Atomstreit mit Iran:Diplomaten setzen auf Rohani

Lesezeit: 4 min

Mehr Flexibilität: Irans Präsident Hassan Rohani (Foto: REUTERS)

Die Aussichten auf eine Einigung sind besser denn je: Ab heute verhandeln die UN-Vetomächte und Deutschland wieder mit Iran über eine Lösung im Atomstreit. Entscheidend wird sein, welche Beschränkungen die neue Regierung akzeptiert.

Von Paul-Anton Krüger

Istanbul, Bagdad, Moskau und zuletzt noch das kasachische Almaty - die Unterhändler der fünf UN-Vetomächte und Deutschlands (P5+1) sind weit gereist in den vergangenen eineinhalb Jahren, um mit ihren iranischen Kollegen eine diplomatische Lösung im Atomstreit zu suchen. Von diesem Montagabend an sitzen sie wieder zusammen, im Palais des Nations zu Genf.

Die Vorzeichen, dass sich in dem seit einem Jahrzehnt schwelenden Konflikt diesmal Fortschritte erzielen lassen, sind besser als bei all den Treffen seit April 2012, als die Gespräche wieder aufgenommen worden waren. Irans neuer Präsident Hassan Rohani und sein Außenminister Mohammed Dschawad Sarif hätten sich bei den Treffen am Rande der UN-Generalversammlung "viel flexibler als ihre Vorgänger" gezeigt, sagten mehrere an den Gesprächen beteiligte westliche Diplomaten der Süddeutschen Zeitung.

Es sei "der Wille da, zu einem Abschluss zu kommen, weil die Iraner dringend eine Lockerung bei den Sanktionen brauchen", resümiert eine mit dem Dossier von Anfang an vertraute Person. Die neue Regierung habe "ein paar Monate, um die am Boden liegende Wirtschaft wieder in Gang zu bringen und den Hardlinern in Teheran zu beweisen, dass sie es können".

Das Atom-Thema, daran lassen westliche Emissäre keine Zweifel, wird die Beziehungen zum Regime definieren und bleibt Voraussetzung für jenen "konstruktiven Dialog mit der Welt", den Rohani wünscht. Jedoch habe man "in der Substanz dazu bislang nichts gehört", auch nicht in New York.

Was die P5+1 fordern

Darum wird es in Genf also nun gehen: Einen Test, ob es Iran wirklich ernst meint. Der Maßstab dafür: Welche Garantien die neue Führung der Islamischen Republik bereit ist zu geben, um die nach wie vor großen Zweifel daran auszuräumen, dass ihr Nuklearprogramm - wie immer beteuert wird - allein friedlichen Zwecken dient.

An den Forderungen der P5+1 hat sich nicht viel geändert seit den erfolglosen Treffen in Almaty Anfang des Jahres. Auf sie bezog sich US-Außenminister John Kerry, als er Iran aufforderte, nun eine Antwort vorzulegen und neue Vorschläge zu präsentieren.

Iran soll nach dem Willen der P5+1 die Anreicherung von Uran auf 20 Prozent einstellen und die produzierten Bestände wieder auf unter fünf Prozent verdünnen oder in ein Drittland ausführen, wo Brennelemente für den Forschungsreaktor in Teheran daraus gefertigt werden könnten. Dieses Material gilt als kritisch, weil es in kurzer Zeit auf das für Bomben nötige Niveau von 90 Prozent gebracht werden kann.

Auch müsste Iran einer intensiveren Überwachung durch Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zustimmen. Und nicht zuletzt die in einem Berg nahe der heiligen Stadt Ghom verbunkerte Anreicherungsanlage Fordow stilllegen und Stromversorgung sowie Verbindungsrohre für die Zentrifugen demontieren.

Darüber hinaus, heißt es aus Diplomaten-Kreisen, müsse Teheran den Bau des Schwerwasserreaktors in Arak stoppen, was in Almaty noch nicht Teil der Vorschläge war. Einmal in Betrieb, würde er Plutonium produzieren und Iran damit einen zweiten Weg zum Bau von Atombomben eröffnen.

Zwar verfügt das Land noch nicht über eine Anlage, um das Plutonium aus den Brennelementen zu separieren. Die Baufortschritte bereiten dennoch zunehmend Sorgen. So wurde inzwischen das Reaktorgefäß installiert, das die Brennelemente aufnehmen soll. Vor einem Jahr hatten westliche Geheimdienste noch bezweifelt, ob Iran diese Schlüsselkomponente überhaupt herstellen könne.

