89 EU-Politiker auf "schwarzer Liste":"Das ist kein Beitrag zur Entspannung"

Außenminister Frank-Walter Steinmeier

Außenminister Frank-Walter Steinmeier ist aktuell zu Gast in der Ukraine, die Einreiseverbotsliste aus Russland sieht er kritisch.

(Foto: REUTERS)
  • Außenminister Steinmeier übt Kritik an den von Moskau verhängten Einreiseverboten für zahlreiche EU-Politiker. Es sei das Mindeste gewesen, die Personen auf der Liste umgehend darüber zu informieren.
  • EU-Parlamentspräsident Martin Schulz fordert die russischen Behörden auf, ihre Entscheidungen gemäß internationaler Richtlinien transparent zu machen, so dass die Betroffenen das Recht zur Verteidigung sowie zum Einspruch hätten.
  • Nachdem bereits vermutet worden war, dass es eine entsprechende Liste gibt, hat Moskau nun die Namen von 89 Politikern und Militärvertretern aus Europa veröffentlicht, die nicht nach Russland einreisen dürfen.
  • Auch acht Deutsche stehen auf der Liste. Darunter sind neben dem künftigen Europa-Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Uwe Corsepius, auch die Verteidigungsstaatssekretärin Katrin Suder und Karl Müllner, Inspekteur der Luftwaffe.

Steinmeier kritisiert Einreiseverbote

Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat Russland wegen der Einreiseverbote für 89 europäische Politiker kritisiert. Er halte es "nicht für besonders klug, solche Listen überhaupt zu beschließen''. Das sagte Steinmeier am Rande eines Besuchs in der ostukrainischen Stadt Dnjepropetrowsk, wie SZ-Redakteur Stefan Braun berichtet, der den Außenminister auf der Reise begleitet.

Es wäre das Mindeste gewesen, die Liste öffentlich zu machen und den Personen mitzuteilen, welche Vorbehalte es gegen sie gebe, so Steinmeier weiter. In Zeiten wie diesen, in denen man sich bemühe, Lösungen zu finden, sei das "kein Beitrag zur Entspannung".

Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, man stehe mit Moskau in Kontakt und dränge auf Transparenz. Personen, die auf sogenannten Visa-Sperrlisten stünden, müssten das sofort erfahren. Sie hätten ein Anrecht darauf, über die genauen Gründe informiert zu werden, um dagegen Rechtsmittel einlegen zu können. Aus Moskau gab es zunächst keine Reaktion.

EU-Parlamentspräsident Schulz behält sich Maßnahmen vor

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz ist nach eigener Aussage bestürzt über das Einreiseverbot gegen mehrere Dutzend europäische Politiker. "Es ist inakzeptabel, dass dadurch das gegenseitige Vertrauen verringert und jegliche Anstrengungen behindert werden, einen konstruktiven Dialog für eine friedliche und anhaltende Lösung der gegenwärtigen geopolitischen Krise zu finden", teilte Schulz in Brüssel mit.

Er forderte die russischen Behörden auf, ihre Entscheidungen gemäß internationaler Richtlinien transparent zu machen, so dass die Betroffenen das Recht zur Verteidigung sowie zum Einspruch hätten. Am Montag werde er das Gespräch mit dem russischen Botschafter suchen und sich gegebenenfalls Maßnahmen vorbehalten, schrieb Schulz.

Moskau verschickt Liste mit Namen betroffener EU-Politiker

Nachdem der CDU-Bundestagsabgeordneten Karl-Georg Wellmann vergangenes Wochenende nicht nach Russland einreisen konnte, war bereits vermutet worden, dass dieser auf einer "schwarzen Liste" steht, die Moskau erstellt hatte. Dieser Verdacht hat sich nun bestätigt.

Russland hat eine Liste mit Einreiseverboten für zahlreiche EU-Politiker veröffentlicht. Die Namen der insgesamt 89 Betroffenen seien mehreren EU-Botschaften übermittelt worden, sagte der niederländische Regierungschef Mark Rutte. Die Einreiseverbote seien eine Reaktion auf die von der EU im Zuge des Krim-Konflikts und der Ukraine-Krise gegen Russland verhängten Strafmaßnahmen, einschließlich Reiseverboten für russische Politiker, so Rutte.

Aus Russland gab es zunächst keinen Kommentar. Die Existenz einer solchen "Stopp-Liste" hatte Moskau allerdings bereits im Herbst bestätigt. Der EU ist das Vorhandensein des Dokuments schon länger bekannt. "In den vergangenen Monaten wurde einer Vielzahl von EU-Politikern, darunter Mitgliedern des Parlaments, bei der Ankunft an der russischen Grenze die Einreise verweigert", sagte eine Sprecherin in Brüssel.

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Welche Politiker nicht nach Russland reisen dürfen

Auf der Liste befinden sich die Namen von acht Deutschen. Neben Karl-Georg Wellmann und die Europa-Abgeordnete Rebecca Harms von den Grünen, die in Moskau bereits zurückgeschickt wurden, dürfen auch Michael Fuchs (CDU), Daniel Cohn-Bendit (Grüne) und Bernd Posselt (CSU) nicht mehr nach Russland einreisen.

Auch die Verteidigungsstaatssekretärin und Bundestagsabgeordnete Katrin Suder und der künftige Europa-Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Uwe Corsepius sind gesperrt. Ebenso Karl Müllner, Inspekteur der Luftwaffe.

Weitere prominente Politiker auf der Liste sind der bisherige britische Vize-Premierminister Nick Clegg, der ehemalige britische Außenminister Malcolm Rifkind, der estnische Justizminister Urmas Reinsalu und der stellvertretende polnische Verteidigungsminister Robert Kupiecki.

Der frühere belgische Premierminister Guy Verhofstadt sowie Tschechiens Ex-Außenminister Karel Schwarzenberg und der frühere tschechische EU-Erweiterungskommissar Stefan Fülewerden werden ebenfalls genannt.

Überraschenderweise ist auch die Chefin der schwedischen Steuerbehörde, Eva Lidström Adler, mit einem unbefristeten Einreiseverbot nach Russland belegt worden.

Weitere Reaktionen auf das Bekanntwerden der Liste

Schon die Einreiseverweigerung für Wellmann hatte für erhebliche diplomatische Verstimmung zwischen Berlin und Moskau gesorgt. Wellmann ist Chef der deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe und Russland-Berichterstatter der Unionsfraktion im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages. Angesichts der Kämpfe in der Ostukraine hatte er sich oft sehr kritisch über Russland geäußert.

Harms war bereits im vergangenen September der Zugang am Moskauer Flughafen verweigert worden. "Diese Liste ist keine gute Nachricht für die Beziehungen zwischen der EU und Russland", sagte sie. Cohn-Bendit sagte der Bild-Zeitung, es ehre ihn, wenn Russland ihn als Feind des Totalitarismus brandmarke.

Der Unionspolitiker Fuchs erklärte: "Es gibt Schlimmeres, als nicht nach Russland reisen zu dürfen, da das Land ohnehin nicht im Zentrum meiner Reisetätigkeiten steht." Allerdings sei es unerträglich, "dass Politiker auf diese Art und Weise mundtot gemacht werden sollen".

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