Attentat in Tunesien:Westliche Staaten verurteilen Mord an Oppositionspolitiker

Attentat in Tunesien: Auf offener Straße ermordet: Der tunesische Oppositionspolitiker Mohamed Brahmi

Auf offener Straße ermordet: Der tunesische Oppositionspolitiker Mohamed Brahmi

(Foto: AFP)

Sorge über die Entwicklung in Tunesien: Nach der Tötung eines weiteren Oppositionspolitikers sprechen die USA von einer "feigen Tat". Auch die EU verurteilt den "politischen Mord" aufs Schärfste. In tunesischen Städten kommt es zu spontanen Protesten. Die wichtigste Gewerkschaft des Landes ruft für heute zu einem Generalstreik auf.

Die Ermordung des Oppositionspolitikers Mohamed Brahmi ist international verurteilt worden. "Das ist nicht das erste politische Attentat seit der Revolution in Tunesien, und es gibt keine Rechtfertigung für derart abscheuliche und feige Taten", sagte eine Sprecherin des US-Außenministeriums. Gewalt habe keine Platz in dem Land, das sich im demokratischen Übergang befinde.

EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton sprach von einem "politischen Mord". Sie verlangte von den tunesischen Behörden im Namen der ganzen EU eine "vollständige Aufklärung dieses Mordes". Die Verantwortlichen müssten vor Gericht gestellt werden, hieß es in einer Erklärung der Brüsseler Außenbeauftragten vom Freitagmorgen. Ashton kritisierte zugleich, dass die Mörder eines weiteren Oppositionellen, Chokri Belaïd, noch immer nicht gefasst seien, obwohl die Tat schon ein halbes Jahr zurückliege.

Frankreichs Präsident François Hollande und Bundesaußenminister Guido Westerwelle verurteilten die Bluttat. Politische Gewaltakte seien in keiner Weise hinnehmbar, erklärte Westerwelle. Er rief alle politisch Handelnden in dem Land auf, "sich auch in diesem schwierigen Moment ihrer Verantwortung für die junge Demokratie des neuen Tunesiens bewusst zu sein".

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief zu Ruhe auf. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass diese abscheuliche Tat den Demokratieprozess in dem Land zum Scheitern bringe, sagte Ban einem Sprecher zufolge.

Der Abgeordnete Mohamed Brahmi wurde am Donnerstag in einem Vorort von Tunis vor den Augen seiner Frau von Unbekannten auf der Straße erschossen. Der 58-Jährige gehörte in der Verfassungsgebenden Versammlung dem linken, nicht religiösen Lager an und leitete die Partei "Bewegung des Volkes". Brahmi galt als erbitterter Gegner der Islamisten.

Spontane Proteste in Tunis

Die wichtigste Gewerkschaft UGTT rief für diesen Freitag zu einem Generalstreik auf, im Parlament war ein Trauertag geplant. Da der Mordanschlag am Gedenktag zur Republikgründung im Jahr 1957 verübt wurde, gibt es kaum Zweifel daran, dass radikalislamische Kräfte hinter der Tat stecken. "Die Nachricht ist klar. Die Täter sind gegen den Staat und die Werte der Republik", sagte Chérif Khyari von der Parteienkoalition Front Populaire der Nachrichtenagentur dpa.

Bereits am Donnerstag versammelten sich in Tunis viele Menschen zu spontanen Protesten gegen Terrorismus und Gewalt. Vor dem Innenministerium setzten Sicherheitskräfte Tränengas gegen aufgebrachte Demonstranten ein. In der Stadt Sidi Bouzid steckten Randalierer den Sitz der Bezirksregierung in Brand.

Anfang des Jahres war in Tunesien der Oppositionspolitiker Chokri Belaïd von islamistischen Extremisten ermordet worden. Sein Tod löste die größten Demonstrationen seit dem Sturz des Machthabers Zine al-Abidine Ben Ali im Januar 2011 aus. Die von Islamisten geführte Regierung machte Salafisten für die Tat verantwortlich.

Die islamistische Regierungspartei Ennahda stimmte deswegen einer Kabinettsneubildung zu. Die Partei hatte 2011 die erste Wahl nach dem Sturz von Langzeitherrscher Ben Ali klar gewonnen. Sie bildet seitdem mit der Mitte-Links-Partei CPR und der sozialdemokratischen Ettakatol eine Koalition. "Wir verurteilen dieses abscheuliche Verbrechen aufs Schärfste", kommentierte die Ennahda die erneute Bluttat. Der Mord sei nicht nur ein Angriff auf Brahmi, sondern auf den gesamten demokratischen Übergangsprozess.

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