Ausnahmezustand:Mazedonien schlägt Flüchtlingen die Tür zu

A new group of immigrants wait at the border line of Macedonia and Greece to enter into Macedonia

Sie haben es noch nach Mazedonien geschafft: Flüchtlinge auf der Durchreise im im Städtchen Gevgelija an der Grenze zu Serbien.

(Foto: Ognen Teofilovski/Reuters)
  • Bislang ließ Mazedonien Flüchtlinge umstandslos passieren. Doch nun ändert das Land seine Strategie.
  • Soldaten sollen an der Grenze zu Griechenland verhindern, dass die Flüchtlinge überhaupt in das Land kommen.
  • Skopje rief den Ausnahmezustand aus.

Von Nadia Pantel

Es gibt verschiedene Arten "Wir wollen euch nicht" zu sagen. Man kann die Tür verschließen, oder man kann Menschen extrem schnell an dieser Tür vorbeiwinken. Bislang hatte sich Mazedonien für die zweite Variante entschieden. Die Strategie für den Umgang mit Flüchtlingen in dem kleinen Land lautete: So schnell wie möglich durchschleusen.

Seit Januar sind auf den griechischen Inseln 160 000 Menschen aus Syrien, aber auch aus Eritrea, Pakistan und Afghanistan angekommen. Unter den Flüchtenden sprechen sich die katastrophalen Bedingungen in den griechischen Aufnahmelagern schnell herum, und so wollen die meisten weiter nach Deutschland, Schweden oder in andere mittel- und westeuropäische Länder.

Auf dem Weg dorthin wählen sie die sogenannte Westbalkanroute. Wer es aufs griechische Festland geschafft hat, fährt mit dem Bus von Thessaloniki nach Idomeni, direkt an der mazedonischen Grenze. Von Mazedonien geht es nach Serbien und schließlich durch Ungarn bis zur österreichischen Grenze.

Mit welcher Verzweiflung die Menschen diese Reise antreten, zeigen die jüngsten Bilder aus Gevgelija. In der kleinen Stadt, nur 500 Meter von Griechenland entfernt, kommen am Tag und in der Nacht Flüchtlingsgrüppchen an. Abgekämpft und erschöpft, meistens völlig dehydriert. Manche wurden von den Grenzposten registriert, manche nicht.

Alle sollten und wollten so schnell wie möglich in einen der Züge steigen, die Richtung Serbien fahren, 180 Kilometer, dicht gedrängt. Die Züge sind offiziell für 200 Passagiere zugelassen. Aber mit offiziellen Zahlen rechnet an der griechisch-mazedonischen Grenze ohnehin schon lange niemand mehr. Das Innenministerium in Skopje gab bekannt, dass sich in Mazedonien seit Juni 38 000 Flüchtlinge bei der Polizei oder Grenzern gemeldet hätten. Doch freiwillige Helfer zählen zur Zeit allein am Bahnhof von Gevgelija täglich 2000 Ankömmlinge.

Gestrandet im Niemandsland

Am Donnerstag hat die Regierung in Skopje nun angekündigt, den Umgang mit den Flüchtlingen ändern zu wollen. Sie rief den Ausnahmezustand aus, um zusätzliche Soldaten an die Grenze zu Griechenland entsenden zu können. Diese sollen die Flüchtlinge daran hindern, ins Land zu gelangen.

Das führte umgehend dazu, dass Tausende im Niemandsland zwischen Mazedonien und Griechenland festsaßen. Ohne Schutz und ohne ausreichend Nahrung oder Wasser. Die mazedonische Regierung reagierte auf die humanitäre Krise mit dem Einsatz von Polizei-Spezialeinheiten.

Die Situation könnte sich noch deutlich verschlimmern, wenn sich noch mehr Menschen von der griechischen Insel Kos aufmachen, das Festland zu erreichen. Auch ihr Ziel wird die griechisch-mazedonische Grenze sein.

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen hat sowohl Mazedonien als auch Serbien dringend dazu angehalten, Flüchtlingscamps zu errichten. Bislang ließen die Länder die Flüchtlinge weitestgehend unversorgt und unkoordiniert campieren. Serbiens Premierminister Aleksandar Vučić hatte den Serben noch vor einer Woche versprochen, dass es ein offizielles Lager in Belgrad nicht geben werde.

72 Stunden Zeit, das Land zu durchqueren

Das Land befürchtet, zur europäischen Sammelstelle für Flüchtlinge zu werden, wenn Ende August der Bau des vier Meter hohen Zauns abgeschlossen sein wird, der Ungarns Grenze Richtung Serbien verschließt. Mazedoniens Regierung forderte Hilfe von der Europäischen Union an, da das Land nicht über die Kapazitäten verfüge, die Flüchtlinge zu registrieren.

Erst seit Juni dieses Jahres dürfen die Flüchtlinge überhaupt auf ihrer Durchreise durch Mazedonien Züge und Busse benutzen. Da war die Zahl der Syrer, die in Mazedonien einreisten, auf eine Größe angewachsen, die die Regierung nicht länger ignorieren konnte. Bis Juni gingen die Flüchtlinge durch Mazedonien zu Fuß, immer entlang der Bahngleise, um sich nicht zu verlaufen.

Nachdem mehrere Menschen von Zügen erfasst und getötet worden waren, wurde ein Gesetz erlassen, das den Flüchtlingen 72 Stunden Zeit gibt, um das Land per Zug oder Bus zu durchreisen. Alternativ kann auch in Mazedonien ein Asylantrag gestellt werden. Doch das mazedonische Asylsystem ist zusammengebrochen, die Auffanglager sind eher Gefängnisse als Orte der Hilfe.

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