einer Welt, in der überall brutale Gegner lauern.

Zwei Frauen aus Mosambik wagen am Wochenende den Weg zurück nach Ramaphosa, wo der Mob besonders schlimm gewütet hat. Die Flüchtlinge kommen mit einer Polizeieskorte, doch der Mann, der den Lieferwagen fährt und vor der früheren Unterkunft der Frauen hält, blickt sich ständig nervös um. "Macht schnell", sagt er, "Ich will hier wieder weg".

Die Mädchen huschen ins Haus, wo sie zur Miete gewohnt haben, sie tragen einen Kocher heraus, zwei Taschen, Matratzen, Töpfe. Hastig verstaut der Fahrer die Sachen, dann rauscht er mit der Polizeistreife davon. Die Nachbarn haben alle zugesehen. Ein Frau sagt: "Ich habe kein Problem mit den Ausländern. Von mir aus können sie bleiben." Eine andere sagt: "Gut, dass sie endlich weg sind."

Von der Wellblechsiedlung Ramaphosa bis ins glitzernde Nobelviertel Sandton dauert die Fahrt mit dem Auto eine halbe Stunde. Hochhäuser mit Glasfassaden ragen hier in den Himmel, ein teures Hotel reiht sich an das andere, Shopping-Malls bieten alles, was das Herz begehrt.

Vor einem italienischen Cafe hält ein schwarzer BMW, heraus steigt eine freundliche ältere Dame in Stöckelschuhen und trippelt zum Kofferraum. Sie hat eingekauft für die Flüchtlinge von Ramaphosa: Decken, Kleidung, Essen. Sie drückt die Pakete ein paar Helfern in die Hand, die in Sandton eine Sammlung organisiert haben.

Elend und Reichtum, Verderben und Luxus. Diese Welten liegen in Südafrika ganz nah nebeneinander.

© SZ vom 26.5.2008/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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