Auschwitz-Verfahren in Neubrandenburg: Prozess gegen SS-Sanitäter Zafke eingestellt

Auschwitz-Verfahren in Neubrandenburg: Unterscharführer Hubert Zafke in seiner SS-Uniform

Unterscharführer Hubert Zafke in seiner SS-Uniform

(Foto: Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau)
  • Das Verfahren gegen den früheren SS-Sanitäter Ernst Hubert Zafke ist vom Landgericht Neubrandenburg eingestellt worden.
  • Als Grund wird eine Demenzerkrankung des 96-Jährigen angegeben.
  • Zafke soll 1944 Beihilfe geleistet haben zu der Ermordung von mehr als 3000 Juden im KZ Auschwitz-Birkenau.

Von Oliver Das Gupta

Das Verfahren gegen den früheren SS-Sanitäter Ernst Hubert Zafke ist um eine Volte reicher. Die 64. Strafkammer hat den Prozess am 11. September eingestellt, teilt das Landgericht Neubrandenburg schriftlich mit.

Als Grund wird eine Verhandlungsunfähigkeit des 96-jährigen Angeklagten genannt. "Er ist aufgrund einer Demenzerkrankung nicht mehr imstande, einer Hauptverhandlung zu folgen", heißt es in der Pressemitteilung. Die Entscheidung des Gerichts entspreche dem "übereinstimmenden Antrag der Staatsanwaltschaft, der Verteidigung und auch der Nebenklage".

Zafke war beschuldigt worden, als SS-Mann 1944 Beihilfe zum Mord in mehr als 3000 Fällen geleistet zu haben. Tatort: das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.

Mit der Prozesseinstellung endet ein Verfahren, das teilweise skandalös verlaufen war. Im Juni waren der Vorsitzende Richter am Landgericht Neubrandenburg, Klaus Kabisch, sowie zwei weitere Richter der Kammer wegen Befangenheit abgelehnt worden - ein einmaliger Vorgang in einem NS-Verfahren. Vorausgegangen waren monatelange Auseinandersetzungen zwischen den Richtern, der Staatsanwaltschaft und den Nebenklägern. Bereits im Februar 2016, als der Prozess beginnen sollte, hatte die Staatsanwaltschaft Zweifel geäußert, ob das Gericht diesen überhaupt führen wollte.

Holocaust-Überlebender die Teilnahme verwehrt

Kabisch und seine Richterkollegen hatten wiederholt versucht, dem Nebenkläger und Holocaust-Überlebenden Walter Plywasky die Teilnahme an der Verhandlung zu verwehren. Es müsse sich "bei dem Nebenkläger nahezu zwangsläufig der Eindruck ergeben", die Richter seien ihm gegenüber nicht unvoreingenommen gewesen, "als sie beschlossen haben, ihn aus dem Verfahren auszuschließen", hieß es in dem Beschluss der 60. Schwurgerichtskammer zur Ablehnung Kabischs (hier mehr dazu).

NS-Opfer Plywasky wurde als Kind im August 1944 nach Auschwitz deportiert, wo seine Mutter vergast wurde und sein Vater ebenfalls starb.

Im Spätsommer 1944, als SS-Sanitäter Zafke dort Dienst tat, waren 14 Transporte aus ganz Europa angekommen, aus Österreich und Griechenland, aus Frankreich und den Niederlanden. Unter den Deportierten waren auch die Tagebuch-Autorin Anne Frank und ihre Familie.

SS-Sanitätsdienstgrade wie Hubert Zafke waren in den Konzentrationslagern den Lagerärzten unterstellt. Sie fungierten als Hilfspersonal mitunter auch in den Krankenrevieren für Häftlinge. Dort ermordeten sie Gefangene mit Phenol-Injektionen.

Der frühere SS-Mann Zafke fühlte sich ungerecht behandelt

Die Staatsanwaltschaft warf Zafke nicht vor, Menschen eigenhändig ermordet zu haben. Eine direkte Tatbeteiligung ist nicht nachzuweisen. Wohl aber half er - wie jeder SS-Mann in Birkenau - wissend und willig indirekt mit am Genozid an den europäischen Juden.

Zafke hatte sich vor dem Prozess in der Presse offen zu seiner Zeit in Auschwitz geäußert. Er fühlte sich ungerecht behandelt, denn nach dem Zweiten Weltkrieg war er in Krakau wegen seiner SS-Zugehörigkeit zu vier Jahren Haft verurteilt worden. In Polen habe er zur Strafe auf dem Bau arbeiten müssen, sagte Zafke der SuperIllu: "Damit habe ich meine Schuld abgetragen."

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