Ausschreitungen in Nordirland:Wenn die Gewalt neu ausbricht

Lange Zeit währte in Belfast ein brüchiger Frieden zwischen Katholiken und Protestanten. Doch mit den jüngsten Ausschreitungen ist der Nordirlandkonflikt neu ausgebrochen. Auslöser ist ein Streit um eine Flagge auf dem Rathausdach.

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Quelle: AFP

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Lange Zeit währte in Belfast ein brüchiger Frieden zwischen Katholiken und Protestanten. Doch mit den jüngsten Ausschreitungen ist der Nordirlandkonflikt neu ausgebrochen. Auslöser ist ein Streit um eine Flagge auf dem Rathausdach.

Seit Tagen gibt es in der nordirischen Hauptstadt Belfast gewaltsame Ausschreitungen. Mehrere Hundert Demonstranten attackierten Polizisten mit Steinen, Feuerwerkskörpern und Flaschen und zündeten Autos an. Nach Angaben der Polizei wurden etwa 50 Menschen verletzt, zudem gab es 70 Festnahmen. Einige Polizisten berichteten, sie seien von Demonstranten unter Beschuss genommen worden. Ein 38-jähriger Mann wurde wegen des Verdachts auf versuchten Mord festgenommen.

Union flag protest

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Der Krawalle ging am Samstag eine zunächst friedliche Demonstration von pro-britischen Gruppen voraus.

Loyalist protesters demonstrate against restrictions on flying Britain's union flag from Belfast City Hall in central Belfast

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Die Proteste richten sich gegen eine Entscheidung des Stadtrats von Belfast. Die Verwaltung der nordirischen Hauptstadt hatte Anfang Dezember beschlossen, die britische Flagge nicht mehr jeden Tag über dem Rathaus wehen zu lassen, sondern nur noch bei besonderen Anlässen an wenigen Tagen im Jahr. Dagegen wehren sich pro-britische Protestanten - sie sehen darin ein zu großes Zugeständnis an die nach einem vereinten Irland strebenden katholischen Republikaner.

Police in riot gear marshal protesters waving Union Flags in front of the City Hall provoked by a decision to remove the British flag from Belfast's City Hall

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Die Polizei trieb die Demonstranten mit Wasserwerfern auseinander und verstärkte ihre Präsenz in der Stadt.

FILE PHOTO - Northern Ireland Troubles Retrospective

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Mit dem Flaggenstreit und den daraus resultierenden Protesten flammt ein jahrzehntealter Konflikt um die seit den zwanziger Jahren bestehende Teilung Irlands wieder auf. Dabei kämpften pro-britische Protestanten (auch Unionisten genannt) gegen nationalistische, auf Wiedervereinigung bestrebte, irische Katholiken. Die auf Englisch "The Troubles" genannte Auseinandersetzung eskalierte im Jahr 1969. In der Folge kam es zu heftigen Gewaltausbrüchen, bei denen insgesamt etwa 3500 Menschen getötet wurden (Das Bild zeigt einen britischen Soldaten bei seiner Patrouille in Belfast im Jahr 1971).

'Blutiger Freitag' in Belfast

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Infolge des sich verschärfenden Konflikts gewann die irisch-republikanische Armee (IRA) immer mehr Einfluss. Sie war eine paramilitärische Gruppe, die die völlige Unabhängigkeit Irlands mit Gewalt durchsetzen wollte. Die Erschießung von 13 Menschen durch britische Fallschirmjäger bei einer Demonstration in der nordirischen Stadt Derry am 30. Januar 1972, dem Blutsonntag (englisch: Bloody Sunday), verstärkte die Unterstützung großer Teile der katholischen Bevölkerung für die IRA und ihre daraus folgenden Rekrutierungen nahmen stark zu.

Mehrfach verübte die IRA in den Jahren danach Bombenanschläge in Belfast (hier ein Bild von Löscharbeiten an einer Busstation in der Oxford-Street vom Juli 1972). In den achtziger und frühen neunziger Jahren kam es zudem zu einer Reihe von gezielten Tötungen politischer Führer auf beiden Seiten.

PRIME MINISTER BERTIE AHERN AND TONY BLAIR SHAKE HANDS

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Mit dem Friedensabkommen vom Karfreitag des Jahres 1998 nahm der blutige Konflikt ein vorläufiges Ende. Der Vertrag (hier der damalige britische Premier Tony Blair (re) und sein irischer Amtskollege Bertie Ahern kurz nach der Unterzeichnung) sah eine Machtteilung zwischen Protestanten und Katholiken in Nordirland vor. Großbritannien verpflichtete sich zu einem umfassenden Truppenabzug, dafür verzichtete die Republik Irland auf ihre Forderung nach der Wiedervereinigung beider Landesteile. Außerdem erklärten sowohl die pro-britischen, paramilititärischen Gruppen UDF und UVF als auch die pro-irische Untergrundgruppe IRA sich bereit, ihre Waffen abzugeben und künftig auf Gewalt zu verzichten. 

Sonya Foster, a care worker, poses for a picture in the back garden of her home in the Glenbryn area of Belfast

Quelle: Reuters

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Nach 1998 normalisierte sich die politische Situation in Nordirland. Die Bevölkerung war - nach fast drei Jahrzehnten Konflikt - der Gewalt überdrüssig geworden. Aus Sicherheitsgründen blieben viele katholische und protestantische Viertel in Belfast aber weiterhin getrennt - durch meterhohe Zäune, die teilweise mitten durch die Gärten der Anwohner verlaufen. 

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Allerdings gab es in den Jahren danach mehrfach Ausschreitungen in Belfast. Meist jugendliche Gewalttäter beider Konfessionsgruppen gingen aufeinander los, warfen Steine, Feuerwerkskörper und Molotow-Cocktails, wie hier im Jahre 2011.

Kritisch wurde die Situation insbesondere nach den sogenannten Orange-Walk-Paraden, mit denen protestantische Traditionsverbände jedes Jahr am 12. Juli an den Sieg des englischen Königs Wilhelm von Oranien über den katholischen König Jakob II im Jahre 1690 erinnern. Diese Märsche, die teilweise auch durch katholische Viertel führten, werden dort als bewusste Provokation angesehen.

Anschlag vor Geheimdienstzentrale in Nordirland

Quelle: dpa

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Immer wieder kam es auch zu einzelnen Anschlägen, wie hier im April 2010, als eine Autobombe vor der Zentrale des Geheimdienstes in Belfast explodierte. Verantwortlich dafür waren meist radikale Splittergruppen, wie die sogenannte "Real IRA", die den Friedensprozess nicht anerkannt hatten und am bewaffneten Kampf festhielten.

© Süddeutsche.de
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