Aufnahme von 5000 Syrern in Deutschland:Ein kaltes Herz für Flüchtlinge

Syrian refugees arrive at a Jordan border town

Syrische Flüchtlinge an der jordanischen Grenze. Das Land hat bereits Hunderttausende aufgenommen.

(Foto: dpa)

Deutschland nimmt weitere 5000 Syrer auf - was mit der Geste eines barmherzigen Samariters verkündet wird, der sich selbstlos Lasten aufbürdet, ist ein Lehrstück in Engherzigkeit. Während arme Nachbarstaaten Hunderttausende Syrer aufgenommen haben, verfährt die Bundesrepublik nach der Devise: Die Welt muss endlich handeln, aber bitte ohne mich.

Ein Kommentar von Joachim Käppner

Als die Flüchtlinge ankamen, spielte eine Kapelle am Hafen, Empfangskomitees hatten Suppenküchen aufgebaut, und ein gut organisiertes Netzwerk der Hilfe stand bereit. In kurzer Zeit integrierte die Republik Zehntausende der Neuankömmlinge, die anfangs noch nicht einmal die Landesprache beherrschten.

Leider spielten diese Szenen nicht in Deutschland. Es waren aber deutsche Flüchtlinge, die von 1849 an Zuflucht in den USA fanden; denn daheim, nach der verlorenen Revolution, herrschten Kartätschenprinzen, Standrecht und rachsüchtige Reaktionäre.

Deutschland ist heute, was es damals nicht werden konnte: eine Demokratie. Aber es ist eine Demokratie mit kaltem Herzen, jedenfalls beim Umgang mit Flüchtlingen und besonders jenen aus Syrien.

5000 Menschen aus dem Bürgerkriegsland hat die Bundesrepublik bereits Aufnahme zugesagt, nun sollen es weitere 5000 werden. So hat es die Innenministerkonferenz beschlossen. Was mit der Geste eines barmherzigen Samariters verkündet wird, der sich selbstlos Lasten aufbürdet, zu denen er wirklich nicht verpflichtet wäre, ist ein Lehrstück in Engherzigkeit.

Manche EU-Staaten sind noch abweisender

Zu den Standardphrasen hierzulande gehören so wohlklingende Sätze wie "Der Konflikt kann nur durch eine politische Lösung beigelegt werden" und "Europa muss mehr tun". Die politische Lösung wird von deutschen Politikern besonders kraftvoll gefordert, wenn bereits alle Versuche einer politischen Lösung gescheitert sind und die Verbündeten über einen Militäreinsatz nachdenken, wie 2011 in Libyen und kürzlich im Fall Syriens.

Westliche Luftangriffe gegen das Mordregime in Damaskus sind dann ausgeblieben, obwohl dieses Giftgas gegen das eigene Volk eingesetzt hatte. Auch wenn es nun immerhin auf seine Chemiewaffen verzichtet, geht das Morden weiter, Hunderttausende sind auf der Flucht. Sucht ein kleiner Teil von ihnen dann Schutz in Deutschland, sagen dieselben Politiker: So geht das aber nicht, wir können nicht all die Beladenen dieser Welt aufnehmen, da muss Europa mehr tun.

Einem Staat, der sich außenpolitisch so sehr zurückhält, stünde es gut an, nicht auch bei der humanitären Hilfe nach der Devise zu verfahren: Die Welt muss endlich handeln, aber bitte ohne mich. Manche EU-Staaten sind noch abweisender, das ist richtig, im Vergleich zu ihnen sind die Deutschen sogar großzügig.

Hier geht es um Leben und Tod

Doch natürlich könnte und sollte das wirtschaftsstärkste Land Europas viel mehr Syrer aufnehmen, was einige Innenminister auch vorgeschlagen haben, leider vergeblich. Es gäbe ja die Möglichkeit, die Flüchtlinge auf Zeit zu dulden, ihnen Integrationshilfen anzubieten und den Arbeitsmarkt für sie zu öffnen. Aber nach Jahrzehnten einer abwehrenden und ideologisierten Ausländerpolitik ist Großherzigkeit wohl nicht mehr möglich.

1992, zur Zeit der Balkankriege, gab es eine Ausnahme: Hunderttausende Bosnier und Kroaten fanden Schutz in Deutschland. Die meisten sind längst zurück in ihrer Heimat, sie waren Gäste, die Zuflucht erhielten, als Zuflucht nötig war. Das wäre heute nicht anders: Dass syrische Familien aus den killing fields ihrer Heimat fliehen, liegt schwerlich an lockenden deutschen Sozialhilfesätzen oder besonders attraktiven bayerischen Flüchtlingsheimen. Hier geht es um Leben und Tod, und je weniger Flüchtlinge in der EU akzeptiert werden, desto größer werden der Druck und das Elend der illegalen Einwanderung sein, vom Stacheldraht in Ceuta bis zu den gefährlichen Gewässern vor Lampedusa.

Arme Nachbarstaaten Syriens wie Libanon oder Jordanien haben Hunderttausende Syrer aufgenommen. Die Bundesrepublik aber hält es in diesen adventlichen Tagen nicht mit dem Heiligen Martin, sondern eher mit Sankt Florian: Verschon mein Haus, zünd' andre an.

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