Atomverhandlungen mit Iran:Showdown in Wien

  • Die Gespräche über das iranische Atomprogramm gehen am Montag in Wien in die finale Runde.
  • Differenzen zwischen den Verhandlungspartnern bestehen weiterhin bei allen wichtigen Punkten.
  • Frankreich, Russland, Großbritannien, die USA, China und Deutschland wollen dem iranischen Atomprogramm Beschränkungen auferlegen.
  • Iran möchte dagegen eine schnelle Aufhebung der Wirtschaftssanktionen erreichen.

Von Paul-Anton Krüger, Wien

UN-Vetostaaten komplett

Am Morgen ist nun auch der chinesische Außenminister Wang Yi im Palais Coburg im 1. Wiener Bezirk eingetroffen. Die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats sind damit komplett, dazu der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier und natürlich der Iraner Mohammad Dschawad Sarif. Es ist angerichtet für den Showdown in den Atomgesprächen - die "Stunden der Wahrheit sind gekommen", wie Steinmeier bei seiner Ankunft am Samstag sagte.

Seit Dienstag haben die Diplomaten aus den P5+1 versucht, mit ihren iranischen Kollegen ein Abkommen auszuhandeln, das den seit mehr als einem Jahrzehnt schwelenden Atomstreit mit Iran durch ein endgültiges und umfassendes Abkommen beilegen würde. Am Donnerstag schaltete sich US-Außenminister John Kerry in die Gespräche ein, traf sich ein halbes Dutzend Male mit Sarif. Doch einen Durchbruch halten westliche Emissäre nur noch für denkbar, wenn sich Iran überraschend noch entscheidend bewegt.

Ansonsten wird es an diesem Montag in Wien vor allem darum gehen, wie der Verhandlungsprozess gerettet werden kann. Man solle noch einmal gut schlafen, riet ein westlicher Diplomat am Abend davor. Das werde eine "Pokerrunde nach allen Regeln der Kunst". Die Frage ist offenbar, ob man sich zumindest noch auf eine politische Rahmenvereinbarung verständigen kann oder die Frist für eine Einigung ohne eine solche verlängert - und die Regelungen des Genfer Interimsabkommens von vor einem Jahr fortschreibt.

Differenzen bei allen wichtigen Streitpunkten

"Sollte das nicht ganz zum Abschluss kommen, wird man nach Möglichkeiten suchen müssen, damit hier nichts abbricht, sondern der Prozess fortgesetzt werden kann", sagte auch Steinmeier am Sonntagabend, bevor er sich mit Kerry, dem Franzosen Laurent Fabius und dem Briten Philip Hammond zur Strategiebesprechung bei einem Arbeitsdinner zurückzog, das bis kurz vor 23 Uhr dauerte.

Differenzen gibt es dem Vernehmen nach weiterhin bei allen wichtigen Streitpunkten. "Wir sind bei diesem Komplex in vielen Punkten noch auseinander", beschrieb auch der deutsche Außenminister die Situation.

Die P5+1 wollen dem iranischen Atomprogramm Beschränkungen auferlegen. Diese sollen technisch sicherstellen, dass das Regime zwölf Monate oder mehr brauchen würde, sollte es entgegen aller Beteuerungen versuchen, doch nach der Bombe zu greifen. Dafür sollen vor allem die beiden Wege blockiert werden, die zur Herstellung des nötigen spaltbaren Materials geeignet sind.

Deswegen verlangen sie von Iran, die Zahl der Zentrifugen zur Urananreicherung deutlich zu reduzieren und einen in Bau befindlichen Forschungsreaktor so zu modifizieren, dass er nur wenig Plutonium produziert. Flankiert werden soll dies mit verbesserten Kontrollmöglichkeiten für die Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde.

Der politische Rechtfertigungsdruck steigt

In die Rechnung spielen aber auch andere Faktoren hinein, so die Menge des in Iran gelagerten Urans, die Laufzeit des Abkommen, die nach Vorstellung der P5+1 deutlich im zweistelligen Bereich von Jahren liegen müsste, oder die Frage, in welchem Umfang Iran Forschung und Entwicklung an moderneren Zentrifugen und Verfahren fortsetzen darf. Hier ist die Sorge, dass das iranische Atomprogramm nach dem Auslaufen eines Abkommens einen großen technischen Sprung machen könnte und sofort eine neue, schwer zu kontrollierende Eskalation auslöst. All diese Faktoren seien "kommunizierende Röhren", wie ein an den Verhandlungen beteiligter Diplomat sagte.

Keine Bewegung auf Seiten Irans

Iran möchte dagegen eine möglichst schnelle Aufhebung aller Wirtschaftssanktionen erreichen, die im Zusammenhang mit dem Atomstreit verhängt worden sind, unabhängig davon, ob sie bilateral oder im UN-Sicherheitsrat verhängt wurden. Zudem ist Teheran nur bereit, für kurze Zeit Beschränkungen für seine Nuklearindustrie zu akzeptieren. Dagegen wollen die P5+1 die Sanktionen nur Zug um Zug für jeweils zu definierende Schritte Irans aussetzen und später aufheben, um nicht alle Druckmittel aus der Hand zu geben.

Bislang aber, so klagte am Wochenende ein hochrangiges Mitglied einer europäischen Delegation, hätten sich die Iraner in keinem der wichtigen Punkte bewegt - obwohl man ihnen signalisiert habe, dass man dann zu einem Entgegenkommen bereit sei.

Rechtfertigungsdruck für die USA steigt

Inzwischen steigt deswegen auch der politische Rechtfertigungsdruck vor allem für die Amerikaner, die Verhandlungen ohne substanzielle Zugeständnisse der Regierung in Teheran fortzusetzen.

Warum soll eine Einigung in einigen Monaten wahrscheinlicher sein, wenn Iran nicht bereit ist, in den entscheidenden Punkten Zugeständnisse zu machen, fragen Kritiker vor allem im Kongress.

Die Senatoren Mark Kirk (Rep., IL) und Bob Menendez (Dem., NJ) haben einen Gesetzentwurf vorbereitet, um die Sanktionen gegen Iran weiter zu verschärfen. Das sei das beste Mittel, um Iran zum Einlenken zu bewegen, argumentieren sie.

Dem hielt Kerry am Donnerstag in Paris vor seiner Abreise nach Wien entgegen, dass man in einem Jahr sehr weit gekommen sei - angesichts der Tatsache, dass die Beziehungen zwischen Iran und den USA in den vergangenen 35 Jahren durch Feindschaft geprägt waren. So ist das kaum abzuweisende Argument für eine Fortsetzung der Gespräche, dass ein Scheitern aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer Eskalation und zu einer weiteren Krise in einer Region führen würde, die von Libyen über Syrien bis in den Irak ohnehin schon im Chaos versinkt, zumal den Westen und Iran hier zumindest stellenweise gemeinsame Interessen verbinden.

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