Unruhen der Arabischen Welt:Kritik an Beobachter-Einsatz in Syrien wächst

Sie sind kaum eine Woche im Land, da sollen sie schon wieder gehen: Ein Gremium der Arabischen Liga fordert den Abzug der Beobachter aus Syrien, weil die Gewalt im Land fortdauert. Die Opposition plant unterdessen für die Zeit nach Präsident Assad.

Wegen der anhaltenden Gewalt syrischer Sicherheitskräfte gegen Oppositionelle wächst in der arabischen Welt die Kritik an dem Einsatz von Beobachtern der Arabischen Liga. Die Delegation müsse Syrien sofort verlassen, forderte das an die Arabische Liga angeschlossene Arabische Parlament am Sonntag. Grund sei das weiterhin brutale Vorgehen syrischer Sicherheitskräfte gegen Demonstranten. Wenn vor den Augen der Beobachter weiter Gewalttaten geschähen, werde die Regierung von Präsident Baschar al-Assad indirekt gedeckt, erklärte das Arabische Parlament, ein Berater-Ausschuss mit 88 Delegierten aller Liga-Staaten.

Beobachter-Vorausteam in Syrien erwartet

Junge Männer demonstrieren in Barzeh, einem Vorort von Damaskus, gegen die syrische Regierung (Archivbild).

(Foto: dpa)

Der kuwaitische Parlamentssprecher Ali Salem al Dekbasi sagte, die Beobachter böten dem Regime von Präsident Baschar Assad eine Deckung, hinter der es sein "menschenverachtendes Vorgehen" fortsetze. "Die Tötung von Kindern und die Verletzung von Menschenrechten geschieht in Anwesenheit der Beobachter der Arabischen Liga. Das macht die arabischen Völker wütend", sagte al Dekbasi. "Die Mission der Arabischen Liga hat ihr Ziel verfehlt, die Ermordung von Kindern zu stoppen und den Abzug der Truppen sicherzustellen. Vor der Nase der Beobachter werden unmenschliche Taten begangen."

In Syrien gehen die Sicherheitskräfte Menschenrechtlern zufolge unvermindert hart gegen die Opposition vor. Am Wochenende seien mehr als 30 Menschen getötet worden, teilte die in Großbritannien ansässige Beobachtergruppe für Menschenrechte mit. Allein bei den Massenprotesten gegen den autokratischen Präsidenten am Freitag seien 27 Menschen erschossen worden und zwar in Landesteilen, in denen keine Inspektoren der Arabischen Liga gewesen seien. Am Samstag hätten Heckenschützen vier Zivilisten getötet.

Syrische Führung scheint Delegierte zu täuschen

Die Liga-Beobachter halten sich seit knapp einer Woche in Syrien auf. Sie sollen die Einhaltung eines Friedensplans überwachen, den die syrische Führung im November mit dem Staatenbund vereinbart hat. Darin sagt sie ein Ende der Gewalt gegen die Opposition zu. Der Aktivist Omar Idlibi kritisierte, dass die Delegierten von der syrischen Führung massiv getäuscht würden. In der Provinz Idlib, nahe der türkischen Grenze, habe die Armee ihre Panzer versteckt, als die Beobachter kamen. Nach dem Besuch sei das Militär wieder aufgefahren.

Da die syrische Führung die meisten ausländischen Journalisten ausgewiesen hat, lassen sich Angaben rund um die Proteste und das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte kaum unabhängig überprüfen. Die Arabische Liga erklärte, die Beobachter sollten rund einen Monat in Syrien bleiben. Sie würden in Kürze durch weitere Inspektoren verstärkt. Derzeit sei es zu früh, über den Erfolg des Einsatzes zu urteilen. Das Arabische Parlament erklärte hingegen, die Präsenz der Beobachter habe die Araber aufgebracht. Der Ausschuss hatte sich als erstes Liga-Gremium dafür ausgesprochen, die Mitgliedschaft Syriens in der Liga wegen der anhaltenden Gewalt einzufrieren.

Äußerungen des Chefs der Beobachtergruppe hatten zuletzt für heftige Kritik gesorgt. Nach einem Besuch in der Protesthochburg Homs hatte der sudanesische General Mustafa al-Dabi erklärt, die Lage dort sei ruhig. In einer offiziellen Stellungnahme rückte die Delegation später wieder von den Äußerungen ab.

Opposition bereitet sich auf die Zeit nach Assad vor

Die größten syrischen Oppositionsgruppen schmieden derweil einen Plan für die Zeit nach Präsident Baschar Assad. Wie die Führer der beiden wichtigsten regierungskritischen Bewegungen am Samstag mitteilten, wurde bei einem Treffen in Kairo am Vorabend ein Vertragsentwurf zur Einführung der Demokratie in dem seit März von gewaltsamen Unruhen geplagten Land unterzeichnet. Eine offizielle Kopie des Textes sollte noch am Sonntag dem Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil Elarabi, überreicht werden.

Die beiden führenden Gruppen, der syrische Nationalrat (SNC) und das Nationale Koordinationskomitee für Demokratischen Wandel (NCC) seien sich einig, dass das Regime Assads verschwinden und durch ein demokratisches System ersetzt werden müsse. Sobald der Präsident zurücktrete, solle eine "Phase des Übergangs" beginnen, in der zunächst alle staatlichen Institutionen erhalten werden müssten. Im Anschluss sei eine neue Verfassung zu verabschieden, die ein "ziviles, pluralistisches, parlamentarisches und demokratisches System" garantiere. Erst danach solle ein Parlament sowie ein neuer Präsident gewählt werden.

Die kurdische Minderheit soll anerkannt werden

Oppositionelle stellten eine Erklärung zu dem am Freitag in Kairo getroffenen Abkommen ins Internet. Darin heißt es, dass die beschlossenen Regeln auch die Schaffung einer parlamentarischen Demokratie mit Parteienvielfalt in Syrien vorsieht. Die kurdische Minderheit, die jeden elften Bürger stellt, wird ausdrücklich anerkannt.

Die Regimegegner hatten sich bislang über grundlegende Fragen nicht einigen können. So glaubte das in Syrien gegründete Koordinationskomitee lange Zeit noch an einen Dialog mit dem Präsidenten. Der aus dem Exil in Istanbul heraus agierende Nationalrat setzte hingegen auf den Sturz Assads.

Der Aufstand gegen den Machthaber hat nach UN-Schätzungen seit März mehr als 5000 Menschen das Leben gekostet. Beobachter der Arabischen Liga, die derzeit die Krisenherde in Syrien besuchen, verlangten derweil einen sofortigen Abzug der Heckenschützen aus den Konfliktregionen. Aus dem Umfeld der Mission erfuhr die Nachrichtenagentur dpa, dass Delegierte in der Protesthochburg Duma außerhalb der Hauptstadt Damaskus die auf Häuserdächern platzierten Schützen mit eigenen Augen gesehen hätten. Dort hatte es am Freitag Massenproteste gegeben.

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