Atomtest in Nordkorea:Kim schreckt ab, um zu überleben

Mit den Atomtests demonstriert Nordkoreas Diktator Kim Jong Un Stärke nach innen und außen. Und sorgt gleichzeitig vor, nicht ein Schicksal wie Gaddafi zu erfahren. Außer scharfen Worten bleibt der internationalen Gemeinschaft wenig, um gegen Nordkorea vorzugehen.

Eine Analyse von Christoph Neidhart, Tokio

Nordkorea hat am Dienstag um 11:58 Uhr Ortszeit einen Atomtest mit einer Sprengkraft von sechs bis sieben Kilotonnen gezündet. Seismische Beobachtungsstationen in den Nachbarländern registrierten ein künstliches Erdbeben der Stärke 4,9. Zwei Stunden später bestätigte Nordkoreas Nachrichtenagentur KCNA den Atomtest. Er diene "dem Schutz der nationalen Sicherheit".

Die USA, Südkorea, Japan und Russland verurteilten den Test umgehend, dieser dritte Atomtest Nordkoreas sei eine "schwere Bedrohung unserer Sicherheit, die wir nicht tolerieren können", sagte Japans Premier Shinzo Abe. Dennoch: Am Machtgefüge in der Region ändert der Test wenig, Nordkorea dürfte noch lange nicht so weit sein, Atomsprengköpfe zu minimalisieren, dass sie mit einer Interkontinentalrakete abgefeuert werden könnten. Die regionalen Börsen reagierten daher kaum, auch die Wechselkurse nicht.

Außer scharfen Worten haben die Nachbarn Nordkoreas tatsächlich wenig in der Hand, gegen Nordkorea vorzugehen. Die isolierte Diktatur hat in dreißig Jahren gelernt, mit Sanktionen zu überleben. Die Strafmaßnahmen können allenfalls die Lage verschärfen, aber Pjöngjangs Haltung hat man damit bisher nie beeinflussen können.

Ein sogenannter "chirurgischer Schlag" gegen die Atomeinrichtungen des Nordens verbietet sich. Nordkoreas Gegner kennen längst nicht alle Standorte, an denen das Land Atomeinrichtungen unterhält. Außerdem steht Pjöngjangs Artillerie an der innerkoreanischen Grenze, etwa 50 Kilometer vor Seoul. Sie wäre in der Lage, Südkoreas Hauptstadt zu zerstören - ein Risiko, das keiner bereit ist einzugehen.

Was die Tests Nordkorea bringen

Pjöngjang braucht zur Abschreckung eigentlich also keine Atomwaffen und auch keine Langstreckenraketen. Dennoch will das Regime mit seinem nuklearen Säbelrasseln das Ausland, vor allem die USA, davon abschrecken, an einen gewaltsamen Regimewechsel auch nur zu denken.

Pjöngjang könnte da von Libyen gelernt haben: Acht Jahre, nachdem Oberst Gaddafi sein Atomprogramm aufgegeben hatte, wurde er mit europäischer und amerikanischer Hilfe gestürzt.

Im November war zudem eine große Handelsdelegation aus Syrien in Pjöngjang. Nordkoreas Exporte in Präsident Assads ebenfalls isoliertes Land haben jüngst massiv zugenommen. Insbesondere liefert Pjöngjang Waffen nach Damaskus, mit denen sich Assad mit aller Brutalität allem Widerstand erwehrt. In diesem Sinne war die Atomexplosion vom Dienstag wie die Raketentests im Dezember auch eine Werbeveranstaltung.

Machtdemonstration nach innen und außen

Nicht zuletzt sind sie auch ein Signal an die Nachbarn. China und Korea feiern diese Woche ihr Neujahr, der höchste Feiertag ihres Kalenders. Indem Kim seinen Atomtest, von dem Peking ihn bis zuletzt abbringen wollte, während dieser Feiertage zünden ließ, hat er die chinesische Regierung doppelt provoziert. Womöglich tobt innerhalb der Führung unter Xi Jinping ein Richtungskampf: die Konservativen und Militärs seien bereit, ein nukleares Nordkorea zu tolerieren, sie wollten das verarmte Nordkorea mit allen Mitteln als Puffer gegen die USA am Überleben halten.

Der chinesische Nordkorea-Spezialist Zhang Liangui dagegen warnte kürzlich in der Global Times, einem regierungsnahen Blatt in Peking, ein Atomtest müsse Nordkorea "teuer zu stehen kommen". Da der größte Teil der nordkoreanischen Exporte, vor allem Rohstoffe, nach China gehen und der kleine Grenzverkehr über den Tumen-Fluss wichtig ist für die Versorgung der Menschen in Nordkorea, kann China als einziges Land wirtschaftlich Druck auf Pjöngjang ausüben. Andererseits dürfte Kim Jong Un die Drohung aus Peking geradezu willkommen sein: Sie hat ihm erlaubt, seiner Elite zu demonstrieren, dass er sich sogar Peking widersetzt.

Zeichen der Hoffnung

Doch auf der anderen Seite gibt es auch Grund zur Hoffnung. In Südkorea tritt in zwei Wochen die neue Präsidentin Park Geun Hye ihr Amt an. Sie hat im Wahlkampf deutlich gemacht, dass sie anders als ihr Vorgänger Lee Myung Bak, der eine harte Linie gegen Nordkorea fuhr, den Dialog suchen will. Denn Lees Nordkorea-Politik gilt in Südkorea als gescheitert.

Nordkoreas Jung-Diktator Kim Jong Un hat ebenfalls Zeichen der Dialogbereitschaft gegeben. Er braucht die wirtschaftliche Unterstützung Südkoreas, wenn er, wie er versprochen hat, das Leben der Nordkoreaner verbessern will. Und er will nicht allein von China abhängig sein.

Wenn er gegenüber seiner eigenen Elite demonstrieren will, dass er sich dem Druck des Auslands, einen Atomtest zu zünden, widersetzt, aber die Chance, mit Park ins Gespräch zu kommen, nicht von vornherein verspielen wollte, dann musste er seinen Test noch vor ihrem Amtsantritt durchführen - also jetzt. Außerdem begeht Nordkorea am 16. Februar den Geburtstag seines verstorbenen Vaters, dem er mit der Atom-Explosion seine Reverenz zu erweisen glaubt.

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