Aus für Netzsperren:Regieren ganz nach Gusto

Der verfassungswidrige Umgang mit dem Internet-Gesetz war und ist bezeichnend: Die Regierung behandelt das Parlament nach Gusto.

Heribert Prantl

Ein Gesetz ist kein Schokoladenriegel. Den Riegel kann man kaufen, anbeißen und wegwerfen, wenn er einem nicht schmeckt. Mit einem Gesetz geht das nicht. Es gilt, einmal verabschiedet, auch für die Kanzlerin. Bei einem Gesetz kann man sich nicht aussuchen, ob es einem schmeckt; auch die Regierung kann das nicht. Sie ist die vollziehende Gewalt und an Recht und Gesetz gebunden; so steht es im Grundgesetz. Nun hat die Bundesregierung beschlossen, sich verfassungskonform zu verhalten.

Seit mehr als einem Jahr verstößt die Bundesregierung nämlich gegen die Gesetzesbindung. Sie hat das im Parlament verabschiedete, vom Bundespräsidenten im Februar 2010 unterzeichnete, im Bundesgesetzblatt veröffentlichte Internet-Sperrgesetz einfach nicht angewendet. Sie hat keine Infrastruktur aufgebaut, um die vom Gesetz vorgeschriebene Sperrung von kinderpornographischen Seiten zu realisieren. Sie hat das eigene Gesetz einfach ignoriert. Sicher: Es war (was fast jeder schon vorher wusste) ein schlechtes Gesetz. Aber die Regierung hatte es auf den Weg gebracht und sie kann ein Gesetz, ob es nun gut, schlecht oder überflüssig ist, nicht nach Gutdünken anwenden oder nicht. Abschalten kann sie es nur mit einem neuen Gesetz. Jetzt hat sie sich endlich darauf verständigt, das schlechte Internet-Sperrgesetz durch ein Löschgesetz abzulösen.

Der verfassungswidrige Umgang mit dem Internet-Gesetz war und ist bezeichnend: Die Regierung behandelt das Parlament nach Gusto. Beim Atom-Moratorium umgeht man es; mit Rettungsschirmen rennt man hastig durch. Rechtsstaatlichkeit ist etwas anderes. Das Parlament ist keine Konditorei, in der man einkauft, wenn man Lust hat.

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