Aufklärung des "Euro Hawk"-Debakels:Woran de Maizières Verteidigungsstrategie scheitern könnte

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Thomas de Maizière während der Aktuellen Stunde im Bundestag zum Thema "Euro Hawk". (Foto: dpa)

Bis zuletzt will der Verteidigungsminister nicht über den Ernst der Lage beim "Euro Hawk" informiert gewesen sein. Mit dieser Erklärung ist de Maizière ein erhebliches Risiko eingegangen. Sollte ihm nachgewiesen werden, dass er doch vor jenem 13. Mai unterrichtet wurde, hat er ein Problem - die Aufklärungsdrohne war offenbar Thema beim Besuch des "Donaukuriers" fünf Tage zuvor.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Das Programm war eng getaktet. Für neun Uhr war die Ankunft des Verteidigungsministers vorgesehen, danach sollte es in der "Sky Lounge", Gebäude 266, Raum A 538, eine Gesprächsrunde geben, um zehn Uhr dann die Standortbesichtigung - Schwerpunktthema war hier der Eurofighter, außerdem sollte es um "Missions- und Transportflugzeuge" gehen. Von 11.15 bis 11.30 Uhr war ein Einzelgespräch zwischen Thomas de Maizière (CDU) und Bernhard Gerwert geplant. Gerwert ist Chef von Cassidian, der Rüstungssparte von EADS, die für die Aufklärungstechnik im Euro Hawk zuständig ist. Worüber die beiden wohl gesprochen haben?

Es war am 10. Dezember vergangenen Jahres, als de Maizière bei Cassidian am Standort Manching vorbeischaute. Ist es vorstellbar, dass Gerwert und die anderen Konzernvertreter ihm gegenüber nicht wenigstens kurz die dramatischen Zulassungsprobleme des Euro Hawk angesprochen haben? Dass Gerwert ihm nicht kurz seine Sicht des Problems schilderte und ihn beispielsweise nicht bat, trotz der Schwierigkeiten mit den Testflügen der Drohne weiterzumachen, damit die Aufklärungstechnik zu Ende getestet werden konnte? Und ist es vorstellbar, dass der Minister in seiner Vorbereitungsmappe kein Papier hatte, in dem die Probleme beschrieben waren? Bei Cassidian jedenfalls heißt es auf Anfrage lediglich, zu solchen Gesprächen äußere man sich grundsätzlich nicht.

Doch es sind Fragen, die über die Zukunft des Ministers entscheiden könnten, seit er am Mittwoch erst den Abgeordneten des Verteidigungsausschusses und dann der Öffentlichkeit sinngemäß erklärt hat: Ich wusste bis zuletzt nicht, wie ernst es war. Seiner Schilderung zufolge haben seine beamteten Staatssekretäre Rüdiger Wolf und Stéphane Beemelmans am 8. und 10. Mai entschieden, die Beschaffung des Euro Hawk nicht weiter zu verfolgen - während er davon erst am 13. Mai erfahren und die Entscheidung "am selben Tag gebilligt" habe. "Es gab zuvor keine Vorlage an den Minister mit einer Beschreibung der Zulassungsprobleme oder überhaupt zum Gesamtproblem", so sagte er es öffentlich.

Das dürfte mit Bedacht so formuliert sein - denn sollte sich herausstellen, dass er doch vorher vom Ausmaß jener Zulassungsprobleme gehört hat, an denen das Projekt schließlich scheiterte, könnte seine Antwort lauten, dass ein mündlicher Bericht ja etwas anderes als eine Vorlage sei.

Hinter verschlossenen Türen geht de Maizière weiter

Allerdings ging er hinter verschlossenen Türen im Verteidigungsausschuss noch weiter: Die Probleme seien weder in der Leitungslage im Ministerium angesprochen worden, noch habe einer der Staatssekretäre dazu bei ihm vorgesprochen. Damit wären auch mündliche Vorträge abgedeckt. Zudem hat de Maizière am Mittwoch bei seinem Auftritt in der Bundespressekonferenz über "unbekannte Probleme, jedenfalls auf meiner Ebene unbekannte Probleme" gesprochen; er hat gesagt, man habe ihn "unzureichend eingebunden", und angegeben, erstmals Anfang März 2012 von Zulassungsproblemen gehört zu haben, die man ihm aber "als lösbar dargestellt" habe. Er habe damals keinen Anlass zu Nachfragen gesehen.

Mit alldem hat er den Eindruck erweckt, dass er bis zuletzt nichts vom Ernst der Lage wusste. Damit ist er ein erhebliches Risiko eingegangen. Wenn ihm nun nachgewiesen wird, dass er doch vor jenem 13. Mai unterrichtet wurde, hat er zumindest ein Erklärungsproblem. Und sollte ein von ihm abgezeichnetes Dokument auftauchen, dürfte es das gewesen sein. Die Frage sei nun, so der SPD-Abgeordnete Hans-Peter Bartels: "Hat er zum Schutz des eigenen Amtes gelogen oder nicht?"

Um von den Zulassungsproblemen zu erfahren, hätte er im März dieses Jahres, knapp zwei Monate vor der Ausstiegsentscheidung, eigentlich nur in den Pressespiegel seines Hauses schauen müssen. Damals berichtete die Berliner Zeitung unter der Überschrift "Drohnen-Programm vor dem Absturz", die Bundeswehr müsse "aus Kostengründen auf das Prestige-Projekt Euro Hawk wohl verzichten".

Grundlage des Berichts war die Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage des Sozialdemokraten Bartels zum Thema Euro Hawk. Darin hieß es bereits, für eine "Muster- und Verkehrszulassung" seien "mögliche, nicht unerhebliche Mehrkosten identifiziert" worden. Derzeit werde "abschließend geprüft, ob eine Beschaffung der Serie Euro Hawk vor dem Hintergrund der Zulassungsproblematik zu rechtfertigen ist". Problematisch sei auch, dass die US Air Force keine weiteren Exemplare der fast baugleichen Drohne Global Hawk beschaffen wolle, hieß es in dem Schreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs Thomas Kossendey (CDU) an Bartels.

De Maizière kein interessierter Leser?

Solche Schreiben gehen zwar auch über die Tische der beamteten Staatssekretäre, jedoch nicht über den des Ministers. Bereits drei Tage nachdem Kossendey seine Antwort abgeschickt hatte, erschien aber der Zeitungsbericht. Damit war die Problematik öffentlich, also für jeden interessierten Leser zugänglich. Zählte der Minister nicht zu diesen interessierten Lesern? Oder fragte er nach der Lektüre weiterhin nicht bei seinen Staatssekretären nach, weil er die Probleme für "lösbar" hielt"?

Und dann war da noch jener Redaktionsbesuch beim Donaukurier, über den das Blatt am Donnerstag berichtete. Demnach war der Minister dort am 8. Mai zu Gast, also fünf Tage, bevor er von der Entscheidung seiner Staatssekretäre erfahren haben will. Auf die Frage, ob für die Bundeswehr wie geplant fünf Exemplare des Euro Hawk beschafft würden, sagte er: "Im Moment sieht es nicht so aus." Die Prüfung sei noch nicht abgeschlossen, so zitiert ihn die Zeitung. Das entscheidende Thema, so der Minister, sei die Frage der Zulassung.

© SZ vom 07.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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