Ausbruch aus dem Gazastreifen:"Das größte Gefängnis der Welt"

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1,5 Millionen Menschen drängen sich in einem 38 Kilometer langen Gebietsstreifen. Israel kontrollierte bislang die meisten Zugänge. Die Palästinenser nannten Gaza deswegen das "größte Gefängnis der Welt".

Ivo Marusczyk

Ein Stacheldrahtzaun durchschneidet die Dünen an der Küste. Wachtürme und Bewegungsmelder schotten die Grenze ab, ein 500 Meter breites Sperrgebiet entlang der Grenze macht die Überwachung perfekt.

38 Kilometer lang, 5 Kilometer breit: Im Gaza-Streifen drängen sich knapp 1,5 Millionen Menschen. (Foto: Karte: SZ-Infografik)

Knapp 1,5 Millionen Menschen drängen sich in einem kargen Landstreifen zwischen Wüste und Meer: Der Gazastreifen gilt als eines der am dichtesten besiedelten und gleichzeitig als eines der ärmsten Gebiete der Erde.

Seit die Hamas im Juni 2007 die Kontrolle über das Gebiet übernommen hat und seit immer mehr Kassam-Raketen im Süden Israels einschlagen, hat Israel den Küstenstreifen immer strenger abgeriegelt. Vorübergehend wurden auch die Treibstofflieferungen gekappt.

Schon lange vor dem Bau der umstrittenen Sperranlage im Westjordanland wurde der Grenzzaun errichtet: Eine 52 Kilometer lange Barriere aus Stachel- und Maschendraht umschließt das Palästinensergebiet seit 1994. Entlang der ägyptischen Grenze wurde zusätzlich eine Mauer aus Stahlbeton-Elementen errichtet.

Damit wirkt die Grenzbefestigung zwar nicht so martialisch wie die bis zu acht Meter hohe Betonmauer im Westjordanland, sie wird aber umso schärfer bewacht.

Im September 2005 hatte Israel sich aus dem Gazastreifen zurückgezogen und die Siedlungen dort geräumt. Dennoch behält die Armee eine weitgehende Kontrolle über das Gebiet. Flugzeuge, Hubschrauber und unbemannte Drohnen können jede Bewegung im Gazastreifen verfolgen.

Von der ägyptischen Grenze bis zum Nordende des Gazastreifens in der Nähe des Grenzübergangs Erez sind es rund 38 Kilometer und an der schmalsten Stelle ist das Gebiet nur gut fünf Kilometer breit.

Israel schließt die Grenzposten

Bis vor kurzem führten noch drei Wege aus dem Gazastreifen hinaus. Früher überquerten Tag für Tag Tausende Palästinenser den Grenzübergang Erez am Nordrand des Gebiets, um in Israel zu arbeiten. Doch dieser Grenzposten ist geschlossen.

Der wichtigste Grenzübergang für die Versorgung des Gazastreifens heißt Karni und liegt südöstlich der Stadt Gaza. Über diese Station wurden die meisten Güter in den Gaza-Streifen gebracht, auch die wenigen Exporte des Gaza-Streifens laufen über Karni. Immer wieder wird der Warenfluss über Karni unterbrochen. Die anderen Kontrollstellen Sufa, Kissufim und Kerem Shalom spielen bis heute kaum eine Rolle.

Grenzstation unter europäischer Kontrolle

Der dritte wichtige Grenzübergang Rafah liegt im Süden des Gazastreifens und verbindet die Palästinensergebiete mit Ägypten. Über die Kontrolle dieses Grenzpostens gab es lange Auseinandersetzungen: Israel wollte die Kontrolle dieses strategisch wichtigen Punkts nicht aufgeben.

Deswegen übernahm die Europäische Union im Jahr 2005 eine Mission an diesem Grenzposten. EU-Polizisten beobachteten und überwachten die Grenzabfertigung. Sie sollten den Aufbau eines palästinensischen Grenzschutzes unterstützen und sicherstellen, dass keine Waffen über Rafah in den Gazastreifen gelangen.

Am 25. Juni 2006 entführten militante Palästinenser einen israelischen Soldaten, der an der Grenze zwischen Israel und dem Gazastreifen Dienst hatte. Seitdem ist der Gazastreifen weitgehend abgeriegelt. Zwischen Juni 2006 und Juni 2007, als die Hamas die Kontrolle über den Gazastreifen übernahm, war der Grenzübergang Rafah nach Angaben der EU nur an 83 Tagen geöffnet. Die EU-Beobachter sind aber nach wie vor einsatzbereit.

Fischen nur in Küstennähe

Auch über das Meer führt kein Weg aus Gaza hinaus oder nach Gaza hinein. Die Küstenlinie des Gazastreifens ist zwar 38 Kilometer lang, doch es gibt keinen funktionierenden Hafen. Die Baustelle des Seehafens von Gaza liegt seit Oktober 2000 brach.

Außerdem kontrolliert die israelische Marine nach wie vor die Gewässer vor dem Gazastreifen. Fischerboote dürfen sich nach Angaben der israelischen Menschenrechtsorganisation B'Tselem derzeit höchstens drei nautische Meilen (rund 5,5 Kilometer) von der Küste entfernen. Fahren sie weiter aufs Meer hinaus, müssen sie damit rechnen, beschossen zu werden.

Geisterflughafen an der Grenze

Von 1998 bis 2001 gab es im Süden des Gazastreifens, unmittelbar an der ägyptischen Grenze, auch einen Flughafen: Doch auch hier kontrollierte Israel die Reisenden, auch wenn die Grenzbeamten hinter Spiegelglas unsichtbar blieben. Bei Kämpfen im Zuge der Al-Aksa-Intifada wurde der Yassir-Arafat-Flughafen allerdings schwer beschädigt. Bulldozer der israelischen Armee machten die Landebahn unbrauchbar.

Bis 2006 waren die Schalter des Flughafens noch besetzt, obwohl kein Flugzeug mehr starten oder landen konnte. Der Flughafen wurde aber nicht wieder aufgebaut.

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