Die Vorschläge von Almaty waren darauf ausgelegt, Vertrauen zu schaffen und Zeit für weitere Verhandlungen zu gewinnen. Die P5+1-Staaten sagten Iran darin zu, die Sanktionen für den Handel mit Edelmetallen und für die Ein- und Ausfuhr petrochemischer Produkte - nicht aber Raffinerieprodukte und das für Irans Wirtschaft entscheidende Rohöl - auszusetzen sowie Ersatzteile für die alternden Verkehrsflugzeuge westlicher Produktion zu liefern, ebenso wie Isotope für die Medizin.

Ohne dass Irans neue Regierung konkretisiert hat, zu welchen Zugeständnissen sie bereit ist, sagte Außenminister Sarif, diese Vorschläge seien "in die Geschichte eingegangen". Die P5+1 sollten mit einer "neuen Haltung" zurückkehren. Die Differenzen dürften also nicht einfach zu überbrücken sein.

Iran beharrt darauf, sein "Recht auf Anreicherung" müsse anerkannt werden. Die Regierung zeigt sich aber bereit, darüber zu sprechen, auf welches Niveau sie Uran anreichert. Auch verspricht sie "vollständige Transparenz" über ihr Atomprogramm zu schaffen. Dafür möchte sie aber eine rasche Aufhebung der schmerzhaftesten Sanktionen gegen die Rohöl-Exporte und Irans Finanzsystem erreichen.

Doch einen solchen Deal wird es kaum geben. "Wir werden uns nicht Dinge, die sie ohnehin tun müssen, als Konzessionen verkaufen lassen", hieß es seitens europäischer Unterhändler. Gemeint sind Verpflichtungen, die Iran gegenüber der IAEA mit Blick auf die Inspektionen hat - die es nach Ansicht der Behörde derzeit nicht erfüllt.

Faustpfand für Genf

Die Öl- und Finanzsanktionen sehen die P5+1 als ihr wichtigstes Druckmittel an. Sie aufzuheben erfordere "sehr substanzielle Zugeständnisse", die über die Almaty-Vorschläge weit hinausgehen. Wenn Iran aber einen akzeptablen Vorschlag für einen Endstatus vorlege, könne man sehr schnell zu einem Abschluss kommen. Entscheidend wird sein, welche Beschränkungen Iran bei der Urananreicherung akzeptiert.

Auch nach Rohanis Amtsantritt sind in der Anlage in Natans neue Zentrifugen aufgestellt worden, darunter Maschinen des neuen Typs IR-2m. Sie sind aus Kohlefasern gefertigt, nicht aus Aluminium, und deshalb nach Einschätzung von Experten wie Angaben aus Iran drei- bis viermal effektiver als die bislang verwendeten IR-1.

Mehr als 1000 Maschinen des neuen Typs hat Iran bereits montiert und die Installation von 2000 weiteren vorbereitet. Bislang sind sie nicht aktiviert, was Teheran als Zeichen der Mäßigung verstanden wissen will. Würde Iran die Zentrifugen aber hochfahren, würde sich die Kapazität der Anlage auf einen Schlag verdoppeln - ein gutes Faustpfand für Genf.

Westliche Experten sind jedoch skeptisch, ob die neuen Zentrifugen funktionstüchtig sind. Dass sie nicht aktiviert worden seien, liege daran, dass Irans Techniker trotz jahrelanger Tests weiter "mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen haben", wie ein westlicher Diplomat mit Zugang zu Geheimdienstinformationen der Süddeutschen Zeitung sagte.

Das könne an Konstruktionsfehlern liegen, an mangelnder Erfahrung beim Wickeln und Aushärten der Kohlefasern oder daran, dass Iran "auf minderwertige Rohstoffe angewiesen war". Gut denkbar, dass Irans diskreten Einkäufern solche untergejubelt worden sind.

Westliche Geheimdienste haben schon früher Teile nach Iran gelangen lassen, die sie zuvor manipuliert hatten, um so das Atomprogramm auszubremsen. "Der Grund, warum sie die Zentrifugen hastig installiert haben, ist jedenfalls nicht, dass diese jetzt auf einmal Serienreife erreicht hätten", sagt der Diplomat. Für Iran seien sie vielmehr "ein bargaining chip, der sie nichts kostet".

© SZ vom 14.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: