Aufstand gegen Gaddafi:UN werfen Libyen aus dem Menschenrechtsrat

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Das gab es noch nie: Als erstes Land überhaupt ist Libyen aus dem UN-Menschenrechtsrat ausgeschlossen worden. Das Votum fiel überraschend deutlich aus. Derweil nimmt das Kampfschiff "USS Kearsage" Kurs auf Libyen.

Die internationale Gemeinschaft hat Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi weitestgehend isoliert. Wegen des brutalen Vorgehens gegen Regierungsgegner wurde Libyen am Dienstagabend offiziell aus dem UN-Menschenrechtsrat in Genf ausgeschlossen. Zuvor schon hatten EU und UN weitreichende Sanktionen vor allem gegen den Gaddafi-Clan verhängt.

Gaddafi-Gegner protestieren in der Stadt Sawija: Die befreiten Städte fürchten Racheangriffe des Regimes, US-Außenministerin Clinton warnt vor einem Bürgerkrieg. (Foto: REUTERS)

Mehr als zwei Drittel der 192 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen stimmten bei einer Plenarsitzung der UN-Vollversammlung für den Ausschluss Libyens aus dem Menschenrechtsrat. Nie zuvor war die Weltorganisation in dieser Form gegen ein aktives Mitglied vorgegangen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon appellierte an die Staatengemeinschaft, ihrer "Verpflichtung nachzukommen" und das libysche Volk entschieden vor der Gewalt des Militärs zu schützen.

Libyen war erst vor einem Jahr nach einer umstrittenen Abstimmung in New York Mitglied des 47-Mitglieder-Gremiums in Genf geworden. Die Suspendierung des Landes ruft nun neue Kritik an der Auswahl der Mitglieder des Gremiums hervor: Der israelische UN-Botschafter Meron Reuben nannte die Entscheidung einen Weckruf. "Libyen, unter seiner verruchten jetzigen Regierung, hätte niemals in den Menschenrechtsrat gewählt werden dürfen", sagte er.

"Es ist Zeit, dass die Generalversammlung die von ihr gesetzten Standards für eine Mitgliedschaft im Menschenrechtsrat ernst nimmt und sie auch auf zukünftige Kandidaten anwendet", sagte Peggy Hicks von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Der Menschenrechtsrat in Genf hatte Ende vergangener Woche bereits den Ausschluss Libyens empfohlen.

Nato-Staaten uneins über militärisches Eingreifen

Trotz zahlreicher Sanktionen gegen Libyen ist sich der Westen nach US-Angaben uneins über ein mögliches militärisches Vorgehen. Pentagon-Chef Robert Gates bekräftigte zwar, dass die USA eine Reihe von Militäroptionen prüften. Es sei aber noch keine Entscheidung gefallen, sagte er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Generalstabschef Admiral Mike Mullen in Washington. Beide betonten, dass alle diese Optionen über humanitäre Maßnahmen und Evakuierungen hinaus "sehr komplex" seien.

Selbst die Einrichtung einer Flugverbotszone wäre mit großem Aufwand verbunden, der zwangsläufig zu militärischen Operationen führen könne. Der US-Senat hatte symbolisch eine Resolution verabschiedet, in der er den UN-Sicherheitsrat aufrief, eine Flugverbotszone gegen Libyen in Betracht zu ziehen.

Kurs auf Libyen nahm unter anderem das Kampfschiff USS Kearsage. Auf dem Kriegsschiff ist eine Helikopter-Staffel stationiert, außerdem verfügt es über medizinische Einrichtungen, so dass es für militärische oder humanitäre Zwecke eingesetzt werden kann. Die Entsendung der USS Kearsarge dürfe nicht als leere Drohung betrachtet werden, hieß es aus Regierungskreisen.

US-Außenministerin Hillary Clinton warnte vor einem langjährigen Bürgerkrieg in Libyen. "In den kommenden Jahren kann Libyen zu einer friedlichen Demokratie werden oder es könnte in einen langwierigen Bürgerkrieg stürzen", sagte die Ministerin vor einem Kongressausschuss. "Während die gesamte Region im Umbruch begriffen ist, wird eine starke und strategische Antwort der Vereinigten Staaten entscheidend sein."

Clinton wiederholte ihre Drohung an Gaddafi, dass die USA "keine Option vom Tisch nehmen, solange die libysche Regierung weiter ihre Waffen gegen das eigene Volk richtet".

In der libyschen Stadt Bengasi formiert sich derweil ein Militärrat - zum Schutz der Staatsgrenzen im Osten des Landes und für die Sicherheit der Bevölkerung. Die Oppositionszeitung Libya al-Youm berichtete, dem Militärrat in Bengasi gehörten 14 Kommandeure an. Die Offiziere wollten den Schutz der Staatsgrenzen im "befreiten" Teil Libyens sicherstellen und für die Sicherheit der Bevölkerung sorgen, teilten sie in einer Erklärung mit. Ziel sei es, einen Staat zu schaffen, der das Prinzip der Gewaltenteilung respektiert und in dem die Menschenrechte geachtet werden.

Gaddafi und die Schlacht gegen das eigene Volk

Der Strom von Flüchtlingen stellt Libyen und seine Nachbarn vor immer größere Probleme. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR sprach am Dienstag von mehr als 140.000 Menschen, die Libyen Richtung Ägypten und Tunesien verlassen haben. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) beobachtet die Lage mit Sorge. "Es ist höchste Zeit, dass wir den Menschen bei ihren dringendsten Bedürfnissen helfen können und die Hilfsorganisationen in den Rest des Landes hineinkommen", sagte IKRK-Sprecherin Anna Nelson. Vor allem die Entwicklung in dem noch vom Gaddafi-Regime beherrschten Westen Libyens mit der Hauptstadt Tripolis sei alarmierend.

Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten kommen am 11. März zu einem Libyen-Sondergipfel zusammen. Deutschland schlug die Ernennung eines UN-Sondergesandten für Libyen vor. Der Sonderbeauftragte solle für die Koordinierung von Hilfsleistungen für das nordafrikanische Land zuständig sein, sagte Außenminister Guido Westerwelle in Berlin.

Eine UN-Sprecherin bat Libyens Nachbarländer, die Grenzen offenzuhalten, damit Verfolgte des Gaddafi-Regimes entkommen könnten. Es gebe Berichte, dass es in Tripolis bereits bis zu 2000 Todesopfer gegeben habe. Es existierten "grauenhafte Bilder" aus der Hauptstadt.

Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Susan Rice, sagte, Gaddafi schlachte sein eigenes Volk ab. Zugleich machte sie deutlich, dass die USA ihn für nicht mehr voll zurechnungsfähig halten. Wenn Gaddafi jetzt in Interviews behaupte, es gebe keine Gewalt in seinem Land, zeige dies, dass er "wahnhaft" sei und die Verbindung zur Wirklichkeit verloren habe.

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